Braunschweig. Das Finanzamt kann pauschale Prämien von Krankenkassen verrechnen - obwohl ein Gerichtsurteil einen anderen Anschein erweckt.

Unser Leser Rainer Zimmermann aus Wolfsburg fragt:

Wieso zieht das Finanzamt Prämien meiner Krankenkasse vom Versicherungsbeitrag ab, den ich gezahlt habe?

Die Antwort recherchierte Nora Sonnabend

„Ich werde als gesundheitsbewusster Steuerzahler bestraft, und das gleich zwei Mal“, sagt Rainer Zimmermann. Unser Leser erzählt, dass er sich gezielt um seine Gesundheit kümmere. Er gehe ins Fitnessstudio, lasse sich die Zähne professionell reinigen – und werde dafür von seiner Krankenkasse jeweils mit einer pauschalen Bonuszahlung belohnt. 15 Euro bekommt er nächstes Jahr für jede Aktivität, die er in diesem Jahr für seine Gesundheit unternimmt, maximal acht Maßnahmen werden insgesamt prämiert. 100 Euro „verdiente“ Zimmermann so 2015 hinzu. Er hatte die Rechnung allerdings ohne das Finanzamt gemacht.

Das zuständige Finanzamt Gifhorn verrechnete die Summe der Prämien nämlich mit dem Beitrag, den Zimmermann für seine Krankenversicherung bezahlt hatte. Der Betrag, den Zimmermann für seinen Sport oder zusätzliche Untersuchungen beim Arzt erhielt, wurde also von den Sonderausgaben, die er in seiner Steuererklärung geltend machte, abgezogen. „Würde ich das Bonusprogramm der Krankenkasse nicht nutzen, kämen die vollen Sonderausgaben zum Ansatz“, sagt Zimmermann. Außerdem gäbe er dann von vornherein weniger Geld aus, das er nun zum Beispiel in die Mitgliedschaft im Fitnessstudio investiere. Deswegen fühle er sich in doppelter Hinsicht benachteiligt.

Unser Leser ärgert sich auch, weil er ein Urteil kennt, das sich mit einem ähnlichen Fall beschäftigt. Der Bundesfinanzhof entschied am 1. Juni 2016: Zuschüsse einer Krankenkasse für Gesundheitsmaßnahmen sind nicht dasselbe wie eine teilweise Erstattung von Versicherungsbeiträgen. Sie dürfen vom Finanzamt daher nicht mit dem Versicherungsbeitrag verrechnet werden und die abziehbaren Sonderausgaben mindern. Dass Krankenkassen selbst die Zuschüsse bei der elektronischen Vermittlung an das Finanzamt als Teilerstattung des Beitrags ausweisen, spielt dabei keine Rolle.

Allerdings gilt: „Der Bundesfinanzhof entscheidet über Einzelfälle“, erklärt Christoph Wäger, Richter und Sprecher des Bundesfinanzhofes. Das Urteil des Bundesfinanzhofs bezieht sich also nur auf das im konkreten Fall verhandelte Bonusprogramm, bei dem Versicherte Zuschüsse für Gesundheitsmaßnahmen erhielten, die sie vorab privat finanziert hatten. Unser Leser erhält aber keine Zuschüsse, sondern Pauschalbeträge – unabhängig davon, wie viel ihn eine der einzelnen Aktivitäten tatsächlich kostet. Es handelt sich also nicht um Zuschüsse und eine teilweise Erstattung der Kosten von besonderen Gesundheitsmaßnahmen, auf die sich das Urteil bezieht, sondern um pauschale Bonuszahlungen.

„Eine Bonusvariante, in der Versicherte pauschal eine bestimmte Summe erhalten, ist weiterhin als Beitragrückerstattung von den Versicherungen zu melden und kürzt damit die Krankenversicherungsbeiträge“, bestätigt Detlef Huhs, Sprecher der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, zu der auch das Finanzamt Gifhorn gehört. Das Bundesfinanzministerium hält in einem Schreiben zur Anwendung des Urteils für die Finanzämter vom Dezember 2016 nämlich fest: Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs beziehe sich nicht auf „Programme, die lediglich die Durchführung bestimmter Gesundheitsmaßnahmen oder ein bestimmtes Handeln der Versicherten als Voraussetzung für eine Bonusleistung vorsehen, selbst wenn diese Maßnahmen mit Aufwand beim Versicherten verbunden sind“.

Dem Leser Rainer Zimmermann nützt das Urteil, auf das er sich bezieht, also momentan nichts. „Der restriktive Blickwinkel der Finanzämter ist aber nicht bindend“, erklärt Wäger. Zimmermann könnte daher selbst vor dem Finanzgericht Niedersachsen klagen. „Man kann aus dem Urteil noch nichts für andere Bonusvarianten ableiten“, so Wäger. „Solche Streitfragen werden in Zukunft aber bestimmt häufiger verhandelt. Das Urteil war ein erster Schritt.“ Wohin dieser gehen könnte, werde sich nach einem zweiten oder dritten Urteil am Bundesfinanzhof sicher zeigen. Bisher seien ihm aber noch keine weiteren, ähnlichen Verfahren bekannt.