Braunschweig. Bei „Logo – Wissenschaft aus Braunschweig“ diskutieren am Dienstag Experten über die Vor- und Nachteile elektrischer Fahrzeuge.

Unser Leser Heini Barth aus Wolfsburg fragt:

Wie sieht ein realistischer E-Tank-Vorgang aus?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Wie kompliziert kann es schon sein? Parken, Stecker rein, laden – fertig. Doch so einfach ist die Frage unseres Lesers gar nicht zu beantworten. Wie lange dauert das? Wie wird abgerechnet? Hat das Laden womöglich Auswirkungen auf das Stromnetz?

„Wir müssen sicherstellen, dass der Kunde auch nur für eine Kilowattstunde zahlt, wenn er eine Kilowattstunde geladen hat.“
„Wir müssen sicherstellen, dass der Kunde auch nur für eine Kilowattstunde zahlt, wenn er eine Kilowattstunde geladen hat.“ © Martin Kahmann, Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Mit solchen Fragen beschäftigt sich Martin Kahmann, Leiter des Fachbereichs Elektrische Energiemesstechnik an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Kahmann ist einer von vier Experten, die am Dienstag bei der Aufzeichnung der Sendung „Logo – Wissenschaft aus Braunschweig“ von NDR Info über die Vor- und Nachteile der Elektromobilität diskutieren werden (siehe Faktenbox).

Die Schwierigkeiten, die Leserfrage zu beantworten, beginnen schon bei den Grundlagen. „Es gibt etwa 10 000 Ladesäulen in Deutschland. Nur einige davon haben eine Typenzulassung durch die PTB“, erklärt Kahmann. Überspitzt gesagt, heißt das: Die Ladesäulen sind zu großen Teilen gar nicht gesetzeskonform, denn üblicherweise dürfte eine Säule erst aufgestellt werden, wenn das Modell von der PTB eine sogenannte Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt bekommen hat.

„Ich habe eine Wette laufen: Bis zum 31. Dezember 2020 werden wir 400 000 Elektro-Autos in Deutschland haben.“
„Ich habe eine Wette laufen: Bis zum 31. Dezember 2020 werden wir 400 000 Elektro-Autos in Deutschland haben.“ © Thomas Cerbe, Professor am Institut für Verkehrsmanagement der Ostfalia

Es sei aber gar nicht bekannt, welche Technologien überhaupt eingesetzt würden. Dazu laufe derzeit eine Umfrage. Durch die üppig fließenden Fördermittel laufe der Bau der Infrastruktur der technischen Prüfung und Zulassung etwas davon. Für Kahmann eine zweischneidige Sache: „Man muss da einen Kompromiss finden: Einerseits soll die Bürokratie nicht die Entwicklung der Infrastruktur blockieren. Andererseits muss man aber aufpassen, dass daraus nicht schleichend Gewohnheitsrecht wird.“

Noch gebe es auch vor allem deswegen kein Problem, weil das Stromtanken an den Ladesäulen zumeist kostenlos ist. Sobald sich dies ändert, wird die Prüfkompetenz der PTB aber entscheidend: „Wir müssen sicherstellen, dass der Kunde auch nur für eine Kilowattstunde zahlt, wenn er eine Kilowattstunde geladen hat.“

Bei einer Direktzahlung – etwa über einen Münzeinwurf – sei das lediglich eine Frage der korrekten Strommessung. Der Kunde zahlt sofort für die Energiemenge, die das zugelassene und geeichte Messgerät in der Ladesäule anzeigt.

Nach diesem Prinzip dürften künftig aber nur wenige Ladesäulen funktionieren. Praktischer und damit wahrscheinlicher ist die Zusammenführung mehrerer Ladevorgänge zu einer Gesamtrechnung – etwa zum Monatsende. „Dafür muss der Rechnungsschuldner identifiziert und mit dem Messwert der Ladung zusammengeführt werden“, erklärt Kahmann. Jeder Ladevorgang erhalte eine digitale Signatur, die per Funk übertragen und vom Kunden über das Internet eingesehen werden könne. „Die PTB bewertet das Gesamtsystem inklusive der eingesetzten Software. Der Verbraucher kann nicht nachvollziehen, wie mit den Daten seines Ladevorgangs verfahren wird. Er kann dem Anbieter aber vertrauen, wenn die PTB die Sicherheit von Messung und Datenverarbeitung sicherstellt“, so Kahmann.

Darum schließt der Elektrotechniker in seinem Labor an der PTB Ladesäulen an einen 1000-Watt-Heizlüfter an, der ein ladendes Elektroauto simuliert. Ein zwischengeschaltetes Vergleichsmessgerät prüft, ob die bezogene Energie mit den von der Software angezeigten Werten übereinstimmt. Das derzeit getestete Säulenmodell identifiziert den Nutzer über eine Chipkarte, mit der die Säule aktiviert wird.

Ein weiteres Gerät misst darüber hinaus den Einfluss des Ladevorgangs auf das Stromnetz. Denn ein ladendes Auto könne störende Oberschwingungen ins Netz einspeisen. „Hier im Haus hat einmal ein Computer angefangen, zu piepen, weil unten jemand sein E-Auto auflud“, sagt Kahmann.

Der Grund: Die Batterie wird mit Gleichstrom geladen. Das Netz liefert aber Wechselstrom. Der muss daher durch einen Stromrichter umgewandelt werden, und solche Stromrichter erzeugen Störungen. „Eine einzelne Säule ist nicht kritisch. Bei vielen Säulen könnten Störungen sich aber ausbreiten“, gibt Kahmann zu bedenken. Seines Erachtens wäre es die Aufgabe der Hersteller, Filter in ihre Autos einzubauen, die eine solche Beeinträchtigung des Stromnetzes verhindern.

Ebenfalls problematisch seien hochfrequente elektromagnetische Felder, die von einer aktiven Ladesäule ausgehen und die Mobil- und Rundfunk sowie W-Lan stören könnten. Insgesamt ist Kahmann aber überzeugt, dass solche Probleme – auch mit Hilfe der PTB – beherrschbar seien.

Auch Professor Thomas Cerbe ist zuversichtlich. Die batteriebasierte Elektromobilität werde sich durchsetzen. „Ich habe eine Wette laufen: Bis zum 31. Dezember 2020 werden wir 400 000 Elektro-Autos in Deutschland haben“, sagt der Professor am Institut für Verkehrsmanagement der Hochschule Ostfalia in Salzgitter. Zu Beginn des Jahres gab es laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) rund 34 000 Elektroautos in Deutschland – bei mehr als 45 Millionen PKW insgesamt. Cerbe erforscht unter anderem die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen. Die hänge vor allem von drei Dingen ab: Reichweite, Infrastruktur und Preis. Und bei allen drei Aspekten sieht der Verkehrsforscher Fortschritte. Die Reichweiten seien bereits deutlich gestiegen, die neue Generation der wichtigsten Modelle werde 200 Kilometer mit einer Ladung schaffen – zumindest im Sommer. Die Ladeinfrastruktur werde stark ausgebaut. „Ein Problem haben derzeit noch vor allem Bewohner von Wohnungen. Das ist die größte Baustelle. Es ist notwendig, große Wohnhäuser mit Lademöglichkeiten für die Mieter auszustatten“, sagt Cerbe. Ebenfalls wichtig sei eine einfache und günstige Infrastruktur am Arbeitsplatz.

Die hohen Anschaffungskosten eines E-Autos ließen sich durch die geringeren Betriebskosten derzeit noch nur bei hohen Fahrleistungen von 15 000 Kilometern und mehr im Jahr ausgleichen. „Ein E-Auto lohnt sich vor allem für Pendler“, so Cerbe. Er ist aber sicher: Weiter sinkende Batteriepreise werden bald zu einem rasanten Anstieg der Kaufzahlen führen. Dann werde die E-Mobilität sich durchsetzen. Sein Tipp für den unumkehrbaren Kipp-Punkt: das Jahr 2020.