Braunschweig. Die Regierung investiert mehr ins Autobahn-Netz. Das freut viele, führt aber vorerst zu mehr Baustellen und Staus.

Warum wird nicht intensiver an diesen Baustellen gearbeitet, um die Sperrzeiten zu verkürzen?

Das fragt unser Leser Burckhard Scheffer aus Cremlingen

Die Antwort recherchierte
Andre Dolle

Kilometerlange Blechlawinen werden sich auch in diesem Sommer wieder über Deutschlands Autobahnen schieben. In diesen Ferien wird das aller Voraussicht nach besonders häufig geschehen. Darauf müssen sich Urlauber, die mit dem Auto in den Ferienort fahren, einstellen.

Die Ursache ist eigentlich erfreulich: Denn die Bundesregierung steckt wieder mehr Geld ins zum Teil marode Autobahn-Netz in Deutschland. 8,6 Milliarden Euro gibt die Große Koalition in diesem Jahr für den Erhalt und Ausbau der Autobahnen aus. Das ist eine Milliarde Euro mehr als noch im vergangenen Jahr.

Zu lange hatte der Staat zu wenig in den Erhalt der Autobahnen gesteckt. Die wachsenden Investitionen haben aber eine unschöne Nebenwirkung für Millionen von Urlaubern in Deutschland: Baustellen, die für Staus sorgen.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock wollte genau wissen, wie viele Baustellen es in diesem Sommer auf den Autobahnen gibt. Die Bundestagsabgeordnete stellte eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Die Antwort des Bundesverkehrsministeriums vom 3. Juli liegt unserer Zeitung vor. Sie lautet: 586 „gemeldete Arbeitsstellen im Zeitraum vom 1. Juni bis 1. Oktober“. Die Regierung hat alle Baustellen mit mindestens vier Tagen Dauer berücksichtigt.

Staurekordjahr 2017

Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Sommer-Baustellen noch bei 571. Damit übertrifft die aktuelle Zahl von 586 das Staurekord-Jahr 2017. Der ADAC registrierte mit 723 000 so viele Staus wie noch nie. Die gesamte Länge lag bei 1,45 Millionen Kilometern. Unvorstellbar.

Alleine auf der A2 zwischen Hämelerwald und Lehrte-Ost standen die Autofahrer vergangenes Jahr auf 2222 Kilometern. Die Wartezeit betrug satte 23 Tage. Die vielen Sommer-Baustellen in diesem Jahr dürften ein Vorbote für einen weiteren Stau-Rekord sein.

Unfälle, Staus, Baustellen und überlastete Umleitungsstrecken – eine ADAC-Sprecherin sagt schon jetzt: „Die A2 ist am Rande ihrer Kapazität.“

  Die Baustellen im Sommer im Überblick.
  Die Baustellen im Sommer im Überblick. © Jürgen Runo

24-Stunden-Baustellen?

Das Bundesverkehrsministerium will die Behinderungen in diesem Sommer möglichst klein halten. Im Juli und August gibt es wie in den vergangenen Jahren zusätzlich zu den Sonn- und Feiertagsfahrverboten auch LKW-Fahrverbote an Samstagen.

Das ist vielen noch nicht genug. Unser Leser wünscht sich, dass an den Baustellen intensiver gearbeitet wird. Einen solchen Vorstoß hat die FDP im Landtag Anfang des Jahres gestartet. Die Fraktion forderte 24-Stunden-Baustellen auf Autobahnen – sieben Tage die Woche. Ihr Ansatz: Weniger Baustellen sorgen für weniger Unfälle und weniger Staus. Die FPD will das Dreischicht-System auf den Hauptmagistralen A1, A2 und A7.

Die Liberalen scheiterten mit ihrem Antrag. Die SPD und vor allem Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) lehnten den Vorschlag ab. Mittelständische Firmen könnten den dafür nötigen Drei-Schicht-Betrieb meist gar nicht leisten, so die CDU. Zudem wiesen Arbeiten, die ohne Tageslicht ausgeführt würden, oft Mängel auf. Allerdings sei ein 24-Stunden-Betrieb im Ausnahmefall an besonders kritischen Baustellen denkbar.

Das geschieht nicht nur in Niedersachsen aber zu selten. Laut ADAC wird zwar gerade bei den Großbaustellen häufig unter der Ausnutzung der Tageshelligkeit und an sechs Tagen in der Woche gearbeitet. 2015 gab es jedoch eine parlamentarische Anfrage zu den Sommerbaustellen auf den deutschen Autobahnen. Eine ADAC-Sprecherin sagte: „Danach wurde nur auf 63 von 715 gemeldeten Baustellen auch nachts gearbeitet, davon wiederum nur auf 54 Baustellen auch sonn- und feiertags.“ Dagegen würden oft Sicherheitsbedenken, höhere Kosten oder auch die Lichtverhältnisse sprechen.

Die Grünen setzen daher gleich auf die Schiene statt auf die Straße. Grünen-Chefin Baerbock sagte unserer Zeitung: „Das ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern führt auch zu weniger Reparaturbedarf an den Straßen.“ Ein einziger LKW beanspruche den Straßenbelag genauso wie viele, viele Autos.

Die Große Koalition in Niedersachsen hat vor allem die A2 im Blick. Hier gab es im vergangenen Jahr 3500 Unfälle – oft in Baustellen oder am Baustellenende. Die niedersächsische Landesstraßenbaubehörde soll große Baustellen künftig an einen Generalunternehmer vergeben. Damit sollen Bauarbeiten beschleunigt werden. Bei Verzug drohen Vertragsstrafen, bei Tempo gibt es Zusatzvergütungen. Das Land hat außerdem eine Koordinatorin für alle A2-Bauarbeiten eingesetzt.

Das rät der ADAC für die Urlaubsreise

Laut dem Automobil-Club nutzen die Deutschen für Urlaubsreisen wieder häufiger ihr Auto. Flugziele sind weniger gefragt. Womöglich schreckt die politische Situation und die Terrorgefahr so manchen Urlauber ab.

Top-Stau-Tage in Niedersachsen sind laut ADAC die Wochenenden bis zum 29. Juli – immer freitags bis sonntags. „Vorbei sind die Zeiten, als der Sonntag noch ein eher ruhiger Reisetag war. Wer sich frei entscheiden kann, sollte dienstags oder mittwochs reisen“, sagte eine Sprecherin. Ansonsten empfehle es sich, außerhalb der verkehrsreichsten Tageszeiten zu fahren, also freitags erst in den Abendstunden, samstags ganz früh oder ab dem Nachmittag und sonntags früh morgens oder spät abends. Das Ausweichen auf Nebenstrecken lohne sich nur bei einer Vollsperrung der Autobahn oder wenn es im Verkehrsfunk ausdrücklich empfohlen wird.