Braunschweig. Landtags-Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann tut, was viele nicht schaffen: Er beendet freiwillig seine Arbeit als Berufspolitiker.

Nach fast 24 Jahren als Abgeordneter ist Schluss: Wenn sich der neue Landtag am 14. November trifft, ist Klaus-Peter Bachmann (SPD) nicht mehr dabei. Über Landespolitik, Ehrenämter und Karneval sprach Bachmann mit Armin Maus und Michael Ahlers.

Herr Bachmann, als vermutlich siegreicher SPD-Landtagskandidat in Braunschweig und Vizepräsident des nun scheidenden Landtags wären Sie im Koalitionspoker von SPD und CDU mittendrin. Hand aufs Herz: Haben Sie Ihren Rückzug schon bereut?

Überhaupt nicht. Ich habe vor fünf Jahren gesagt, dass dies meine letzte Wahlperiode sein wird. Dass es wegen der Neuwahl drei Monate eher sein würde, konnte ich nicht ahnen. Ich hätte gerne noch ein paar Sitzungen im neuen Plenarsaal geleitet. Das geht nun nicht mehr, aber damit kann ich gut leben. Bei den Ehrenämtern, die ich habe, kann ich fast überall als Vorsitzender die Termine beeinflussen. Das ist also schon ein Stück Lebensplanung gewesen. Knapp 24 Jahre im Landtag reichen nun wirklich aus. Ich hab mir immer gesagt: Du lässt dich weder raustragen, weil du tot bist, noch lässt du dich abwählen.

Die SPD hat bei der Landtagswahl sämtliche Mandate in der Region und im SPD-Bezirk geholt. Das war bei früheren Wahlen anders. Was war das Erfolgsrezept?

Schon bei der oft übersehenen Europawahl waren wir in Braunschweig stärkste Partei, wenn auch nicht auf hohem Niveau. Bei der Landtagswahl 2013 war es uns auch schon gelungen, in der Stadt alle drei Wahlkreise zu gewinnen. Dass es nun im Bezirk alle 13 werden, hätte wir in den kühnsten Träumen nicht geglaubt.

Woran lag‘s?

Die Braunschweiger Oberbürgermeisterwahl hat sicher einen Schub gegeben. Es hat außerdem unter Schwarz-Gelb bis 2013 nicht die Förderung der Region und der Stadt gegeben, die beide verdient hätten. Das geht über Programme wie Soziale Stadt bis hin zu den Nahverkehrsmitteln. Das haben wir dann in der rot-grünen Koalition gelöst. Dazu kommen Investitionen in die TU, ins Klinikum, da könnte ich vieles aufzählen. Das alles waren Signale, dass wir was für Stadt und Region tun. Außerdem kennt der Finanzminister die Region, das war auch ein glücklicher Umstand.

Peter Jürgen Schneider, der aus Salzgitter kommt und unter anderem Braunschweiger Regierungspräsident war...

Und deshalb kann die Braunschweiger SPD selbstbewusst sagen, dass sich unser Wahlergebnis auch in einer Großen Koalition in Ämtern niederschlagen muss. Wir sind der 100-Prozent-Bezirk, wir haben alle Mandate geholt.

Die SPD sucht in dieser Region auch sehr nachdrücklich den Kontakt zu breiten gesellschaftlichen Kreisen. Sie selbst engagieren sich seit langem für die Feuerwehr und in der Awo, um zwei Beispiele zu nennen. Wäre das nicht auch ein Erfolgsrezept für die gesamte SPD?

Wir haben in der SPD als Team an einem Strang gezogen, das ist das eine. Und in der Tat sind wir auch gesellschaftlich organisiert. Wenn sich eine Partei nur im Hinterzimmer aufhält, muss sie sich nicht wundern, wenn das Vertrauen nicht da ist. Deshalb habe ich neben meinem Mandat im Landtag nicht auch noch Kommunalpolitik gemacht, sondern bin lieber in die Gesellschaft gegangen.

Sie haben gesagt, das Wahlergebnis in der Region müsse sich auch in Ämtern niederschlagen. Welche wären das denn?

Das Vizepräsidentenamt des Landtags, das ich jetzt aufgebe, müssen wir im SPD-Bezirk halten. Und wir wollen zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende stellen. Mit Johanne Modder und Wiard Siebels kommen die Fraktionsvorsitzende und der parlamentarische Geschäftsführer im Landtag aus dem Bezirk Weser-Ems. Das ist so auch in Ordnung. Als Landtags-Vizepräsidentin könnte aus dem SPD-Bezirk Braunschweig Petra Emmerich-Kopatsch kommen. Dazu könnten die Landtagsabgeordneten Marcus Bosse und neu Christos Pantazis stellvertretende Fraktionsvorsitzende werden. Das muss aber die Fraktion noch entscheiden.

Ein Mitglied in der Regierung will die SPD doch sicher auch – zum Beispiel Carola Reimann, die SPD-Bundestagsabgeordnete?

Da werde ich mich nicht auf Spekulationen einlassen. Aber natürlich muss jemand aus der Region ins Kabinett kommen. Carola Reimann wäre gewiss eine hervorragende Wahl.

Die Personen sollen ja Dinge bewegen. Wäre zum Beispiel eine Kommunalreform in der Region mit einer Großen Koalition endlich möglich?

Das ist ein entscheidendes Thema. SPD wie CDU ist klar, dass auf Dauer einige Landkreise nicht überlebensfähig sind. Das ist zum Beispiel Wittmund, das ist Lüchow-Dannenberg. Osterode hat selber den Weg der Fusion mit Göttingen beschritten. Da ist aber auch der Landkreis Helmstedt, der am Hungertuch nagt und Landeshilfe braucht. Ich bin ein glühender Befürworter einer verfassten Region Braunschweig. Das geht aber anders als in Hannover nicht.

Hier gibt es mit Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter drei Städte und dazu die Landkreise. Was bleibt, ist es, diese drei Oberzentren als Zentren von Kleinregionen zu nutzen. Das ist für mich der Weg. Da bestehen in einer Großen Koalition schon eher Chancen, das hinzubekommen, als mit einer knappen Mehrheit.

Es heißt ja immer, das bisher schlechte Verhältnis zwischen CDU und SPD im Landtag sei eine große Belastung für die Zusammenarbeit. Wie sehen Sie das als Vizepräsident und Parlamentarier?

Mit Jens Nacke duze ich mich. Ihm musste ich als Landtags-Vizepräsident aber die meisten Ordnungsrufe erteilen wegen seines rüpelhaften Benehmens.

… das er aber deutlich zurückgefahren hat.

Ja, hat er. Das sind Rollen. Ich bin früher als innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion mit Innenminister Schünemann genauso ruppig umgegangen. Das ist normal. Nacke hat versucht, rauszuholen was rauszuholen ist. Und es sind ja auch Fehler gemacht worden. Er hat aber überzogen. Das sind atmosphärische Störungen, die man ruckzuck beseitigen kann. Manchmal habe ich als Sitzungsleiter auch über Zwischenrufe hinweggehört. Ich wollte nicht, dass die CDU nach einem Ordnungsruf den Plenarsaal verlässt... (lacht)

Wie hoch ist, parlamentarisch gesehen, der Preis für die „Groko“? Die neue Koalition wird 105 Abgeordnete stellen, die Opposition von Grünen, FDP und AfD nur 32.

Eine Große Koalition ist immer nur die Ultima Ratio. Im Bund musste die SPD zur Erneuerung in die Opposition. Sonst hätten wir bei der nächsten Wahl eine 1 beim Ergebnis vorne gehabt. Im Bund wäre bei einer weiteren „Groko“ außerdem die AfD Oppositionsführer gewesen – mit allen Privilegien. Die erste Rede nach der Regierung von der AfD – was wäre das für ein Signal an Europa und die Welt gewesen? Dieser Grund ist fast noch wichtiger als der parteiinterne. In Niedersachsen wird die Grünen-Fraktion die Opposition führen, sie wird erstes Sprachrohr der Opposition sein. Die AfD ist nur fünftstärkste Kraft. Ich hätte viel lieber eine „Ampel“ mit FDP und Grünen gesehen. Das wollte aber die FDP nicht. „Jamaika“ unter Führung der CDU wäre eine Koalition der Wahlverlierer gewesen. Außerdem geht das mit den Niedersachsen-Grünen noch schwieriger als im Bund. Sollen wir Niedersachsen unregierbar machen?

Welche Rolle wird die AfD spielen?

Ich halte nichts davon, auszugrenzen. Man darf die AfD aber auch nicht überbewerten. Im Rat der Stadt Braunschweig etwa reagiert immer nur eine der großen Fraktionen auf die AfD. Das reicht. Ich kann mir keinen Vizepräsidenten von der AfD im Landtagspräsidium vorstellen. Die werden wie bisher von SPD und CDU kommen. Bei den Schriftführern hat die AfD aber einen Anspruch, einen zu stellen. Auch im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung werden alle Landtagsfraktionen vertreten sein. Wie die AfD zum Teil in den neuen Bundesländern auftritt, im Stechschritt ins Parlament einzumarschieren etwa, das hätten weder Bernd Busemann als Landtagspräsident noch ich als Vize uns bieten lassen. Dann wären die rausgeflogen.

Was sind Ihre größten Erfolge?

Für das Museum Friedland habe ich die entscheidenden Weichen gestellt. Mit dem damaligen Innenminister Uwe Schünemann zusammen haben wir die parlamentarische Einstimmigkeit erreicht. Das zweite ist die Feuerwehr. Niedersachsen hat zusätzlich 80 Millionen Euro in die Hand genommen, um die Ausbildung der Feuerwehrleute zu finanzieren. Und wir haben das modernste Katastrophenschutzgesetz aller Bundesländer.

Was war denn Ihr schlimmster Zwischenruf?

Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich habe als Abgeordneter bei einer Rede des CDU-Abgeordneten Frank Oesterhelweg aber mal „Osterhase, hör doch auf“ gerufen. „Für den Osterhasen bekommen Sie einen Ordnungsruf“, hat Landtagspräsident Dinkla gesagt. Und da hat der SPD-Abgeordnete Haase gerufen: „Was haben Sie, Herr Präsident, denn gegen Haase?“ Und der kriegte dann auch einen Ordnungsruf. Aber beleidigend war ich, glaube ich, nie.

Was macht der Ex-Abgeordnete Bachmann künftig?

Ich sitze zum Beispiel im Beirat des Deutschen Feuerwehrverbandes, beim Landesfeuerwehrverband bin ich zum Vorsitzenden des Beirats gewählt worden. Ich bin auch Vorsitzender des Fördervereins Feuerwehr und Jugendfeuerwehr Braunschweig. Im Verwaltungsrat des Staatstheaters bleibe ich noch, ich bin Awo-Kreisvorsitzender und in die historische Kommission der Awo berufen worden. Und der Braunschweiger Karneval liegt mir am Herzen. Da werde ich weiter mitmischen.