Braunschweig. . Die Umrüstung von Straßenlaternen stellt Ansprüche an die Stromversorgung. An leistungsstärkeren Lade-Laternen sind auch kurze Ladezeiten sinnvoll.

Eine Straßenlaterne ist ohne teure Umbauarbeiten nicht geeignet, um E-Autos aufzuladen. Außerdem kann an einer solchen Ladestation – etwa während eines Einkaufs – keine nennenswerte Ladeleistung erzielt werden. Eine Stunde Laden ergibt etwa 2 kWh Tankleistung. Das reicht dann für 10 km – eine Glanzleistung.

Das schreibt unser Leser
Helmut Bömelburg aus Salzgitter.

Zum Thema recherchierte
Andreas Eberhard.

Es ist eine charmante Idee für das Zeitalter der Elektroautos: Strom tanken an der Straßenlaterne. „Wenn dies bald möglich sein wird, wird das vielen die Angst vor Elektromobilen nehmen“, sagte Gareth Dunsmore, Direktor von Nissans E-Auto-Sparte vor kurzem unserer Zeitung. „Dann können Sie Ihr Fahrzeug aufladen, wenn Sie auf der Arbeit sind oder im Supermarkt einkaufen.“

Unser Leser hält dieses Szenario für völlig unrealistisch. Um an einer handelsüblichen Laterne die Akkus von E-Autos aufladen zu können, seien massive Umbauten am Kabelnetz, sowie Erd- und Pflasterarbeiten notwendig. „Das geht in die Millionen“, schreibt er. Außerdem bezweifelt er, dass die Lade-Laternen mit ihrer geringen Leistung E-Auto-Fahrern überhaupt von wirklichem Nutzen sind. Wir sprachen darüber mit Ladesäulen-Herstellern, dem Energieunternehmen BS-Energy und einem Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Ihre Antworten: ein klares „Ja, aber“.

Ob das Einrichten von Lade-Laternen in die Millionen geht, hänge von der Zahl der Umrüstungen ab, sagt Ralph Müller-Eberstein vom Anbieter Ebee: „Hardware und Installation kosten pro Laterne deutlich unter 2000 Euro“, sagt der Vertriebsmitarbeiter des Berliner Unternehmens, das Laternen-Ladepunkte produziert. Er meint: „Wenn Sie für 2 Millionen 1000 Ladepunkte bekommen, ist das nicht teuer.“

Voraussetzungen für den Umbau zur Lade-Laterne

Trotzdem müssen für den Umbau zur Lade-Laterne Voraussetzungen erfüllt sein, erklärt Martin Kahmann von der PTB. Sein Job als Leiter des Fachbereichs Energiemesstechnik: Er prüft Ladestationen – auch solche an Laternen – und zwar daraufhin, ob sie den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Er sagt: „Nicht bei allen Laternen ist die Energieversorgung dafür ausgelegt, in kurzer Zeit größere Energiemengen zu transportieren.“ Einfach gesagt: Nicht jede Straßenbeleuchtung eignet sich, zu einer E-Auto-Zapfsäule umgerüstet zu werden.

Entscheidend ist der Querschnitt des Kabels, das die Laterne mit Strom versorgt. Ist dieser zu gering, könnte auch die Stromstärke zu gering sein, um einen E-Auto-Akku zu laden. „Wer vor zehn-zwanzig Jahren eine Straßenlaterne aufgestellt hat, konnte mit dieser Art der Nutzung natürlich nicht rechnen, sagt Kahmann, „und gute Ingenieure planen eher knapp als großzügig“. Die Spielräume seien daher begrenzt. Allerdings könnten durch die Umstellung auf energiesparendere LED-Leuchten wieder Kapazitäten frei werden. Sein Fazit: „Man muss in jedem Einzelfall gucken, wie viel Leistung abgegeben werden kann.“

Auch die Hersteller der Lade-Laternen bestätigen diese Voraussetzungen. Allerdings stellten diese in der Regel kein Problem dar – wohl auch, weil problematische Standorte meist gar nicht erst in Betracht gezogen werden. Der Münchener Ladestation-Anbieters Eluminocity etwa richtet seinen Blick denn auch vor allem auf neu entstehende Stadtgebiete – die sogenannten Quartiere – und auf Straßenzüge, in denen ohnehin die Beleuchtung erneuert wird. Marketing-Managerin Julia Meerkötter erklärt: „Wenn man im Zuge solcher Arbeiten die Ladestationen gleich mit einplant, sind später keine zusätzliche Erdarbeiten mehr nötig.“

Pilotprojekt im Testbetrieb in Braunschweig

In Braunschweig läuft derzeit ein Pilotprojekt mit Lade-Laternen in der Allerstraße und in der Steinbrecherstraße. Laut BS-Energy sind die Geräte noch im Testbetrieb. „Wenn das Pilotprojekt beendet ist, wird über ein mögliches weiteres Vorgehen entschieden“, heißt es in der Stellungnahme des Energieversorgers auf Anfrage unserer Zeitung.

Die Braunschweiger Lade-Laternen werden unabhängig vom Leitungsnetz der Straßenbeleuchtung mit Strom versorgt. Zu den Gründen sagt BS-Energy: „Zum einen wird die Straßenbeleuchtung in Braunschweig nicht mit einer Dauerspannung betrieben. Zum anderen ist die benötigte Leistung zu hoch.“ Für die Ladesäulen musste daher eigens ein neues Starkstromkabel gelegt werden. Dafür seien „Erd- und Pflasterarbeiten in geringem Umfang ausschließlich im Gehwegbereich“ notwendig gewesen, heißt es.

Julia Meerkötter von Eluminocity kennt allerdings auch Beispiele für die erfolgreiche Arbeit mit bestehenden Stromnetzen: „In Augsburg etwa haben wir Leitungen vorgefunden, die immerhin schon zehn Jahre alt sind. Aber die sind für solche Leistungen ausgelegt, dass wir hier sogar Schnellladestationen aufstellen könnten.“ Ähnliches berichtet ihre Kollegin Alexa Thiele, Marketing-Chefin des Anbieters Ubitricity: „In Berlin könnte das Netz noch viel viel mehr“ – sie meint: mehr als die Leistung von maximal 3,7 Kilowatt, die die Ladesäulenverordnung für „Ladepunkte mit geringer Ladeleistung“ vorsieht.

Bei neuen Netz-Installationen können aber noch deutlich hohere Ladeleistungen erzielt werden. „Da sind 11 oder 22 Kilowatt dann gar kein Problem mehr“, sagt Müller-Eberstein. Auch die Braunschweiger Test-Lade-Laternen sind für diese höhere Leistung ausgelegt. Sind, wie vorgesehen, zwei Autos zum Laden angeschlossen, können diese mit jeweils 11 Kilowatt „tanken“. BS-Energy hält diese Variante für die „zukunftsträchtige“. Gleichzeitig bedeutet die Entscheidung für 22-Kilowatt-Säulen, dass – zumindest in bestehenden Wohnvierteln in Braunschweig – Erdreich bewegt werden muss.

Anders als unser Leser, der die technischen Fragen im Blick hat, sieht Julia Meerkötter vor allem bürokratische Hürden für öffentliche Lade-Laternen. Dass der Ausbau in Deutschland so schleppend verlaufe, liege auch an den Behörden. „Eine besonders kritische Frage ist die Eichrechtskonformität.“ Auch ihre Kollegin Alexa Thiele betont, dass die Vorschriften in Deutschland oft schwerer zu erfüllen seien, als etwa in Großbritannien: „Die deutsche Straßenlaterne ist ein heikles Feld.“ Die vielen zu klärenden Fragen reichten vom Eigentümer der Laterne bis hin zur Frage, ob sich zwischen Laternenpfahl und E-Auto ein Gehweg befinde. Für die Hersteller von Lade-Laternen sei Netz-Qualität meist das geringste Problem, so Thiele.

Doch unser Leser hadert mit einem weiteren Aspekt: Die Vorstellung, das E-Auto während eines Einkaufs aufzuladen, hält er schlichtweg für abwegig, weil die Ladeleistung in so kurzer Zeit schlicht zu gering sei: „Eine Stunde Laden ergibt etwa 2 Kilowattstunden Tankleistung. Das reicht dann für 10 Kilometer.“ Ironisch fügt er hinzu: „Eine Glanzleistung!“

Wann sind kurze Ladezeiten sinnvoll, wann nicht?

Martin Kahmann von der PTB bestätigt die Rechnung unseres Lesers – zumindest für Ladesäulen mit geringer Leistung. Er zieht daraus aber andere Schlüsse: „Immer mal wieder auch kleinere Mengen zwischendurch aufzuladen – das ist ja gerade die Idee bei der E-Mobilität.“ Viele Ladepunkte, die ein einfaches Laden zwischendurch erlauben, könnten nach Ansicht des Forschers der sogenannten Reichweitenangst entgegenzuwirken, die immer noch viele Verbraucher davon abhält, über die Anschaffung eines E-Autos nachzudenken.

An Ladepunkten mit geringer Leistung, also unter 3,7 Kilowatt, lohnen sich sehr kurze Ladezeiten allerdings in der Tat kaum. Anders sieht es bei den 22-Kilowatt-Stationen aus. Während eines Drei-Stunden-Stadtbummels kann hier durchaus eine Lademenge abgegeben werden, die für mehrere hundert Kilometer reicht.

Ebee-Mitarbeiter Müller-Eberstein, der selbst E-Auto fährt, erklärt, dass es auf die richtige Kombination von Ladestationen ankommt: Einerseits brauche es die leistungsstarken Schnelllader mit Gleichstromtechnik. Diese relativ teuren Geräte seien vor allem dort nötig, wo lange Strecken gefahren werden und das Aufladen fix gehen muss – etwa an Autobahnraststätten. Diese Art der Nutzung nennt er „charge and coffee“, weil im Idealfall eine Kaffeepause fürs Vollladen ausreicht. Die Lade-Laternen dagegen, die mit Wechselstrom arbeiten, machten vor allem dort Sinn, wo die Autos länger stehen. „Und das Auto steht ja in der Stadt mehr, als dass es fährt“, sagt Julia Meerkötter und fügt scherzhaft hinzu: „Eigentlich sind es eher Steh- als Fahrzeuge.“ Diese längeren Stand- und Ladezeiten nennt Müller-Eberstein „work and charge“ oder „sleep and charge“, weil sich die Ladepunkte sinnvollerweise vor der Wohnung oder am Arbeitsplatz befinden. Hier sei der optimale Einsatzort für die günstigeren Lade-Laternen.