Braunschweig. Einzelne Landwirte beobachten mehr Maulwürfe auf ihren Äckern. Biologen sehen keinen Grund zur Entwarnung für den Zustand der Böden.

Wer offenen Auges durch den Landkreis Wolfenbüttel fährt, sieht auf den Feldern immer mehr Maulwurfshügel. Wo der Maulwurf wirkt, ist die Bodenfauna in Ordnung. Die Hügel zeigen: Die Landwirtschaft ist schonender geworden.

Das schreibt Andreas Müller, Obmann für Naturschutz in der Jägerschaft Wolfenbüttel.

Zum Thema recherchierte
Andreas Eberhard.

Wo der Maulwurf gräbt, da geht es den Böden gut – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Sagt Andreas Müller, Naturschutzexperte der Wolfenbütteler Jäger. Am Telefon erzählt er: „Mehrere Landwirte, die in unserer Jägerschaft aktiv sind, haben beobachtet, dass es deutlich mehr Maulwurfshügel auf den Feldern gibt als noch vor einigen Jahren.“ Maulwurfshügel, so Müller, seien ein Anzeiger für die Güte der Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen.

Grundsätzlich stimme dies, beantwortet das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Hannover eine Anfrage unserer Zeitung: „Maulwürfe sind reine Fleischfresser. Und wenn das Nahrungsangebot groß ist, etwa durch vermehrten Regenwurmbesatz, ist es vorstellbar, dass auch vermehrte Maulwurfaktivitäten zu verzeichnen sind.“ Die Behörde stimmt Müller ausdrücklich zu: „Ein erhöhter Regenwurmbesatz ist ein Zeichen für eine gute Bodenstruktur.“

Für Andreas Müller ist das ein Verdienst der Landwirtschaft. Diese sei schonender geworden: „Moderne Technik ermöglicht es, den Einsatz von Dünger und Spritzmitteln immer besser und effektiver zu steuern und dabei zu minimieren.“ Das komme dem Boden und den darin lebenden Tieren zugute, von denen der Maulwurf sich ernährt. Bernd Becker, Vorsitzender der Jägerschaft Wolfenbüttel, ergänzt: „Das ist ein Lob für die Landwirte, die wieder auf natürliche Stickstoffträger als Dünger setzen: auf Mist, Gärreste aus Biogasanlagen, auf Zwischenfrüchte und – vorsichtig dosiert – auch auf Gülle.“

„Viele Maulwürfe lassen auf eine hohe Regenwurmdichte schließen, und das ist schon mal gut“, sagt Professor Michael Reich von der Leibniz Universität Hannover. Grund zur Entwarnung sieht er aber nicht. „Auch wenn an manchen Orten vermehrt Maulwürfe auftreten mögen, meine Beobachtungen sind da andere“, sagt der Zoologe, der an zahlreichen Forschungsprojekten mitgewirkt hat, in denen Auswirkungen von Landwirtschaft auf die Tierwelt untersucht wurden. „Generell ist die Bodenbearbeitung in den letzten Jahrzehnten eher intensiver als schonender geworden.“ Entsprechend werde die Vielfalt der Lebewesen im landwirtschaftlich genutzten Raum nicht größer, sondern gehe zurück. „Stichwort Insektensterben“, sagt er.

Viele Maulwurfshügel lassen darauf schließen, dass der Boden nicht stark verdichtet sei, ergänzt Reichs Kollege, Professor Michael Rode, ebenfalls von der Leibniz Universität. Das sei also ein gutes Zeichen. Aber die Rechnung „Viele Maulwurfshügel gleich guter Bodenzustand“ will er, der auch stellvertretender Landesvorsitzender des Umweltverbands BUND ist, nicht unterschreiben. „Es ist eben auch ein belasteter Boden denkbar, in dem sich Maulwürfe noch einigermaßen wohl fühlen.“ Es gebe Spritzmittel gegen Insekten, Pilzbefall und Wildkräuter, die zwar das Ökosystem Bodens schädigten, aber etwa an den Regenwürmern und ihren flauschigen Jägern einigermaßen spurlos vorübergingen.

Wenn punktuell, wie von den Wolfenbütteler Landwirten, mehr Maulwürfe verzeichnet würden, sei das erfreulich, habe aber lokale Gründe, sagt auch Reich. Grundsätzlich gelte dieser Trend nicht: „Dass in den letzten Jahren vermehrt Maulwürfe festgestellt worden wären, ist mir nicht bekannt.“ Auch Lisa Burfeind, Pressesprecherin des Landkreises Wolfenbüttel, kann nach Rückfrage bei der unteren Naturschutzbehörde nicht bestätigen, dass es im Kreis wieder mehr von den Insektenfressern gebe.

Die moderne Technik in der Landwirtschaft beurteilt Michael Reich kritischer als Müller: „Mit mehr Präzision zu arbeiten, die Maschinen per GPS zu steuern und zielgenauer zu düngen, das verringert die negativen Effekte schon etwas. Letztlich dient es aber vor allem der Kostenersparnis der Landwirte. Um wirklich wieder zu einer hohen Biodiversität zurückzukommen, braucht es deutlich mehr.“

Und wie steht es nun um die Böden in unserer Region? „Die Nährstoffversorgung der Böden in der Region Braunschweig liegt auf mittleren Niveau und sorgt damit für eine optimale Versorgung der Kulturpflanzen ohne die Umwelt unnötig zu belasten“, antwortet das LBEG unserer Zeitung. Die Humusgehalte der untersuchten Flächen in unserer Region seien durchweg stabil. Allerdings, so die Behörde, gebe es auch im Braunschweiger Umland noch Einsparpotenzial beim Einsatz von Düngemitteln: „Die Stickstoffbilanzen der einzelnen Flächen weisen Überschüsse aus.“ In gewissem Maße seien diese Überschüsse unumgänglich, wenn man als Landwirt keine Ertragseinbußen erleiden wolle.