Braunschweig. Der Politologe und Buchautor Fawzy Naji aus Hannover kritisiert den Nachbarn Saudi-Arabien: Dort sei Terrorismus Staatsreligion.

Unser Leser Reinhard Scherm aus Wolfenbüttel fragt:

Eigentlich ist das eine Kriegserklärung gegenüber Katar. Hat Trump das losgetreten mit seinen eindeutig pro-saudischen Sprüchen?

Die Antwort recherchierten Dirk Breyvogel, Andre Dolle, Martin Gehlen und unsere Agenturen

Für Dr. Fawzy Naji aus Hannover kommt die Isolierung Katars auf diplomatischer Ebene durchaus überraschend. In dieser konsequenten Form habe er nicht damit gerechnet, sagt der Politikwissenschaftler und Buchautor („Islamischer Staat: Entstehung, Ziele und Bekämpfung.“). Entscheidend für die Entwicklung in dem Emirat sei jedoch etwas anderes: Wie werden Terrorismus und Terrorunterstützung definiert? Und: Wer macht das?

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Welche Rolle spielen die USA und ihr neuer Präsident Trump?

Der Einfluss Donald Trumps auf die neue Lage Katars, auf den auch die Frage des Lesers abzielt, ist nach Ansicht Najis nicht hoch genug zu bewerten. Die Interessen der USA unter der Trump-Administration hätten sich um fast 180 Grad gedreht, würde man sie mit denen seines Vorgängers Barack Obama vergleichen. „Der Besuch von Donald Trump in Saudi-Arabien hat diese Entwicklung beschleunigt.“ Während Trump in seiner Rede in Riad offen dazu aufgefordert hätte, den Iran zu isolieren, hätte sein Vorgänger Obama auch klare Worte in Richtung der Machthaber in Saudi-Arabien gefunden.

Gestern erklärte sich Trump zur Entwicklung in Katar – aus dem Weißen Haus und per Twitter. Dabei schlug er sich eindeutig auf die Seite Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten. Die Isolation des Golf-Emirats führte er auf seine Reise in den Nahen Osten zurück. Schon dort hätten beim Thema Terrorfinanzierung alle Hinweise auf Katar gedeutet. „Vielleicht wird das der Anfang vom Ende des Terrorhorrors sein“, schrieb er weiter.

Für Naji, Direktor des Arabischen Instituts in Hannover (AIH), liegt das Problem dagegen in der saudischen Hauptstadt Riad. Dort regierten die Wahhabiten, Anhänger einer puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams. Nach Ansicht Najis seien die Folgen verheerend. „In Saudi-Arabien ist Terrorismus eine Staatsreligion“, findet er drastische Worte. Der Westen müsse endlich auch dort beginnen, demokratische Bewegungen grundsätzlich und nachhaltiger zu unterstützen, statt mit einem mittelalterlichen Regime, Geschäfte zu machen. „Man darf seine demokratischen Prinzipien nicht für Öl verkaufen“, erklärt er mit Blick auf die Politik Trumps.

Warum kam es jetzt zum Zerwürfnis unter den Staaten am Golf?

Die Gründe für diese schlagartige Eskalation sich nicht einfach zu ermitteln in den verschwiegenen und intransparenten politischen Milieus der Herrscherclans.

Offenbar kommt bei dem Zornausbruch des saudischen Nachbarn über den widerspenstigen Halbinselstaat vieles zusammen, angefangen von Katars freundlichen Beziehungen zum Iran, über seine Finanzierung von TV-Sendern wie beispielsweise „Al Dschasira“ bis hin zu seiner Rolle als Schutzpatron der Muslimbrüder, der Hamas-Bewegung und sonstiger politischer Islamisten in der Region.

Das Fass zum Überlaufen brachte wohl eine Lösegeldzahlung Katars im April von einer Milliarde Dollar, um im Südirak zwei Dutzend katarische Falkenjäger aus den Händen schiitischer Milizen sowie in Syrien 50 Gefangene bei radikalen Dschihadisten freizukaufen. 700 Millionen gingen an iranhörige Paramilitärs, die übrigen 300 Millionen an Al-Kaida-Terrorkommandos.

Der Löwenanteil floss damit quasi direkt an die Islamische Republik, und dass ausgerechnet zu einer Zeit, als Saudi-Arabien zum großen Showdown gegen den schiitischen Erzrivalen Iran blies. Lösegeldzahlungen gelten in den nahöstlichen Wirren schon lange als Methode zur indirekten Finanzierung von Extremisten.

Welche wirtschaftlichen Folgen könnte die Isolation Katars haben?

Katar lässt verlautbaren, man sei wirtschaftlich gerüstet für einen anstehenden Konflikt mit Saudi-Arabien und dessen Verbündeten. Die Wirtschaft des Emirats sei so stark, dass sie den Abbruch der diplomatischen Kontakte und die Schließung der Grenzen zu den Nachbarn überwinden werde, erklärt der Präsident der katarischen Handelskammer, Scheich Khalifa bin Dschasim bin Mohammed Al Thani. Katar besitze strategische Vorräte an Grundnahrungsmitteln, die für mehr als zwölf Monate reichten, sagt er weiter.

Die Deutsche Exportwirtschaft blickt skeptisch in den Mittleren Osten. Der Konflikt könnte auch deutsche Firmen treffen. „Es ist noch unklar, wie es weitergeht – durch die Einstellung von Luft- und Seeverbindungen wird es aber auf alle Fälle Einschränkungen geben“, sagt Felix Neugart, Geschäftsführer der Deutsch-Emiratischen Handelskammer, in Dubai. Darunter wiederum könnten die Exporte in den Wüstenstaat leiden. 2016 hatten deutsche Firmen den Angaben zufolge Waren im Wert von gut 2,5 Milliarden Euro nach Katar exportiert. Damit steht das Land laut Statistischem Bundesamt auf Platz 52 der Handelspartner der Bundesrepublik.

Wird womöglich die Fußball-WM 2022 in Katar abgesagt?

Nach DFB-Chef Reinhard Grindel äußert sich gestern auch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Claudia Roth (Die Grünen), zu einer möglichen WM-Absage. „Die Vergabe muss überprüft werden“, sagt sie gegenüber der „Saarbrücker Zeitung“. Sie begründet ihre Forderung unter anderem mit der Nicht-Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards in dem Golfstaat. Von Grindel erwartet sie, dass dieser seinen Worten auch Taten folgen lasse. „Er sitzt doch neu im Fifa-Rat.“

Dort müsse der DFB-Präsident seinen Einfluss geltend machen, damit die Fifa endlich klare Kriterien für die Vergabe einer WM festlege – wie die Einhaltung von Menschenrechten, Pressefreiheit, aber auch Umweltstandards. Würden diese Standards dann von einem Ausrichterland missachtet, brauche die Fifa einen Plan B. „Die Entscheidung für Katar war von Anfang an falsch“, so die Grünen-Politikerin.

Angesichts der Katar-Krise hatte DFB-Chef Grindel erklärt, dass große Turniere nicht mehr in Ländern gespielt werden sollten, die aktiv den Terror unterstützen. Auch einen Boykott der WM in Katar schloss der DFB-Präsident nicht mehr grundsätzlich aus.

Politikwissenschaftler Naji hält das Aus der WM zum jetzigen Zeitpunkt für zu früh. Es seien noch fünf Jahre Zeit. Und: Den Sport dürfe man nicht für die falschen politischen Entwicklungen bestrafen. Naji hofft bei der Beilegung des Konflikts auf Staaten wie den Oman oder Kuwait. Beide hätten sehr vermittelnde Positionen eingenommen.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat sich gestern auf die Seite von Katar geschlagen.