Braunschweig. Volkswagen hat gezahlt: eine Milliarde Euro an das Land Niedersachsen. Doch was wird aus dem Geld? Die Liste der Vorschläge ist lang.

Wie wäre es, wenn das Geld zur Sanierung von maroden Schulgebäuden benutzt würde?

Diesen Vorschlag macht unser Leser Heinz Eickelen

Zum Thema recherchierten Katrin Schiebold und Greta Geißler

Für das Land Niedersachsen ist es ein unverhoffter Geldsegen: In der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen VW ein Bußgeld von einer Milliarde Euro im Dieselskandal verhängt – gestern bestätigte Ministerpräsident Stephan Weil den Eingang des Geldes. Nun ist eine heiße Diskussion darüber entbrannt, wie die Milliarde eingesetzt werden soll.

Vor der Haushaltsklausur der Regierung am Wochenende gibt es bereits einen langen Wunschzettel: Viele Bürger wie unser Leser Heinz Eickelen würden es begrüßen, wenn das Geld in die Sanierung von Schulen flösse. Die Justiz will in die eigenen Reihen investieren und die Kommunen in die Mobilitätswende. Wir haben einige Vorschläge zusammengestellt:

Investitionen in eine klimafreundliche Mobilität: „Der Diesel-Skandal hat gezeigt, dass wir dringend mehr für den Klimaschutz tun müssen“, sagt Thorsten Bullerdiek, Sprecher des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. Elektro-Mobilität und andere Neuerungen seien wichtige Schritte auf diesem Weg. Ladestationen müssten ausgebaut, Verkehrswege angepasst werden. Auch gelte es zu überlegen, wie der Verkehr reduziert werden kann – etwa durch Förderung der Heimarbeit und wohnortnaher Arbeitsplätze.

Ähnlich sieht das der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): Der Klimawandel und der akute Verlust biologischer Vielfalt müssten gebremst werden. „Wir brauchen eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene anstatt klima- und naturzerstörerischer Autobahnvorhaben wie die A 20 oder die A 39“, sagt die Geschäftsführerin des Landesverbandes, Susanne Gerstner. „Auch haben die Menschen das Recht, in lebenswerten, grünen Städten mit attraktiven Radwegenetzen und öffentlichem Nahverkehr zu wohnen und zu arbeiten, anstatt unter Lärm und Abgasen zu leiden.“

Auch die Industrie- und Handelskammer Niedersachsen wünscht sich Investitionen in eine klimafreundliche Mobilität: Hauptgeschäftsführerin Susanne Schmitt nennt als Beispiele die Beschaffung von emissionsarmen Bussen, den Testbetrieb von E-Bussen oder auch die Entwicklung von alternativen Verkehrskonzepten.

Dagmar Schlingmann, Generalintendantin des Staatstheaters Braunschweig, hebt zudem Projekte wie beispielsweise Car-Sharing hervor oder nennt kostenlosen öffentlichen Verkehr und autofreie Städte als erstrebenswerte Ziele.

Schuldenabbau: Bernd Meier, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Braunschweig, fordert dagegen, das Geld voll für die Schuldentilgung zu nutzen. „Momentan haben wir eine sehr gute konjunkturelle Situation, bei der viele Steuern eingenommen werden“, erklärt er. „Sollte sich das aber irgendwann ändern, muss das Land Niedersachsen dafür sorgen, dass es trotzdem reaktionsfähig ist.“

Damit vertritt er die gleiche Position wie der niedersächsische Bund der Steuerzahler. Mit dem unverhofften Geldsegen für die Landeskasse müsse verantwortungsbewusst umgegangen werden, sagt der Vorsitzende Bernhard Zentgraf. „Das Geld darf nicht zur Manövriermasse der Politik bei der Verteilung von Wohltaten werden.“ Oberste Priorität müsse sein, die Haushaltsrisiken durch den hohen Schuldenberg zu mindern.

Mehr Geld für Krankenhäuser: Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) hofft Medienberichten zufolge, dass die von Volkswagen zu zahlende Milliarden-Geldbuße möglicherweise Investitionen in Krankenhäusern zugute kommt. Das würde auch die niedersächsische Krankenhausgesellschaft begrüßen.

In diesem Jahr sollen vierzehn Großbauvorhaben mit insgesamt 120 Millionen Euro bedacht werden. Doch das reiche bei Weitem nicht aus, sagt Verbandsdirektor Helge Engelke. Der Investitionsstau der Kliniken belaufe sich immer noch auf mindestens 1,3 Milliarden Euro. Er sieht die Aufstockung der Investitionsmittel als ein zentrales Zukunftsthema.

Investitionen in die Bildung: Viele Bildungsträger in Niedersachsen seien stark unterfinanziert und litten unter einer mangelhaften digitalen Infrastruktur, bemängelt der Geschäftsführer des Bildungsverbands, Walter Würfel. „Vor allem in ländlichen Regionen wird ein schnelleres Netz benötigt, damit Schüler und Auszubildende, beispielsweise in virtuellen Klassenzimmern, erreicht werden können.“

Ausbau von bezahlbarem Wohnraum: Dass landesweit erschwingliche Wohnungen Mangelware sind, sieht Carsten Ens vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen/Bremen als eines der drängendsten Probleme. „Wir sollten das Geld unbedingt dafür nutzen, den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln“, ist er überzeugt. Davon würden Tausende von Familien, ältere Menschen, Studenten und Berufsanfänger profitieren. „So hätten wir dem Abgas-Skandal etwas sehr Schönes abgerungen“, sagt Carsten Ens.