Braunschweig. Der Vorstandsvorsitzende der Volksbank BraWo, Jürgen Brinkmann, erläutert, welche Rolle das klassische Bankgeschäft noch spielt.

Schon lange tritt die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg nicht mehr nur als Bank auf, sondern immer stärker als Projektentwickler: 2015 eröffnete zum Beispiel in Braunschweig der BraWo-Park mit einem Einkaufscenter und dem höchsten Büroturm der Stadt. 2017 kam das Lilienthalhaus am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg hinzu, weitere Lilienthalhäuser für die Forschung rund um Mobilität sollen dort folgen. In Braunschweigs Norden entstand ein Neubaugebiet mit rund 90 Bauplätzen, zurzeit wächst das Wohnquartier Langer Kamp. In Wolfsburg wurde das Hotel Allerpark fertiggestellt. Demnächst soll in der Wolfsburger Innenstadt ein großer Büro- und Gewerbekomplex, die BraWo-City. In Parsau im Kreis Gifhorn wird die Volksbank eine Seniorenwohnanlage bauen, in Hannover das Wohnquartier „Wasserstadt Limmer“. Im Interview erläutert der Vorstandsvorsitzende der Volksbank, Jürgen Brinkmann, die aktuelle Strategie seines Unternehmens.

Herr Brinkmann, spielt das klassische Bankgeschäft überhaupt noch eine Rolle? Die Bauprojekte erwecken den Eindruck, dass sich der Schwerpunkt verschoben hat.

Dieser Eindruck täuscht. Die Bank ist nach wie vor der Kern unseres Geschäftes und erwirtschaftet zwei Drittel unserer Gewinne. Sie hat die ganzen Investitionen in die anderen Geschäftsfelder bezahlt. Nur weil die Bank so gut läuft, können wir uns den Rest überhaupt leisten.

Sie haben für 2017 rund 12 Millionen Euro Gewinn ausgewiesen. Ein Top-Ergebnis?

2017 hatten wir den höchsten Gewinn aller Zeiten und haben wieder zehn Prozent Dividende an unsere Eigentümer ausgeschüttet – das gibt es in Deutschland nur einmal: bei uns. Wir haben in 2017 die Gewinne aus unseren Tochtergesellschaften das zweite Mal hintereinander größtenteils nicht ausgeschüttet. Die Bank hat also selber so viel verdient, dass sie den Töchtern die Erträge belassen konnte. Trotzdem haben wir 35 Millionen Euro in Form von Eigenkapital auf die Seite legen können. Das ist fast ein Prozent der Bilanzsumme.

Und das alles, obwohl das vergangene Jahr geprägt war von der Integration der Volksbank Peine, mit der wir 2016 fusioniert haben. Außerdem haben wir 2017 auf ein komplett neues Bankverfahren umgestellt; zeitweilig waren mehr als 100 Mitarbeiter nur in diesem Projekt tätig. Trotzdem läuft es sehr gut, und in 2018 haben wir schon jetzt Zuwachsraten, die das letzte Jahr fast übersteigen. Das wird ein ganz außergewöhnliches Jahr. Dies zeigt sich auch daran, dass wir mehr als 30 offene Stellen haben. Und wir haben weiterhin keinerlei Probleme, Auszubildende zu finden.

Nicht viele Banken können von sich behaupten, dass das Geschäft gut läuft. Die Niedrigzinspolitik der EZB macht allen zu schaffen.

Auch an uns geht diese Entwicklung, was Niedrigzinsen betrifft, nicht vorüber. Aber wir haben als Bank kein Problem mit uns selber, sondern können uns auf unsere Kunden fokussieren. Außerdem: Unsere Unternehmensgruppe mit den inzwischen 84 Gesellschaften ist in den letzten 10 bis 15 Jahren entstanden – und das sorgt auch dafür, dass wir mit den regulatorischen Aufwendungen und dem Zinsniveau besser klarkommen. Wie gesagt: Die Bank macht zwei Drittel der Gewinne, ein Drittel kommt aus den Tochtergesellschaften – und das zum Teil aus Geschäftsfeldern, die viele Banken gar nicht haben.

Zum Beispiel aus dem Immobilienbereich…

Viele denken, wir machen das alles mit Immobilien. Das ist aber gar nicht so. Ein wesentlicher Anteil ist zum Beispiel die Braunschweiger Privatbank. Die zurzeit rund 20 Mitarbeiter betreuen Kunden ab einem Vermögen von einer Million Euro. Die Privatbank hat jetzt fünfjähriges Jubiläum, und alle Erwartungen wurden übertroffen: Wir haben unser Zehnjahresziel – eine Milliarde Euro Vermögen zu verwalten – jetzt schon erreicht. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Wir sind der Platzhirsch in der Region. Einige Mitbewerber sind gar nicht mehr da, andere haben diesen Bereich fast auf Null runtergefahren. Das haben wir alles super aufgesaugt, und wir werden dieses Jahr weitere Betreuer einstellen – und die bringen in der Regel ja ihre Kunden mit.

Welche Geschäftsfelder spielen noch eine große Rolle?

Ich nenne Ihnen drei weitere wichtige Felder: Da ist unser Versicherungsbereich mit fast 100 Mitarbeitern. Wir haben 120 Versicherungen im Angebot. Damit sind wir einer der größten Versicherungsmakler überhaupt. Wir haben BRW-Versicherungen integriert und zwei weitere Übernahmen stehen kurz vor dem Abschluss.

Dann haben wir eine Gesellschaft, die Unternehmensbeteiligungen kauft. Wir waren überrascht, wie stark das nachgefragt wird, vor allem von Nichtkunden. Wir mussten schon zweimal das Beteiligungskapital erhöhen.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist BraWo-Invest, in dem wir all die Immobilien verwalten und im Bestand haben, die wir nicht zum Bankgeschäft benötigen, beispielsweise Galerie Kaufhof und das Schloss-Carree in Braunschweig. Wir haben einen eigenen Immobilienbestand von knapp 400 Millionen Euro aufgebaut.

Damit sind wir einer der größten gewerblichen Immobilienvermieter in der Region. Wir haben 260 000 Quadratmeter vermietete Fläche und 27 Millionen Euro Mieteinnahmen pro Jahr. In diesem Jahr wollen wir weitere 100 Millionen Euro in Objekte investieren, vielleicht mehr – wir haben unter anderem den Toom-Baumarkt in Gifhorn gekauft und ein größeres Projekt in Wolfsburg, zu dem ich noch nichts sagen kann.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Bank mache damit ihren eigenen Kunden Konkurrenz?

Da ist nichts dran. Wir kaufen in einem sehr bestimmten Segment Immobilien: nicht unter 10 Millionen und möglichst keine über 50 Millionen. In diesem Korridor sind private Investoren in der Regel nicht mehr unterwegs, weil ihnen das Einzelrisiko zu groß ist. Und großen Fonds ist die Investitionssumme zu klein. Wir sind da in einer Nische unterwegs. Das macht sich auch bei den Kaufpreisen positiv bemerkbar. Wir haben keine einzige Immobilie im Bestand, bei der die Rendite auf das eingesetzte Kapital nicht mindestens zehn Prozent beträgt.

Das hilft natürlich beim aktuellen Zinsniveau gut. Wenn man 400 Millionen hat, die mit zehn Prozent verzinst werden, kann man sich eine Menge Minuszinsen bei Kunden ersparen. Wir haben nur drei Kunden mit Minuszinsen, weil es dort eine spezielle Vereinbarung gibt, ansonsten haben wir das bisher überhaupt nicht gebraucht und versuchen, auf anderen Wegen Geld zu verdienen, anstatt die Privatkunden für die Abenteuer von Herrn Draghi und der EZB zahlen zu lassen.

Dann lassen Sie uns über die Bauprojekte reden. Was ist diesbezüglich noch zu erwarten?

Einiges! Wir machen das schon mehr als zehn Jahre. Weil es so extrem gut angenommen wird, und viele Banken in dem Bereich kein Angebot haben, aber uns fragten, ob wir sie nicht mit Knowhow unterstützen können, haben wir vor drei, vier Jahren die „blue-orange Development Partner GmbH“ gegründet.

Wir wollten außerhalb unseres Geschäftsgebietes nicht als Volksbank agieren, sondern mit einer neutralen Bezeichnung auftreten, die über die Farben an uns erinnert.

In welchem Gebiet ist „blue-orange Development Partner“ tätig?

Wir decken Norddeutschland mehr als gut ab: Wir haben in Berlin eine Projektentwicklung übernommen und dort einen Standort aufgebaut, dann haben wir in Osnabrück ehemalige Mitarbeiter von Hochtief-Projektentwicklung übernommen und einen Standort aufgebaut, und wir werden jetzt einen kleinen Standort in Dortmund aufmachen. Außerdem haben wir uns mit zunächst 28 Prozent an der AVW Immobilien-AG in Hamburg beteiligt. Wir könnten das Doppelte oder Dreifache projektieren, wenn wir das Personal bekommen würden. Deswegen haben wir zugekauft, und wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich noch ein Unternehmen erwerben, um mehr Personal zu bekommen.

Wollen Sie auch noch ganz neue Geschäftsfelder anpacken?

Wir haben 2017 ein Geschäftsfeld neu dazu bekommen: Es geht um den Bereich Green-Power, wo wir uns mit alternativen Energien beschäftigen. Zunächst hatten wir nur ein Blockheizkraftwerk, das das Business-Center I im BraWo-Park in Braunschweig mit Strom und Wärme versorgt.

Ergänzend dazu haben wir im vergangenen Jahr für 20 Millionen Euro einen der größten Solarparks Deutschlands gekauft: 15 Hektar, 46 500 Module. Der steht in Thüringen an der A9. Wir erzeugen damit doppelt so viel Strom, wie wir in der gesamten Unternehmensgruppe selbst verbrauchen. Und bei einem garantierten Abnahmepreis von 18 Cent bis zum Jahr 2032 ist das sehr rentabel. Wir werden voraussichtlich weitere Anlagen dazukaufen, zwei prüfen wir zurzeit.

Was kommt noch? Wollen Sie auch in Windparks einsteigen?

Das schließe ich nicht aus. Wenn es sich rechnet, können wir uns vieles vorstellen.

Wenn alles so gut läuft, wie Sie es schildern, können sich Ihre Kunden dann darauf einstellen, dass der Bestand an Filialen unverändert bleibt?

Das hängt davon ab, wie stark die Kunden unsere digitalen Angebote nutzen. In der Digitalisierung ist schon viel passiert, und es wird weiter gehen. Wir haben zum Beispiel die Möglichkeit freigeschaltet, dass man sich seinen Dispokredit online erhöht – komplett abschließend, da arbeitet kein Mitarbeiter mehr was nach.

Wir führen ein elektronisches Postfach ein, und wir wollen Kontoauszüge am Kontoauszugsdrucker bepreisen, um Papier einzusparen. Es ist jetzt schon so, dass 60 Prozent der Kontoauszüge nicht mehr ausgedruckt werden, und wir speichern sie zehn Jahre kostenlos für die Kunden. Das bedeutet, dass wir weniger Kontoauszugsdrucker brauchen.

Man muss auch beobachten, wie die Bargeldentwicklung weitergeht und ob man die Anzahl der Geldautomaten noch braucht. Bei uns kann man jetzt mit dem Smartphone am Geldautomaten Geld abheben, ohne EC-Karte. Demnächst werden unsere Kunden mit dem Smartphone an der Supermarktkasse kontaktlos bezahlen können. Das wird Auswirkungen haben. Am Ende bestimmt der Kunde, welche Leistung er möchte, und diese Leistung bieten wir an. Solange der Kunde bereit ist, für Leistungen in der Filiale zu bezahlen, werden wir auch Filialen haben.

Wie sieht es beim Personal aus? Werden Sie Stellen abbauen, wenn die Technik immer mehr Aufgaben übernimmt?

Die Digitalisierung führt natürlich zu Veränderungen, weil Routinetätigkeiten von Computern übernommen werden. Die Folge ist, dass sich das Verhältnis zwischen internen Mitarbeitern und Mitarbeitern im Vertrieb in den nächsten zehn Jahren deutlich verändern wird. Solange wir solche Zuwachsraten haben wie zurzeit, wird es sich eher um eine Umschichtung handeln. Wir haben 30 freie Stellen und wären froh, wenn wir die erstmal besetzen könnten.

Wir haben die letzten 10, 15 Jahre permanent nur Personal aufgebaut, wir haben eine Frauenquote von über 60 Prozent. Wir haben mehr Mitarbeiterinnen in Teilzeit als in Vollzeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in den nächsten fünf Jahren in irgendeiner Form Personal abbauen werden, außer zum Beispiel über Pensionierung, Mutterschutz oder Elternzeit. Wir sind auch wirtschaftlich viel zu stark. Da könnte man erst noch ganz andere Dinge machen, bevor Kündigungen notwendig würden. Der Bank geht es gut und damit auch den Mitarbeitern.