Braunschweig. Hohe Preise für WG-Zimmer und lange Wohnheim-Wartelisten sorgen für eine angespannte Lage in Braunschweig und mit Abstrichen auch in Wolfenbüttel.

Unsere Leserin Elke Klug aus Schöningen fragt:

Ich verstehe nicht, warum die Studenten in der Innenstadt wohnen müssen. Dort ist doch Wohnungsknappheit, in den Außenbezirken nicht. Die Mieten sind doch hier auch geringer.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Marc Jäger und seine zwei WG-Mitbewohner mussten kürzlich eine Mieterhöhung hinnehmen: 85 Euro müssen die drei nun mehr pro Monat für die 100 Quadratmeter große Wohnung im westlichen Ringgebiet in Braunschweig zahlen. „Das ist ganz schön happig“, sagt Jäger.

Beim Anspannungs-Index (links) sind maximal 100 Punkte möglich. Für die Studie hat das Moses-Mendelssohn-Institut 23 Faktoren untersucht – darunter die Immobilienpreise, insbesondere für Zimmer in WGs, die Entwicklung der Studierenden- und Erstsemester-Zahlen und die Quote geförderter Wohnheime.
Beim Anspannungs-Index (links) sind maximal 100 Punkte möglich. Für die Studie hat das Moses-Mendelssohn-Institut 23 Faktoren untersucht – darunter die Immobilienpreise, insbesondere für Zimmer in WGs, die Entwicklung der Studierenden- und Erstsemester-Zahlen und die Quote geförderter Wohnheime.

30 Euro zahlen die drei WG-Bewohner pro Nase mehr, die restlichen fünf Euro gehen in die WG-Kasse. Für sein 16 Quadratmeter großes Zimmer überweist Jäger monatlich 350 Euro. Damit liegt er bundesweit im Schnitt. In den vom Moses-Mendelssohn-Institut in Berlin untersuchten 93 deutschen Uni-Städten zahlen Studenten im Durchschnitt bereits 30 Euro mehr als noch vor vier Jahren – Tendenz steigend.

Da sind die WG-Preise in Braunschweig und Göttingen mit 317 beziehungsweise 318 Euro noch vergleichsweise moderat. Doch selbst im eher günstigen Wolfenbüttel liegen die WG-Preise mit 278 Euro inzwischen deutlich über der Bafög-Wohnpauschale von 250 Euro.

Jäger muss nebenher jobben. Er verdient sich an vier Tagen im Monat etwas hinzu. So kommt er einigermaßen über die Runden, wie er sagt.

Der 29-Jährige studiert Integrierte Sozialwissenschaften. Er engagiert sich, ist Vorstandsmitglied des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der TU Braunschweig und fordert: „Die Bafög-Sätze müssen angepasst werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die Mietpreise in Braunschweig und anderen Uni-Städten in absehbarer Zeit wieder sinken werden.“ Ansonsten würden die Wohnkosten das Studium zur Besserverdiener-Frage machen. Der Staat dürfe nicht einfach weiter zusehen.

Laut dem sogenannten Anspannungs-Index des Moses-Mendelssohn-Instituts (siehe Rangliste) könnte es in Braunschweig und Göttingen kritisch werden. Beide Städte liegen mit 37,5 und 36 Scoring-Punkten im selben Bereich. Es heißt: „Hier muss die Situation auf dem Wohnungsmarkt für Studierende aufgrund einiger riskanter Faktoren genau im Auge behalten werden. Kurzfristig mögliche Entwicklungen können dafür sorgen, dass der Anspannungsfaktor schnell in den kritischen Bereich steigt.“

Einer dieser Risiko-Faktoren ist die Zahl der Studenten. Diese stieg in Braunschweig seit dem Wintersemester 2007/2008 von 12 000 Studenten auf gut 20 000 Studenten im Wintersemester 2016/2017 an. In den vergangenen Jahren zogen unter dem Strich zusätzlich 3400 junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren nach Braunschweig. Sie alle drängen auf den Wohnungsmarkt.

In Wolfenbüttel ist die Lage entspannter. Zwar hat sich auch hier die Zahl der Ostfalia-Studenten laut der Hochschule seit dem Wintersemester 2010/2011 von knappen 3900 Studenten auf knappe 5900 Studenten im Wintersemester 2016/2017 deutlich erhöht. Unter dem Strich zogen in den vergangenen Jahren aber nur 330 junge Leute mehr in die Stadt. Viele zieht es zum Wohnen offenbar doch immer noch ins teurere, aber nahe Braunschweig.

Die Macher der Studie setzen für Wolfenbüttel auch nur 17 Scoring-Punkte an. Das ist Platz 83. Es heißt: „Zwar ist nicht garantiert, dass jeder Studierende sofort seine Traum-Wohnung am gewünschten Standort findet, doch bezogen auf den nationalen Vergleich, ist die Anspannungslage kaum problematisch.“

Plätze in Wohnheimen gibt es erst wieder ab dem Sommersemester

Unsere Leserin würde es vermutlich begrüßen, wenn die Ostfalia-Studenten aus Wolfenbüttel nicht auch noch nach Braunschweig zögen. Dass die Studenten in Braunschweig besser am Stadtrand wohnen sollen, kann Marc Jäger vom Asta aber so nicht nachvollziehen. Er sagt: „Viele Wohnungen sind dort nicht WG-geeignet. Junge Leute möchten stadtnah wohnen, sie möchten auch mal das Nachtleben genießen.“

Jedoch könnten die Mietpreise Studenten mehr und mehr an den Stadtrand drängen. Selbst die Preise in den zumeist stadtnahen Wohnheimen haben in den vergangenen Jahren zugelegt. Im „Affenfelsen“ am Rebenring zahlen Studenten 353 Euro – allerdings Warmmiete. Enthalten sind auch Strom- und Internetkosten. Für ausländische Studenten gibt es eine Betreuung.

Dass selbst die Mietpreise in Wohnheimen seit Jahren anziehen, hat seinen Grund. Die Studentenwerke in Niedersachsen erhalten schon seit den 90er Jahren keine Wohnbauförderung für ihre Wohnheime mehr. Sanierungshilfen gab es zuletzt 2003. Jäger vom Asta sagt: „Die Studenten sind die Leidtragenden.“

Das Studentenwerk Ostniedersachsen unterhält 2070 Plätze in Wohnheimen in Braunschweig, in Wolfenbüttel sind es 216. Die gestiegenen Preise reicht es an die Studenten weiter.

Und doch sind die Wartelisten beim Studentenwerk Ostniedersachsen aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes in Braunschweig und Göttingen lang. Geschäftsführer Sönke Nimz sagt: „Wer sich jetzt noch für das Wintersemester um einen Platz in den Wohnheimen bewirbt, hat keine Chance mehr, realistischer ist es im Sommersemester 2018 oder gar erst im Wintersemester 2018/2019.“

Laut Stadt Braunschweig entstehen am Mittelweg 240 Studentenappartements. Außerdem will die Stadt dem Studentenwerk Unterkünfte an den Standorten Ölper und Nordstadt zur Verfügung stellen. Diese waren eigentlich für Flüchtlinge vorgesehen, werden nun aber nicht mehr benötigt, da deutlich weniger Flüchtlinge in Braunschweig leben. Außerdem ruft die Stadtverwaltung, wie auch in den Vorjahren, Anbieter von ungenutztem Wohnraum in Braunschweig und der Region dazu auf, ihre Wohnungen für Studenten anzubieten.

Nicht zuletzt will die Stadt bis 2020 etwa 5000 neue Wohnungen ausweisen. Das dürfte auch für Studenten den Mietmarkt erheblich entspannen.