Berlin. Der Beitrag der Briten fehlt künftig im EU-Haushalt. Die SPD fordert von der Bundesregierung eine Erklärung, dass auf Deutschland neue Lasten zukommen

Die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union werden auch 2018 ein zentrales Thema für die EU sein. Was die Scheidung im März 2019 tatsächlich für Europa bedeutet, wird erst nach und nach klar. Doch eine Konsequenz steht bereits fest: Der Abschied der Briten reißt eine Lücke ins EU-Budget. Angesichts des näher rückenden Brexit wird in der SPD jetzt der Ruf nach einer ehrlichen Debatte über höhere EU-Beitragszahlungen Deutschlands laut.

„Ohne mehr Geld auch aus Deutschland werden wir im EU-Haushalt nicht klar kommen“, sagte der Chef der SPD-Gruppe im Europaparlament, Jens Geier, unserer Zeitung.

„Die Bundesregierung darf den Bürgern nicht länger Sand in die Augen streuen und so tun, als könne man bei den Beitragszahlungen alles so lassen, wie es ist, während gleichzeitig immer neue Ausgaben verlangt werden – das ist unredlich und in der Sache falsch.“

Deutschland ist mit einer jährlichen Nettoüberweisung nach Brüssel von 13 bis 14 Milliarden Euro schon jetzt größter Beitragszahler der EU. Nach Schätzungen von Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) fehlen mit dem Austritt Großbritanniens jährlich zehn bis 13 Milliarden Euro in der EU-Kasse. Die Lücke dürfte tatsächlich aber noch deutlich größer sein. Denn die Kommission plant mit grundsätzlicher Zustimmung von Mitgliedstaaten und Parlament ab 2021 auch neue Ausgaben etwa für eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die Sicherung der Außengrenzen, die Flüchtlingspolitik, Bildung, Forschung oder die Terrorismusbekämpfung.

Experten der Kommission beziffern die dafür notwendigen Gelder jetzt intern auf bis zu zehn Milliarden Euro jährlich. Insgesamt dürfte die Haushaltslücke damit auf rund 20 Milliarden Euro im Jahr wachsen – immerhin 14 Prozent des für 2018 vereinbarten Budgets. In der Kommission wird davon ausgegangen, dass allenfalls die Hälfte der Summe durch Umschichtungen oder Kürzungen ausgeglichen werden kann – wenn überhaupt. Notwendig sei auf jeden Fall auch „frisches Geld“ der Mitgliedstaaten, heißt es. Die nationalen Haushalte würden dafür mittelfristig etwa bei den Verteidigungsausgaben auch entlastet, heißt es. Wie viel der Mehrausgaben von Deutschland als mit Abstand größtem Beitragszahler finanziert werden müssten, ist bislang nicht klar. Die Finanz- planung für die Zeit nach dem Brexit wird die Kommission im Mai 2018 vorlegen; die Diskussion über Einsparungen steht deshalb erst am Anfang. Doch allein der Ausgleich der Brexit-Lücke könnte Deutschland nach unterschiedlichen Expertenschätzungen zwischen drei und fünf Milliarden Euro kosten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag kalkuliert beim EU-Budget im nächsten Jahrzehnt sogar mit Mehrkosten für den deutschen Steuerzahler von bis zu acht Milliarden Euro, falls Kürzungen ausbleiben.

SPD-Haushaltsexperte Geier äußert sich vorsichtiger und meint, auf Deutschland kämen Mehrzahlungen „vermutlich in Milliardenhöhe“ zu. Der EU-Haushalt sei aber schon jetzt „auf Kante genäht“. Ohne zusätzliche Einnahmen drohten deutliche Kürzungen bei der europäischen Regionalförderung auch zulasten Deutschlands. Tatsächlich kursieren in der EU-Kommission bereits Berechnungen, wie sich die Fördertöpfe verkleinern ließen: Schon bei einer Reduzierung der Regionalförderung um 15 Prozent würde demnach keine Region in Deutschland mehr von den Hilfen profitieren – auch die Hauptnutznießer Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen nicht.

„Die Regionalförderung der Europäischen Union sollte so bleiben, wie sie ist, für Nordrhein-Westfalen um Beispiel handelt es sich um das größte Investitionsprogramm“, fordert Geier. Auch deshalb werde dringend eine Versachlichung der Debatte gebraucht: „Der deutsche Finanzminister darf nicht länger das Gefühl vermitteln, die Deutschen zahlten zu viel für die EU. Er muss ehrlich erklären, dass auf Deutschland aus gutem Grund Mehrzahlungen zukommen.“