Braunschweig. Internetseiten wie das Zentrum der Gesundheit verbreiten zweifelhafte Informationen – und verkaufen die dazu passenden Mittelchen.

Unsere Leserin Kathrin Knoll fragt:

Vor einiger Zeit wurde Kokosnussöl für alles Mögliche angepriesen. Gibt es tatsächlich Belege, dass es vor Alzheimer schützt?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Kokosöl muss ein wahres Wundermittel sein. Das zumindest ist der Eindruck, den das Zentrum der Gesundheit (ZdG) vermittelt. „Neben all seinen Vorteilen für die Gewichtsreduktion, für einen gesunden Cholesterinspiegel, einen aktiven Stoffwechsel und ein starkes Immunsystem kann Kokosöl sogar die Symptome von Alzheimer lindern“, heißt es auf der beliebten Internetseite für Gesundheits- und Ernährungstipps. Im angegliederten Online-Shop wird passenderweise Kokosöl verkauft – für rund 20 Euro pro Kilogramm.

„Das Portal sollte so bekannt werden wie die Wikipedia.“
„Das Portal sollte so bekannt werden wie die Wikipedia.“ © Klaus Koch, Ressortleiter Gesundheitsinformation beim Iqwig, über das geplante nationale Gesundheitsportal

Doch sollte das die Gesundheit nicht wert sein? Besser nicht, lautet zumindest die Überzeugung der American Heart Association. Die Kardiologen-Vereinigung aus den USA warnte im Juni 2017 davor, derartige Fette und Öle mit einem hohen Anteil gesättigter Fettsäuren – beim Kokosöl rund 90 Prozent – als gesund zu bezeichnen. Für das Herz seien sie das jedenfalls nicht.

Und für das Gehirn? Die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft verweist auf Anfrage auf ihre Stellungnahme aus dem Juni 2016. Der Titel: „Alzheimer – Halbwahrheiten und Heilsversprechen helfen nicht weiter“.

Als ein Heilsversprechen würde das ZdG seinen Artikel vermutlich nicht bezeichnen. Darin wird der Fall eines Alzheimer-Patienten beschrieben, der von seiner Frau mit Kokosöl behandelt wurde. Am Ende des Artikels wird betont, dass dieser „nichts weiter als ein Bericht über die Erfahrung eines Alzheimer-Patienten“ sei. Man wolle niemanden von einer Behandlung abhalten. Das widerspricht allerdings den zitierten vollmundigen Behauptungen in der Einleitung und der im Artikel enthaltenen Verschwörungstheorie rund um „die Machenschaften der Lebensmittelindustrie“, denen Kokosöl seinen schlechten Ruf verdanke.

Auf Anfrage unserer Zeitung schreibt das ZdG: „Erfahrungsberichte motivieren dazu, sich nicht blindlings einer einzigen ‚Heilmethode‘ anzuvertrauen, sondern sich umfassend zu informieren, welche weiteren Möglichkeiten es bei der jeweiligen Erkrankung noch gibt.“

Dr. Winfried Teschauer, Mitglied des Vorstands der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft hingegen sieht solche Einzelfallberichte kritisch. Sie seien zwar interessant, bewiesen aber nichts. „Dafür braucht es statistisch saubere, großangelegte Studien mit Kontrollgruppe, und da findet man beim Kokosöl keinen Effekt.“ Das sei auch nicht überraschend, meint der Neurobiologe. Zwar hätte der Lebensstil über Bildung, Ernährung und Sport einen Einfluss auf das Alzheimer-Risiko, „aber der Zellstoffwechsel ist viel zu komplex, als dass ein einzelner Bestandteil der Nahrung solche Auswirkung haben könnte, wie vom Kokosöl behauptet wird.“

Seriöse Gesundheitsinformation ist im Netz schwer zu finden

Doch wie stieß unsere Leserin überhaupt auf diese dubiosen Informationen? Die Antwort gibt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung. Die hat ergeben, dass knapp jeder Vierte, der im Internet nach Gesundheitsinformationen sucht, das ZdG kennt. Damit ist die Seite bekannter als der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums und ähnlich bekannt wie gesundheitsinformation.de vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Iqwig). Der Prozentsatz der Nutzer, die diesen Angeboten vertrauen, ist bei allen drei Seiten ähnlich.

Eine 2016 im Fachmagazin „Oncology Research and Treatment“ erschienene Studie ergab, dass die Google-Ergebnisse einer Suche nach „Krebsdiät“ von Seiten mit mangelhaften Informationen dominiert sind. „Die Divergenz zwischen profitorientierten Seiten mit Inhalten von schlechter Qualität und den wenigen vertrauenswürdigen Seiten ist enorm“, schreiben die Autoren.

Etwa 80 Prozent der Krebspatienten informierten sich im Internet über ihre Krankheit. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Qualität der Informationen zu Krebsdiäten im Internet erschreckend schlecht ist“, so das Fazit. Gegenüber den vielen profitorientierten Angeboten trete das evidenzbasierte Angebot des Krebsinformationsdienstes in den Hintergrund.

Eine Recherche mit dem Such-Analyse-Programm Sistrix zeigt, dass das ZdG bei knapp 330 Suchanfragen, die das Wort „heilen“ enthalten, von Google unter den ersten zehn Treffern gelistet wird. Auch bei Suchen nach „Laktoseintoleranz“ oder „Vitamin D“ landet die Seite auf Platz 1, noch vor dem Internetlexikon Wikipedia. Auch mit dem längst widerlegten Mythos von Impfungen, die Autismus verursachen, schafft es das ZdG auf den ersten Platz. „Wir werden Ihrem Hinweis nachgehen und die Internetseite Zentrum der Gesundheit speziell prüfen“, lässt Google dazu auf unsere Anfrage hin mitteilen. Google passe seine Suchalgorithmen laufend an, „um die besten Webseiten zuerst zu platzieren“.

Dr. Klaus Koch, Ressortleiter Gesundheitsinformation beim Iqwig, nennt einen Grund für den Erfolg des ZdG: „Die Inhalte, die ich kenne, sind auf Reichweite bei Google optimiert und dazu geeignet, Menschen mit bestimmten Überzeugungen anzusprechen.“ Zu diesen Überzeugungen zählt etwa eine Abneigung gegenüber der sogenannten Schulmedizin bis hin zu Verschwörungstheorien rund um die Pharma- und Lebensmittelindustrie.

Gegenüber seriösen Seiten habe das Portal einen Wettbewerbsvorteil, weil es keinen Standards für gute Gesundheitsinformationen folge. „Das macht es einfach, Texte in Massenproduktion herzustellen“, sagt Koch. Das belegt ein Vergleich mit Seiten wie der des Iqwig oder des Krebsinformationsdiensts, die jeweils weniger als ein Viertel von Google indexierte Seiten aufweisen als das ZdG. Viele Artikel ließen sich mit Blick auf Standards guter Gesundheitsinformationen zwar „leicht auseinandernehmen“, so Koch. Doch: „Für Google spielt das keine Rolle. Auch auf den ersten Plätzen kann die Qualität in puncto Evidenz- und Wissenschaftsbasierung von Null bis 100 reichen.“

Manche Angebote seien seriös und evidenzbasiert, manche nicht optimal aber vermutlich nicht besonders schädlich, andere aber sichtlich irreführend. „Für den Nutzer, der sich gut über den aktuellen Stand des Wissens informieren will, macht Google da zu oft keinen guten Job.“

Verbraucherschützer kritisieren intransparentes Geschäftsmodell

Ähnlich sieht es die Verbraucherzentrale Hamburg. Die verpasste 2013 dem ZdG in ihrem Check von Ernährungsportalen im Internet in allen drei getesteten Kategorien eine rote Ampel: „Verkaufsinteresse: groß, Transparenz der Informationen zum Anbieter: schlecht, Objektivität der Ernährungsberatung: mangelhaft.“

Das ZdG reagierte umgehend und bezeichnete den Test als diffamierend. Seine Leser wüssten, „dass wir grundsätzlich objektiv informieren“. Die überall auf der Seite beworbenen Produkte des Shops dienten lediglich der Ergänzung zu einer gesunden Lebensweise. Außerdem würden Produkte empfohlen, „hinter denen wir mit eigener Begeisterung und Überzeugung stehen“.

Wer dieses Wir ist, bleibt allerdings unklar. Im Impressum steht die Neosmart Consulting AG in der Schweiz. Personen, die für die Seite oder die Firma arbeiten, wollte das ZdG auf Anfrage unserer Zeitung nicht nennen.

Das könnte daran liegen, dass die Seite sich in einem rechtlichen Graubereich bewegt. Gemäß der Health-Claims-Verordnung der EU dürfen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln nicht mit gesundheitsbezogenen Aussagen werben, die wissenschaftlich nicht belegt sind. Auf den Seiten des ZdG finden sich jedoch jede Menge solcher Behauptungen. Die vielen Werbeanzeigen in den Artikeln führen aber zum Webshop der Fair Trade Handels AG. Verkauf und Gesundheitsaussagen sind also getrennt.

Auf die Frage, in welcher Verbindung das ZdG zur Fair Trade Handels AG steht, antwortete das „Team vom Zentrum der Gesundheit“ lediglich: „Die FTH ist ein Anzeigenkunde, der auf unserer Seite Werbung z. B. Banner schaltet.“ Bis vor einigen Jahren hieß es auf der Seite aber noch: „Für die Verkäufe der Produkte erhält die Neosmart Consulting AG eine Provision.“ Dieser Hinweis wurde mittlerweile gelöscht. Darüber hinaus existieren zwischen dem ZdG und dem Shopbetreiber noch weitere Verbindungen. Beide Firmen hatten lange Zeit mit dem Schweizer Heinz Boksberger denselben Geschäftsführer. Boksberger saß zwischenzeitlich im Verwaltungsrat von mehr als 30 Firmen.

Darüber hinaus betreibt die Fair Trade Handels AG eine „Akademie der Naturheilkunde“, für die das ZdG unter fast jedem Artikel wirbt, ohne dies als Anzeige zu kennzeichnen. Eine Fernausbildung zum „Fachberater für holistische Gesundheit“, kostet dort knapp 1800 Euro, ein anschließendes Praxisseminar weitere 1300 Euro.

Diese Verbindungen sind ebenso intransparent wie das Geschäftsmodell des ZdG. Danach befragt, antwortet das Team lediglich: „Händler, die hochwertige Produkte aus dem Bereich Lebensmittel, Naturheilkunde und Nahrungsergänzung anbieten oder Anbieter ganzheitlicher Fort- und Ausbildungen, können bei uns Werbeplatz mieten.“

Die Autoren der Artikel bleiben anonym, so dass Nutzer nicht prüfen können, über welche Qualifikationen sie verfügen. „Für uns schreiben Heilpraktiker, Ernährungsberater, Medizinjournalisten etc.“, so die Antwort des ZdG. Weitere Details wolle man nicht angeben.

Diese Intransparenz kritisiert auch Marie-Luise Dierks. Die Professorin von der Medizinischen Hochschule Hannover leitet die dortige Patientenuniversität. „Die Seite ist eine merkwürdige Mischung aus redaktionell erstellen Artikeln und sehr dominanter Werbung. Wer dahinter steckt, ist nicht durchschaubar.“ Zwar gebe es beim ZdG auch seriöse Informationen, „empfehlen können wir die Seite aber nicht, weil viele Behauptungen nicht evidenzbasiert sind“. Teilweise seien die Empfehlungen zu Ernährung und Heilmethoden sogar gefährlich.

Aus diesem Grund hat die Verbraucherzentrale Berlin die Fair Trade Handels AG im vergangenen Jahr abgemahnt. Auf den „Rotwein-Extrakt Kapseln“, eines von vielen angebotenen Mittelchen, die angeblich gegen Krebs helfen sollen, fehlte ein Warnhinweis, dass das Mittel nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden darf. Die Kapseln wurden daraufhin aus dem Shop entfernt.

Nationales Gesundheitsportal soll seriöse Informationen bündeln

Um das Problem zu lösen, dass seriöse Gesundheitsinformationen hinter zweifelhaften Angeboten wie denen des ZdG verschwinden, plädieren Dr. Koch vom Iqwig und Professor Dierks für den Aufbau einer Alternative zur Google-Suche. Das Iqwig hat daher vor wenigen Tagen im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf seiner Internetseite ein Entwurfskonzept für ein Nationales Gesundheitsportal veröffentlicht. Bis Mitte März sammelt das Iqwig Stellungnahmen zum Konzept, das im April dem BMG vorgelegt werden soll.

Auf dem Portal sollen geprüfte, evidenzbasiert Patienteninformationen angeboten werden, die sich etwa an den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften orientieren. Was dazu garantiert nicht gehöre, betont Dierks, seien ungeprüfte Erfahrungsberichte einzelner Patienten.

Das Ziel des Portals: Informationen von Seiten wie dem Iqwig und dem Krebsinformationsdienst zu verbinden und kundenfreundlich aufzubereiten. „Das Portal sollte so bekannt werden wie die Wikipedia“, sagt Koch. Das werde aber nur gelingen, wenn es die Bedürfnisse der Nutzer erfülle, also einen leichten Zugang zu Gesundheitsinformationen ermögliche, die Antworten auf die Fragen der Nutzer böten.