Es geht jetzt alles ganz schnell: Schon am Freitag wird SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil kommissarisch das Amt des SPD-Generalsekretärs übernehmen.

Sein erstes Interview nach der Berufung gibt der 44-Jährige noch in seinem Bundestagsbüro – erkältet, aber gut vorbereitet. Mit Heil sprach Christian Kerl .

Herr Heil, Ihre erneute Berufung zum SPD-Generalsekretär ist die große Überraschung der SPD-Personalrochade. Wie überrascht sind Sie selber?

Als ich am Dienstagmorgen aufwachte, wusste ich noch nichts davon. Ich habe am Vormittag von der schlimmen Erkrankung Erwin Sellerings und seinem Rückzug erfahren. Dann kam überraschend das Angebot, Generalsekretär zu werden, ich habe nach kurzer Bedenkzeit angenommen.

Sie waren schon einmal vier Jahre Generalsekretär, die Amtszeit endete 2009 mit der schwersten SPD-Niederlage. Warum sollen ausgerechnet Sie jetzt den Wahlkampf in Schwung bringen?

Das waren damals vier bewegte Jahre, die Erfahrungen waren wichtig. Aber die Jahre waren geprägt von innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD, die uns geschadet haben. Die SPD ist heute geschlossener, sie hat mit Martin Schulz eine klare Nummer eins. Und sie ist entschlossen, die Wahlen zu gewinnen. Die Voraussetzungen sind heute also viel besser, auch für mich persönlich: 2009 habe ich als Generalsekretär zwar politisch im Wahlkampf mitgekämpft, aber die operative Verantwortung lag nicht bei mir. Jetzt bin ich politisch und organisatorisch verantwortlich für den Wahlkampf. Ich traue mir die Aufgabe zu, meine Partei auch.

Ist das eine zweite Chance für Sie?

So empfinde ich das nicht. Ich habe in den letzten Jahren politisch nicht in der Ecke gelegen, sondern in meinem Bereich der Wirtschafts-, Energie- und Bildungspolitik als Fraktionsvize gearbeitet. Ich begreife das Amt nicht als Wiederaufstieg, sondern als Aufgabe für die SPD und unser Land.

Was ist jetzt Ihre wichtigste Aufgabe?

Ich werde klar und deutlich machen, wo die Alternativen zwischen SPD und Union liegen, ich werde die Themen zuspitzen und damit den Kanzlerkandidaten unterstützen.

Die Ausgangslage ist schwierig: Drei Landtagswahlniederlagen, die SPD und der Kanzlerkandidat in Umfragen im Sinkflug. Was ist schief gelaufen, wie ändern Sie das?

Die Wahlniederlagen in den Ländern waren ein Schlag, aber die SPD hat sich nicht unterkriegen lassen. Sie ist hoch geschlossen, sie steht in Umfragen immer noch viel besser da als zu Beginn des Jahres. Wir werden Ende Juni unser Regierungsprogramm beschließen, dann muss auch die Union endlich mal programmatisch die Karten auf den Tisch legen. Dann kann man vergleichen. Die Bundestagswahl wird auf den letzten Metern entschieden. Es geht um klare Alternativen in der Demokratie. Da kann Deutschland Vorbild sein für andere Länder in Europa.

Linken-Chef Riexinger sagt, wenn Herr Schulz Sie zum Generalsekretär macht, habe er das Kanzleramt schon aufgegeben…

Wenn das der Vorsitzende der Linkspartei sagt, finde ich das ein großes Kompliment für einen SPD-Generalsekretär.

Sie sind kein großer Freund der Linkspartei. Ist ihre Berufung auch eine Absage an Rot-Rot-Grün, ein Signal Richtung Mitte?

Wir werden keinen Koalitions-Wahlkampf machen, wir kämpfen für eine starke SPD. Wer mit uns anschließend koalieren will, muss sich inhaltlich auf uns zu bewegen, verlässlich sein und die europäischen und sicherheitspolitischen Verpflichtungen Deutschlands unterstützen. Also: Ich bin kein politisches Signal im Sinne von Koalitionen. Was ich mitbringe für den Wahlkampf, sind Inhalte, die mir wichtig sind, gerade auch als Wirtschafts- und Bildungspolitiker.

Wird das ein neuer Schwerpunkt in der SPD-Kampagne?

Martin Schulz hat das Thema Gerechtigkeit in den Mittelpunkt gestellt, dabei bleibt es: Es geht um gerechte Verteilung – etwa um die paritätische Finanzierung bei der Krankenversicherung – und um Leistungs- und Zukunftsgerechtigkeit. Beispiel Bildung: Wir haben das Kooperationsverbot im Grundgesetz aufgehoben, jetzt brauchen wir eine Allianz zwischen Bund, Ländern und Kommunen, um Bildungschancen von Kindern in ganz Deutschland zu verbessern – unabhängig vom Wohnort und der sozialen Herkunft. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschulbetreuung. Wir werden zeigen, dass soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Erfolg sich wechselseitig bedingen.

Was kann die Wirtschaft von der SPD erwarten?

Die Wirtschaft braucht Unterstützung beim digitalen Strukturwandel. Die SPD steht für eine starke Mittelstandspolitik, es geht um Fachkräftesicherung oder die steuerliche Förderung von Forschung. Unser wirtschaftlicher Erfolg hängt am Erfolg Europas: Wir müssen deshalb mit mehr öffentlichen und privaten Investitionen die Krise in Europa überwinden helfen. Nur wenn wir Europa wirtschaftlich und politisch stärken, werden wir unsere Freiheit, unseren Wohlstand und unseren sozialen Zusammenhalt in der unsicheren Welt von heute behaupten können. Das ist im deutschen Interesse und dafür steht Martin Schulz.

Sie haben am Konzept für Entlastungen bei Steuern und Abgaben mitgearbeitet. Will die SPD nun Steuerentlastungen?

Das Konzept legen wir in den nächsten Wochen vor. Wir werden mit Sicherheit keine allgemeinen Steuersenkungen für alle versprechen. Das wäre nicht verantwortlich – auch weil der Staat massiv in Bildung und Infrastruktur investieren muss. Aber wir wollen Spielräume nutzen, um gezielt bei unteren und mittleren Einkommen zu entlasten. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft.

Bei welchen Themen wollen Sie die Kanzlerin und die Union angreifen?

Es geht nicht in erster Linie um Angreifen. Es geht um klare Alternativen. Wir sagen, was wir für dieses Land für richtig halten – und fordern die andere Seite heraus, ihren Entwurf vorzulegen. Und dann können die Wähler vergleichen.