Braunschweig. . Obwohl die Kriminalitätsrate in unserer Region rückläufig ist, fühlen sich Bürger unsicher. Die GdP fordert deshalb: mehr Präsenz in der Fläche.

Ständig wird in Cremlingen und Umgebung eingebrochen, die Polizeiwache ist manchmal nur bis 14 Uhr besetzt. Das spricht sich bei Einbrechern rum. Wie soll die Polizei uns schützen, wenn sie von Wolfenbüttel aus 25 Minuten bis in die Gemeinde braucht, die Einbrecher aber in weniger als fünf Minuten wieder verschwunden sind?

Das fragt ein Leser aus Cremlingen, der anonym bleiben möchte.

Zum Thema recherchierte Julia Popp

Oft dauert es nur wenige Sekunden, bis routinierte Einbrecher Wohnungstür oder Fenster aufhebeln. In solchen Situationen zählt für Betroffene jede Minute. Bis die Polizei vor Ort eintrifft, kann es manchmal aber dauern. Das verunsichert viele Bürger, wie auch die Anmerkung unseres Lesers zeigt. Könnte eine rund um die Uhr besetzte Polizeistation dieser Angst entgegenwirken?

Michael Pientka, Präsident der Polizeidirektion Braunschweig, sieht aktuell kein Sicherheitsproblem. Dass Polizeistationen wie die in der Gemeinde Cremlingen im Landkreis Wolfenbüttel nicht rund um die Uhr besetzt sind, sei nichts Neues. „Die Polizeiinspektionen und Polizeikommissariate, die 24-Stunden-Dienst haben, übernehmen die Einsätze“, erklärt der Polizeipräsident auf Anfrage unserer Zeitung. „Ist eine Polizeistation besetzt, unterstützen die Beamten dort zusätzlich.“

Am Beispiel Cremlingen heißt das konkret: Läuft ein Notruf in der Leitstelle der Polizeiinspektion Salzgitter/Peine/Wolfenbüttel ein, werden Streifenwagen losgeschickt – je nach Verfügbarkeit entweder aus Cremlingen oder aus dem Polizeikommissariat Wolfenbüttel sowie den angrenzenden Landkreisen. Durch die Abdeckung in der Fläche könnten die Einsatzorte recht schnell erreicht werden, sagt Pientka. Dass sich unser Leser Sorgen macht, könne er durchaus nachvollziehen. Aber, betont der Polizeipräsident, „der Landkreis Wolfenbüttel ist einer der sichersten landesweit“. Laut polizeilicher Kriminalstatistik sind Wohnungseinbrüche dort rückläufig: 81 Mal wurde im Kreis Wolfenbüttel in den Monaten Januar bis August des vergangenen Jahres in Wohnungen und Häuser eingebrochen, im Jahr 2016 lag der vergleichbare Wert noch bei 101. Zum Vergleich: Im Landkreis Helmstedt gab es in demselben Zeitraum fast doppelt so viele Einbrüche. In Cremlingen wurden in diesem Jahr laut Pressestelle der Polizeidirektion 22 Einbrüche angezeigt, das sind vier mehr als im Vorjahr. Grund könnte die kurze Distanz zur A 39 sein, heißt es.

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Für die gesamte Region zwischen Harz und Heide sieht die Statistik ähnlich positiv aus: „Wir waren noch nie so sicher, wie wir es jetzt sind. Seit vielen Jahren haben wir die geringsten Fallzahlen“, sagt Pientka und ergänzt: „Derzeit liegen wir bei unter 70 000 Straftaten, noch im Jahr 2004 waren es rund 82 000.“ Doch trotz positiver Entwicklungen – die Bürger fühlen sich unsicher, das verdeutlicht auch die Frage unseres Lesers.

Aber woran liegt das? „Das Sicherheitsempfinden der Menschen hat sich verschlechtert“, sagt der Polizeipräsident. Pientka verweist auf eine Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes, bei der rund 40 000 Einwohner befragt wurden. Demnach gaben sie an, sich nicht sicher zu fühlen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, geringer geworden ist. „Die gefühlte Sicherheit wird durch eigene Erlebnisse, aber auch durch Betroffenheit aus dem sozialen Umfeld beeinflusst“, erklärt der Polizeipräsident. Wichtig sei deshalb, die Nähe zum Bürger zu suchen und durch Gespräche sowie Präventionsarbeit aufzuklären. Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen, sieht das ähnlich: „Der Austausch mit den Bürgern ist wichtig. Das macht die Polizei hervorragend.“ Um das Sicherheitsempfinden der Bürger weiter zu stärken, fordert Schilff aber auch mehr Präsenz in der Fläche – vor allem durch Streifenwagen auf dem Land. Das erfordere mehr Personal, gibt Schilff zu bedenken.

Der Dauerforderung zum Beispiel der GdP nach mehr Personal ist die Landesregierung mit dem Koalitionsvertrag entgegengekommen. Das Vertragswerk sieht 1500 neue Stellen vor, 1500 weitere sind in Prüfung. Entlasten würde das auch die Polizeidirektion Braunschweig. „Die Einstellungen der neuen Polizeibeamten erfolgen immer nur zum 1. Oktober eines Jahres. Aufgrund der vielen Pensionierungen bis zum Jahr 2024 reduziert sich die Personaldecke in der Zwischenzeit“, erklärt Pientka. Dann müsste Personal umgesteuert werden. Kleinere Polizeistationen ständig zu besetzen, sei aber auch dann kaum zu schaffen, wenn mehr Personal kommt, sagt GdP-Landeschef Schilff. Im Bereich der Polizeidirektion Braunschweig wären es immerhin 48, die Polizeiwache in Braunlage im Landkreis Goslar ist schon jetzt rund um die Uhr besetzt.

Karsten Becker, polizeipolitischer Sprecher der SPD-Landestagfraktion, betont, dass die Polizeiwachen in kleineren Gemeinden generell erhalten bleiben sollten. „Die Angst vor Kriminalität ist bei den Menschen stark ausgeprägt, darum müssen wir uns kümmern“, sagt der Landtagsabgeordnete unserer Zeitung. Die kleineren Polizeistationen hätten in dieser Hinsicht eine wichtige Funktion: „Sie sind für die subjektive Sicherheit vor Ort zuständig, indem sie lokale Präsenz garantieren. Das wollen wir auch weiter gewährleisten.“