Braunschweig. Professor Walter Ackers formuliert Prüfsteine. Er sagt: Nachhaltig kann nur ein Bauen sein, das auch durch Schönheit überzeugt.

Alle wollen in die Stadt. Die Menschen suchen nicht mehr die grüne Wiese, sondern die Lebendigkeit der Stadt. Wohnungsbau allein reicht nicht. Urbanität erwächst aus Öffentlichkeit, aus vielfältigen Nutzungen, aus aktiven Erdgeschossen mit Läden, Praxen, Gaststätten, Büros, Werkstätten, die sich zur Straße öffnen. Aus dem Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten. Nach Jahrzehnten der Abstinenz im sozialen Wohnungsbau sind die Städte herausgefordert, kurzfristig bezahlbaren Wohnraum zu realisieren. Die nächsten Jahre bleibt dies eine zentrale Aufgabe der Stadtentwicklung.

Doch schaffen wir außer funktionalem Wohnungsbau auch die gewünschten städtischen Qualitäten?

„Können“ wir Stadt überhaupt noch, wenn wir uns nicht gerade auf die Strukturen früherer Zeiten stützen können? Unsere Wohnungsbaugesellschaften können nur Wohnungen. So kommen wir über Siedlung nicht hinaus.

Was wäre Braunschweig ohne die alten Stadtviertel? Wir lieben die städtischen Quartiere und Häuser des späten 19. Jahrhunderts mit ihren großzügigen Grundrissen, ihrer Flexibilität, mit ihren öffentlichen Straßen und Plätzen. Seit über 120 Jahren bieten sie uns attraktiven Lebensraum. Das z. B. ist Nachhaltigkeit. Doch wie lange werden die Wohnungsbauten unserer Zeit überdauern?

Energiesparende Bauweise ist ein richtiges Ziel.

Aber es kann keinen Sinn machen, unsere Häuser in brandgefährliches Styropor einzupacken, dieses zu fördern und dasselbe zum Sondermüll zu erklären. Es macht keinen Sinn, die Brandschutzauflagen kostenträchtig nach oben zu treiben und gleichzeitig kostengünstigen Wohnungsbau zu fordern. Denn eingespart wird in der Materialwahl, in der Architektur, im äußeren Erscheinungsbild. Stadt und Urbanität zeigen sich nicht zuletzt im Bemühen um Schönheit und Ausdruck, um Eigenart und Differenz.

Wenn wir nicht nur Wohnungen, sondern auch Stadt bauen wollen, so müssen wir auch wertvoll und anspruchsvoll bauen. Wirklich nachhaltig ist nicht der Wärmedurchgangskoeffizient. Wertvoll ist nur Qualität auf allen Ebenen. Nachhaltig kann nur ein Standort sein, der auch fest eingebunden ist in ein kontinuierliches Netz öffentlicher Räume mit sozialer und ästhetischer Qualität. Und nachhaltig kann nur ein Bauen sein, das auch durch Schönheit überzeugt.

Meine Vorhersage vor 10 Jahren lautete: „Städtische Quartiere werden … wieder attraktiver werden – bereichert um neue Wohn- und Lebensformen. Städtisches Wohnen wird damit zwar teurer – ist aber die ökonomischere Alternative zu Pendlerorten weit draußen. Denn Mobilität wird mit Sicherheit nicht billiger.“

Braunschweig hat in diesen 10 Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen. Dies zeigt sich im Einwohnerzuwachs wie in der steigenden Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen. In die Stadt wurde investiert. Baulücken wurden geschlossen. Straßen wurden umgebaut. Neue Plätze sind entstanden. Das Stadtbild wurde aufgewertet.

Die Bewohner kehren langsam zurück in ihre „City“: So wird der bevorstehende Umbau der Burgpassage zu einer Gasse mit Geschäften und Wohnungen urbane Normalität zurückbringen. Der Einzelhandel wird nicht mehr allein den Charakter der Innenstadt bestimmen.

In meinem Städtebaulichen Leitbild 2004 hatte ich für die Innenstadt „Wohnen um jeden Preis“ gefordert – Hauptsache, hier leben überhaupt wieder mehr Menschen und geben unserer Mitte soziale Substanz.

Das sind meine wichtigsten Impulse für die Zukunft

Mit einem absehbaren Ende der Niedrigzinspolitik wird auch der Druck des Kapitals nachlassen. Deshalb wird es sehr wichtig sein, neue Viertel wie die Nordstadt dann auch wirklich zu vollenden und ihre Anbindung an die Stadt herzustellen.

Sichere und angenehme Wege für Fußgänger und Radfahrer sind in der ganzen Stadt erste Voraussetzung. Klare Trennung ist hier angesagt: Den Gehweg wieder für die Fußgänger. Die Räder zurück auf die Fahrbahn. Denn das Rad wird in der Mobilität eine wesentlich größere Rolle spielen. Zur besseren Verträglichkeit aller Verkehrsarten gehört auch ein generelles Tempolimit von 30 km/h innerhalb der Wallanlagen.

Ein weiterer Impuls wird mit dem Ausbau der Stadtbahn gegeben – aber in keinem Fall mitten durch die Altstadt. Die Achse Gördelingerstraße – Altstadtmarkt – Gewandhaus – Brabandtstraße – neuer Bankplatz muss tabu bleiben. Die Altstadt mit ihrer urbanen Mischung von Kultur, Wohnen, Geschäften, Gastronomie und Unterhaltung ist einfach viel zu wertvoll für die Attraktivität der gesamten Innenstadt und die Bedeutung Braunschweigs als kulturelles Zentrum der Region. Also: Finger weg von der Altstadt, wenn uns die Stadt lieb ist.