Braunschweig. Inklusive der Jobsuchenden, die in Fördermaßnahmen stecken, liegt die Zahl der Arbeitslosen allerdings bei 3,367 Millionen.

Unser Leser, der sich „Meh Di Kaiser“ nennt, schreibt auf unseren Facebook-Seiten:

Wirklich unverschämt, solche Zahlen zu veröffentlichen, die mit der Realität gar nichts zu tun haben. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeitslosen, die nicht in die Statistik aufgenommen werden!

Dazu recherchierten Christina Lohner und unsere Agenturen

Sie sinkt und sinkt und sinkt. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Oktober zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung unter 2,4 Millionen gesunken. Das berichtete gestern die Bundesagentur für Arbeit. Mit 2,389 Millionen Männern und Frauen hatten 60 000 weniger als im September keinen Job und 151 000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Punkte auf 5,4 Prozent.

„Der goldene Herbst hat die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordtief sinken lassen.“
„Der goldene Herbst hat die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordtief sinken lassen.“ © Gerald Witt, neuer Leiter der Arbeitsagentur Braunschweig-Goslar

Arbeitslosgrafik Region

Auch in unserer Region ging die Quote um 0,1 Prozentpunkte auf nun 5,8 Prozent zurück. Vor einem Jahr hatte die Arbeitslosenquote noch bei 6,1 Prozent gelegen. In Braunschweig waren nach Angaben der Arbeitsagentur mit 7803 sogar so wenige Menschen arbeitslos wie seit Beginn der Statistik nach dem Zweiten Weltkrieg nicht. Insgesamt sind in unserer Region zurzeit gut 35 000 Menschen auf der Suche nach Arbeit.

Selbst das Sorgenkind Salzgitter entwickelt sich nun immerhin mit dem Trend. Zwar liegt die Arbeitslosenquote mit 9,9 Prozent noch immer deutlich über den übrigen Städten und Kreisen. Doch immerhin sank die Quote im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,5 Prozentpunkte.

Die Ursachen sind nach Angaben der Arbeitsagenturen die gute Konjunktur und die Herbstbelebung. Im Sommer herrscht in der Regel eher Flaute auf dem Arbeitsmarkt; denn viele Jobs enden vor den Sommerferien – und während diesen werden wegen der Urlaubszeit weniger neue Mitarbeiter eingestellt, wie ein Sprecher der Braunschweiger Arbeitsagentur erläuterte. Aber auch ohne den jahreszeitlichen Effekt wäre die Erwerbslosenzahl um bundesweit rund 11 000 gesunken, erklärte Bundesagentur-Chef Detlef Scheele.

Im Oktober profitierten außerdem besonders die unter 25-Jährigen. Im Bezirk der Arbeitsagentur Helmstedt etwa, zu dem auch Wolfsburg und Gifhorn gehören, sank die Zahl der Arbeitslosen in dieser Altersgruppe im Vergleich zum September sogar um knapp 10 Prozent. Im Herbst starten junge Menschen in eine Ausbildung, an die Uni oder beginnen einen Job zur Überbrückung.

Oder sie fangen mit einer Maßnahme an – und zählen damit in der Statistik nicht mehr als arbeitslos, wie unser Leser kritisiert. Werden diese Menschen hinzugerechnet, liegt die Zahl der Arbeitssuchenden rund eine Million höher: nach Angaben der Bundesagentur bei bundesweit 3,367 Millionen. Diese verdeckte Arbeitslosigkeit wird von der Behörde Unterbeschäftigung genannt. Dazu zählen neben Arbeitslosen unter anderem Menschen in Arbeitsmarktmaßnahmen oder beruflicher Weiterbildung, aber auch solche, die einen Gründungszuschuss erhalten oder in Altersteilzeit sind.

Nach dieser Berechnung sind etwa im Bezirk der Arbeitsagentur Braunschweig-Goslar, zu dem auch Salzgitter und Wolfenbüttel gehören, insgesamt knapp 28 000 Männer und Frauen auf Stellensuche. Die offizielle Arbeitslosenzahl liegt bei fast 21 000, hinzu kommen also rund 7000 Menschen. Insgesamt kommen in unserer Region nach den Zahlen der Arbeitsagenturen knapp 11 500 verdeckt Arbeitslose zu den gut 35 000 offiziell Arbeitslosen.

Die guten Zahlen dürfen nicht über Probleme hinwegtäuschen, findet auch Klaus Oks, Geschäftsführer der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen. Für viele Menschen ohne Arbeit sei es äußerst schwer, einen Job zu finden. Dies sei oft der Fall bei Menschen mit geringer Qualifikation, bei gesundheitlichen Einschränkungen oder bereits längerer Arbeitslosigkeit.

Andererseits ist die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen. Mit 44,65 Millionen waren im September nach einer Hochrechnung des Statistischen Bundesamtes 655 000 Menschen mehr erwerbtätig als im Jahr zuvor. Laut Bundesagentur für Arbeit geht der Anstieg allein auf mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurück.

Auch die Zahl der ausgeschriebenen Stellen wächst. Zuletzt waren 780 000 offene Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet – 88 000 mehr als vor einem Jahr. Im Braunschweiger Bezirk, zu dem Salzgitter, Wolfenbüttel und Goslar gehören, erreichte die Arbeitskräftenachfrage mit 4649 Stellenangeboten laut der Behörde einen neuen Höchststand. Die meisten gemeldeten Stellen seien in Gastronomie, Verkauf, Reinigung, Altenpflege und Lager zu finden. Der Helmstedter Agentur, zu der Gifhorn und Wolfsburg gehören, waren im Oktober 3226 offene Stellen gemeldet: 3,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Mit 912 neuen Vakanzen stieg die Zahl der Neuausschreibungen um gut 10 Prozent im Vergleich zum September.

Gerald Witt, der neue Chef der Arbeitsagentur Braunschweig-Goslar, zu der Wolfenbüttel und Salzgitter gehören, rechnet auch im November mit weiter sinkenden Arbeitslosenzahlen. „Erfahrungsgemäß wird die Arbeitslosigkeit jedoch in den Wintermonaten, insbesondere in den witterungsabhängigen Branchen, steigen.“ Dabei handele es sich um eine übliche Entwicklung.