Braunschweig. Die Sicherheit beim Hochrisikospiel Hannover gegen Braunschweig ist teuer. Sie führen bereits hohe Steuern ab, sagen die Vereine.

Unser Leser Georg König fragt:

Warum muss die Allgemeinheit mit Steuergeldern die Sicherheit bei Fußballspielen bezahlen? Im Fußballgeschäft werden Milliarden umgesetzt und horrende Gehälter gezahlt.

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Die Diskussion um die hohen Sicherheitskosten bei sogenannten Hochrisikospielen wie dem Derby Hannover 96 gegen Eintracht Braunschweig kocht immer wieder hoch. Auch vor dem Nachbarschaftsduell am Karsamstag erreichten unsere Redaktion mehrere Leser-Fragen zum Thema. Der Tenor ist derselbe: Die Profi-Vereine machen einen Millionen-Umsatz, warum beteiligen sie sich nicht an den hohen Sicherheitskosten beziehungsweise übernehmen diese nicht gleich komplett?

Auch seitens der Politik wird dieser Ruf immer wieder laut. Im Anschluss an die Hinrunden-Partie in Braunschweig Anfang November waren es CDU-Politiker, die kritisierten, dass der Steuerzahler für die Kosten des massiven Polizei-Einsatzes aufkommen sollte. „Es ist gut, dass die Polizei solche Risikospiele schützt, es kann aber nicht sein, dass der Steuerzahler immer dafür aufkommen muss“, sagte der Northeimer CDU-Bundestagsabgeordnete Roy Kühne. Unterstützung fand er bei der Wolfsburgerin Angelika Jahns, innenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion: Die von Chaoten verursachten Kosten für den Steuerzahler seien gewaltig. „Vor diesem Hintergrund sollte über eine gerechtere Verteilung von Einsatzkosten nachgedacht werden.“

Beim Derby 96 gegen Eintracht im Jahr 2013, damals noch in der Bundesliga, waren 1800 Polizisten im Einsatz. Es gab Krawalle, beim Rückspiel in Braunschweig im April 2014 stockten die Sicherheitsbehörden die Zahl der eingesetzten Polizisten auf 3200 hoch. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei zählte bei diesem Spiel mehr als 36 000 Polizeistunden. Das war ein unrühmlicher Rekordwert in der Saison 2013/2014. Auf dem zweiten Platz folgte das Revierderby Dortmund gegen Schalke mit gerade mal halb so vielen Polizeistunden.

Die Sicherheits-Kosten bei der Partie Eintracht gegen 96 im April 2014 lagen bei mehr als zwei Millionen Euro. Das Hinspiel in Hannover kostete den Steuerzahler immerhin 1,2 Millionen Euro. Das ging aus der Antwort des Innenministeriums in Hannover auf die Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Berechnet wurden die Einsätze auf Grundlage eines Runderlasses des Finanzministeriums. Der sah vor, dass die eingesetzten Beamten je nach Dienstgrad mit

56 beziehungsweise 69 Euro Stundensatz zu entlohnen sind. In dem Stundensatz ist eine Sachkostenpauschale von sieben Euro enthalten, in der unter anderem das benötigte Benzingeld für jeden Beamten berücksichtigt wird.

Bremen ist das erste Bundesland, das eine Kostenbeteiligung für Polizeieinsätze bei Fußballspielen fordert. Die Bremer Polizei hat zweimal eine Rechnung für einen Großeinsatz bei einem Bundesligaspiel an den Ligaverband DFL geschickt. Für die Partie von Werder Bremen gegen Borussia Mönchengladbach am 16. Mai 2015 soll die DFL demnach

227 000 Euro zahlen. Zuvor forderte das Bundesland mehr als 400 000 Euro für die Partie Werder Bremen gegen den HSV. Die DFL hat gegen die Rechnung Widerspruch eingelegt, beide Parteien wollen alle juristischen Mittel ausschöpfen. Ob und wann der Fußball-Dachverband die Rechnung begleicht, ist noch offen.

Daher sagte die Wolfsburger CDU-Landtagsabgeordnete Jahns auch, man wolle „die Entwicklung in Bremen abwarten“.

Die beiden Vereine und auch die DFL jedoch wollen auch die Kosten für das anstehende Derby am Karsamstag nicht zahlen. Das bekräftigten Eintracht Braunschweig, Hannover 96 und auch die DFL auf Anfrage.

Eintracht-Sprecherin Denise Schäfer wiegelte sofort ab: „Diese Diskussion führen wir nicht“, sagte sie. „Es gibt Gesetze, die unsere Zuständigkeit im Rahmen des Stadiongeländes regeln. Wir betreiben zur professionellen Umsetzung einen erheblichen finanziellen Aufwand. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist Aufgabe des Staates und obliegt der Polizei. Eine Kostenbeteiligung der Vereine kommt daher nicht in Betracht.“

Schäfer betonte, dass der Verein bereits einiges für die Sicherheit beim Spiel in Hannover beitrage. Sie sagte: „Eintracht Braunschweig wird am Samstag 80 Ordner seines gewerblichen Sicherheitsdienstes zum Spiel nach Hannover mitschicken und auch auf diesem Wege seinen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung des erarbeiteten Sicherheitskonzeptes leisten.“

Hannover 96 reagierte ähnlich. Die Vereine haben sich offenbar abgesprochen. Der Wortlaut der Antworten per Mail ist fast identisch. 96-Sprecher Christian Bönig fügte hinzu: „Fußallvereine zahlen bereits hohe Steuern.“

Die DFL-Pressestelle schickte zwei Pressemitteilungen zum Bremer Beschluss und erklärte, dass sich an der Einstellung nichts geändert habe. Darin wird Liga-Präsident Reinhard Rauball zitiert. Der Rechtsanwalt Rauball sagte demnach: „Der Bremer Alleingang ist mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist unabhängig von der Kassenlage der öffentlichen Haushalte allein Aufgabe des Staates, zumal Fußball-Vereine und -Verbände keinesfalls Verursacher oder Veranlasser von Gewalt sind.“ Rauball setzte nach: Das Bremer Anliegen komme einer Blanko-Vollmacht gleich, sei vollkommen willkürlich. „Augenscheinlich geht es nicht in erster Linie darum, Probleme zu lösen, sondern Haushaltslöcher zu stopfen.“

Der Ligaverband erhielt Unterstützung vom DFB und vom Deutschen Olympischen Sportbund. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere und einige Landesinnenminister äußerten Bedenken gegen die Bremer Initiative. Darunter auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius.

Der Vorwurf, der Sport würde Gewinne privatisieren und Kosten auf die Gemeinschaft umlegen, sei auch wissenschaftlich nicht haltbar, argumentiert die DFL. Laut einer Studie des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement der Deutschen Sporthochschule Köln liegt der Anteil des Sports am Bruttoinlandsprodukt mit 3,7 Prozent ähnlich hoch wie der Wert des gesamten Versicherungsgewerbes. 1,8 Millionen Menschen haben demnach durch sportbezogene Aktivitäten einen Arbeitsplatz. Die sportbezogenen Einnahmen des Staates sind laut der Studie fünf Milliarden Euro höher als die sportbezogenen Ausgaben der öffentlichen Hand.