Hannover. Es ist unwahrscheinlich, dass sie noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Für die Opposition ein Zeichen, dass die Koalition am Ende ist.

Ein Leser, der sich auf unseren Internet-Seiten als „Gast“ bezeichnet, fragt:

Wie lange dauert es, bis der Landtag ein Gesetz beschließt? Und wann ist überhaupt ein Gesetz nötig statt eines Erlasses?

Das Thema recherchierte Peter Mlodoch

Juristen antworten gerne: „Das kommt drauf an.“ Für das Entstehen von Gesetzen gilt das besonders. Nach der Einbringung eines Entwurfes durch die Regierung oder die Landtagsfraktionen geht das Paragrafenwerk in die zuständigen Fachausschüsse, oft folgt auch noch eine Anhörung von Vertretern der betroffenen Verbände. Bei einfachen Sachverhalten und vor allem Einigkeit aller Akteure dauert es mitunter nur wenige Monate, bis ein Gesetz in Kraft tritt.

Bei Streit mit der Opposition oder gar innerhalb der eigenen Reihen kann sich dies dagegen über Jahre schleppen. Manche Entwürfe sterben auch den parlamentarischen Tod durch das Ende der Legislaturperiode. Erlasse und Verordnungen sind kein Ersatz. Sie regeln lediglich die Durchführung oder Umsetzung von Gesetzen. Für Sachverhalte, die die Bürger wie Schule oder Polizei direkt betreffen, sind immer gesetzliche Grundlagen erforderlich.

Aktuell schmoren 43 Gesetzesvorhaben im parlamentarischen Verfahren – manche seit vier Jahren. 13 davon stammen von der schwarz-gelben Opposition. Unter dem großen Rest befinden sich auch mehrere Prestigeprojekte der rot-grünen Koalition oder ihrer Minister. Fußfesseln für potenzielle Terroristen, Auskunftsrechte für Bürger, Pachtpreisbremse für Ackerböden oder Familienpflegezeiten für Beamte sind nur einige Beispiele. Zumindest bei einigen Gesetzentwürfen ist fraglich, ob sie überhaupt noch rechtzeitig vor der nächsten Landtagswahl am 14. Januar 2018 verabschiedet werden können.

„Die kriegen nie alles durch“, warnt ein Experte aus der Parlamentsverwaltung. Die Zeit wird in der Tat knapp. Nach der soeben begonnenen sechswöchigen Sommerpause bleiben gerade noch viereinhalb Monate, um die Entwürfe abschließend zu beraten – inklusive Verbandsanhörung und Ausschussberatung. Außerdem sehen die sieben Landtags-Juristen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) in vielen Punkten Nachbesserungsbedarf. Intern rügt man dort eine mitunter schlampige Vorbereitung in den Ministerien. „Die Landesregierung macht es sich einfach. Sie haut die Entwürfe einfach raus, und wir sollen es dann richten.“

Auf der Kippe steht insbesondere das neue Ladenöffnungsgesetz. Mit ihrem Entwurf wollte Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) eigentlich für Rechtsklarheit sorgen. Vier Sonntagsöffnungen pro Stadt plus eine in den Stadtteilen sollen danach möglich sein, allerdings nur, wenn es dafür einen angemessenen Anlass wie etwa ein großes Volksfest gibt. Dem Handel ist das zu wenig; den Gewerkschaften, Kirchen und auch dem grünen Koalitionspartner geht selbst das zu weit. Inzwischen wäre mancher Koalitionär froh, wenn das Gesetz im Herbst sanft beerdigt würde. „Den Krach im Wahlkampf können wir uns gern sparen“, raunt ein SPD-Mitglied.

Koalitionsinterner Zwist bremst auch das neue Polizeigesetz. Die Grünen wollten es ursprünglich von allzu harten Vorschriften entrümpeln, etwa den vorbeugenden Unterbringungsgewahrsam für Störer von zehn auf vier Tage verkürzen. Die Gefahren des islamistischen Terrors lassen Innenminister Boris Pistorius (SPD) eher an das Gegenteil denken. Er will elektronische Fußfesseln für Gefährder und Körperkameras („Bodycams“) für Polizisten.

„Die Menge der Gesetze ist durchaus ambitioniert“, meint SPD-Parlamentsgeschäftsführer Grant Hendrik Tonne tapfer. „Aber es gilt der Grundsatz, dass alle Gesetze, die eingebracht worden sind, auch beschlossen werden sollen.“ Gleichzeitig gibt der studierte Rechtsanwalt zu, dass einige wenige Paragrafenwerke wie das Therapieunterbringungsgesetz wegen verfassungsrechtlicher Bedenken scheitern könnten. Wichtige Projekte wie das Informationsfreiheitsgesetz, das den Bürgern ein Auskunftsrecht gegenüber Behörden einräumen soll, seien dagegen trotz einiger offener Formulierungen auf einem guten Weg.

Auch bei den rot-grünen Streitthemen habe man vernünftige Kompromisse gefunden, meint der Genosse. Das gelte für das Wassergesetz, das den Einsatz von Dünger und Pestiziden an den Ufern von Bächen und Kanälen einschränkt, ebenso wie für das Agrarstrukturgesetz, das bundesweit erstmalig für Ackerböden eine Pachtpreisbremse einführen will. „Hier gibt es nur drei bis vier Punkte, die wir noch diskutieren müssen“, sagt Tonne. Das sieht der zuständige Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) etwas anders. Man habe Änderungswünsche von Kommunen und Betroffenen längst berücksichtigt. Für Bedenken habe die SPD keinerlei Anlass mehr.

Für CDU-Parlamentsgeschäftsführer Jens Nacke ist das quälende Warten auf die Gesetze denn auch ein Zeichen des Verfalls der Koalition. „Die Gemeinsamkeiten von Rot-Grün sind schon lange aufgebraucht.“

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Rot-grüner Ballast