Rostock. Forscher des Thünen-Instituts in Rostock für Ostseefischerei entwickeln Netze, die unerwünschten Beifang verringern sollen.

Ein Problem in Deutschland ist die unerlaubte Stellnetzfischerei.

Das meint unser Leser Lars Lauritzen auf unseren Facebook-Seiten.

Zum Thema recherchierte
Johannes Kaufmann.

Über die ökologischen Folgen der Fischerei mit Grundschleppnetzen wird immer wieder berichtet. Die schweren Netze, welche die Fischkutter hinter sich herziehen, um zum Beispiel Garnelen zu fangen, die auf dem Meeresgrund leben, schleifen über den Boden und können dabei unter anderem Korallenriffe beschädigen.

Doch auch Stellnetze, die gleichsam wie eine Wand aus Netz im Meer aufgestellt werden, haben ihre Tücken. Zwar bleibt in ihnen weniger unerwünschter Beifang hängen als in Schleppnetzen, weil zu große Fische das Netz als Hindernis wahrnehmen und umschwimmen, dafür bleiben aber immer wieder jagende Seevögel in den Maschen stecken. Schweinswale nehmen die Netze nicht wahr und verheddern sich darin. Nach Schätzungen verenden in der Ostsee jedes Jahr etwa 80 Wale in solchen Netzen. Umweltverbände warnen, dass auch in Schutzzonen illegal weitergefischt werden könnte.

„Fischerei hat immer eine Wirkung auf das Ökosystem“, sagt Professor Christopher Zimmermann. Am von ihm geleiteten Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock arbeiten Forscher aber daran, diese Auswirkungen möglichst zu minimieren. Dazu zählt auch die Entwicklung neuartiger Fischernetze.

Für die Krabbenfischer experimentieren Forscher zum Beispiel mit schwachen Stromimpulsen, die Garnelen aufschrecken und vom Meeresgrund aufspringen lassen. Plattfische hingegen spüren den Strom nicht und bleiben liegen. Das ermöglicht es, den Bodenkontakt von Schleppnetzen zu verringern und den Beifang zu minimieren.

Um Wale vor Stellnetzen zu schützen, entwickelten die Thünen-Forscher ein Gerät namens PAL (Porpoise Alert), das Warnlaute von Schweinswalen imitiert. Davon aufgeschreckt, verstärken die Tiere ihre eigene Echo-Ortung, so dass sie die Netze rechtzeitig wahrnehmen, um ihnen auszuweichen. Das Projekt konnte erfolgreich getestet werden. Allerdings ist die Technik räumlich beschränkt, weil Wale in anderen Meeresregionen auf die Signale offenbar anders reagieren als die Tiere in der westlichen Ostsee.

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Als Alternative experimentieren die Forscher daher mit kleinen Kügelchen aus Acrylglas, die in die Netze eingewoben werden. „Das erhöht das Echo von Stellnetzen enorm“, sagt Dr. Daniel Stepputtis, der am Thünen-Institut in Rostock die Arbeitsgruppe Fischerei- und Surveytechnik leitet. Denn die Kügelchen werden durch die Frequenz der von Walen ausgestoßenen Schallwellen angeregt und werfen diese verstärkt zurück. „Durch diesen Resonanzeffekt erscheinen die Kügelchen und damit das Netz viel größer“, erklärt Isabella Kratzer aus Stepputtis’ Arbeitsgruppe. Die Forscherin hofft, dass die derzeit genau auf die Frequenz von Schweinswalen abgestimmten Kugeln später auch an andere Tierarten und andere Meeresregionen angepasst werden können, sofern sie sich in der Ostsee bewähren.

Viele Umweltverbände und auch manche Ämter lehnten solche Ansätze allerdings ab, bedauert Professor Zimmermann. Denn diese strebten mehr ungenutzte Meereszonen an. „Mit der technischen Lösung eines zentralen Problems ginge ein wichtiges Argument gegen diese Fischerei verloren“, sagt Zimmermann.

Da sich das Thünen-Institut aber als Forschungsinstitut für die nachhaltige Ressourcennutzung versteht, ist der vollständige Verzicht auf die Nutzung einer Ressource aus Sicht der Forscher nur in seltenen Fällen angebracht. Dazu zählt beispielsweise der Hering in der Ostsee. „Der sollte 2019 am besten überhaupt nicht befischt werden“, kommentiert Zimmermann den zuletzt starken Rückgang des Bestands. Dann wäre die Chance für eine schnelle Erholung groß. So habe sich der 2015 kollabierte Dorsch-Bestand in der westlichen Ostsee innerhalb von nur zwei Jahren vollständig erholt. Bei einer Reduktion der Hering-Fangquote um 60 Prozent wäre das auch wahrscheinlich, würde aber wohl etwas länger dauern.

Ein Fenster im Boden des
Ein Fenster im Boden des "Flex"-Netzes lässt unerwünschte Plattfische entkommen. © Thünen-Institut | Thünen-Institut

Eine Möglichkeit, die Ressource Fisch möglichst nachhaltig zu bewirtschaften, ist es, wirklich nur das zu fangen, was gefangen werden soll. Seit 2015 gilt für Fischer in der EU ein Rückwurfverbot für quotierte Arten. Unerwünschter Beifang muss also angelandete und gemeldet werden, was für Fischer zum Problem werden kann, wenn sie wegen erfüllter Quoten auf andere Fischarten umsteigen wollen.

„Das wichtigste Werkzeug im Fischereimanagement ist die Netzgröße“, sagt Dr. Stepputtis. Die Wahl der Maschengröße ermögliche es, zu kleine Fische auszusortieren. Doch um beispielsweise Dorsche von unerwünschten Schollen zu trennen, bringe die Vergrößerung der Maschen wenig. Angeregt durch die Idee eines schwedischen Fischers haben die Thünen-Forscher daher horizontale Gitter in Netze eingebaut. Für Rundfische wie den Dorsch sind die Abstände zwischen den Stangen zu klein, sie passen nicht hindurch. Bei den platten Schollen ist es anders.

Doch Aufnahmen mit Unterwasserkameras haben gezeigt: In der Realität funktionierte die gute Idee des Fischers nicht, die Schollen schwammen an den Gitterfenstern vorbei und landeten hinten im Netz. Stepputtis und seine Kollegen fanden eine relativ simple Lösung für dieses Problem: Ein Hindernis in der Mitte des Netzes zwingt die Plattfische, zur Seite auszuweichen, direkt Richtung der nun schräg eingebrachten Fenster. Der Plattfisch-Beifang ließ sich so um 60 Prozent verringern. Noch erfolgreicher war das Projekt „Flatfish Extraction“ (Flex). „Damit fangen wir sogar 89 Prozent weniger Plattfische, ohne dass dabei Dorsche aus dem Netz schlüpfen“, sagt Stepputtis. Und das, obwohl sie das eigentlich könnten. Denn das Flex-Netz ist am Boden geöffnet. Plattfische, die üblicherweise knapp über dem Meeresboden schwimmen, können durch dieses Fenster nach unten entkommen. Dorsche hingegen ignorieren diese Fenster im Boden des Netzes. „Dieses Design lässt sich auch problemlos umkehren“, sagt der Meeresbiologe. Will der Fischer Schollen und nicht Dorsche fangen, führt die Öffnung im Boden des Netzes in ein weiteres Netz, während die Rundfische noch oben entkommen können.

Andere Ansätze sollen ermöglichen, die besonders fortpflanzungsstarken älteren Tiere einer Fischart zu verschonen und nur die mittelgroßen zu fangen. Zimmermann ist sich sicher, dass mithilfe solcher Methoden Fischerei dauerhaft und nachhaltig betrieben werden kann. Das sei auch ökologisch sinnvoll, denn Fische wandeln Futter viel effizienter in nahrhaftes Protein um als Landtiere. „Und“, ergänzt Zimmermann, „wilder Meeresfisch ist immer ,bio’.“