Braunschweig. Es gibt keine rechtliche Handhabe. Betreiber können sich auf Glaubensfreiheit berufen.

Unsere Leserin Vivienne La Cognata fragt via Facebook:

Wieso wird die Koran-Verteilung nicht verboten?

Die Antwort recherchierte Norbert Jonscher

Die Koran-Stände in der Braunschweiger Innenstadt locken nicht viele Passanten an. Dennoch richtet sich der Blick von Polizei und Ordnungsamt auf sie.

Laut Polizei haben die Anhänger der nun verbotenen Salafistengruppe „Die wahre Religion“ zuletzt vor ungefähr drei Jahren einen Info-Stand in der Innenstadt aufgebaut – seither nicht mehr, so Sprecher Joachim Grande. Insgesamt würden die Koran-Infostände anderer Gruppierungen von der Bevölkerung sehr wahrgenommen, etwa jener vor der Buchhandlung Graff am Sack. „Der gehört zur deutschsprachigen muslimischen Gemeinschaft an der Hamburger Straße. Sie haben einen Info-Stand auch in der Poststraße, sprechen dort Leute an und verteilen auch mal Korane. Dafür haben sie aber eine Sondernutzungserlaubnis.“

Gleichwohl stören sich beispielsweise Geschäftsleute an den Ständen. Sie würden von Kunden darauf angesprochen, heißt es. Thomas Wrensch, Geschäftsführer der Buchhandlung Graff, sagt dazu: „Wir ärgern uns über den Stand, denn die Leute bringen ihn mit unserem Laden in Verbindung. Und das möchten wir nicht.“

Doch Städten wie Braunschweig sind bisher die Hände gebunden. Es gebe keine Handhabe, solche Koran-Stände zu verbieten, heißt es. Köln oder Aachen zum Beispiel hatten einen solchen Verbotsversuch unternommen. Sie scheiterten vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Das Urteil vom Juni 2012 (Az. 11 B 694/12) gilt bis heute als Grundsatzurteil. Die Stadt Köln wollte die Verteilung der Glaubensbücher unterbinden, weil sie Auseinandersetzungen mit den Rechtsauslegern befürchtete.

Der Verteiler klagte und bekam Recht: Nur straßenrechtliche Gegebenheiten seien bei der Entscheidung zu berücksichtigen, urteilten die Richter. Etwa dass die Restwegbreite ausreichend ist (1,50 Meter) oder die Werbetafel nicht größer als 0,65 Quadratmeter ist und Größe des Standes nicht überschritten wird. Auch die Aufstellung von Tischen wird reglementiert: Solange das eingehalten wird, gebe es keine juristische Möglichkeit, diese Sondernutzung abzulehnen.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius will die Kommunen nun unterstützen und ihnen helfen, Koran-Verteilaktionen möglichst zu unterbinden. (Siehe Text oben) Die Behörden müssen auf Rechte wie die Religionsfreiheit Rücksicht nehmen. Unter „öffentlichkeitswirksame Aktionen“ von Salafisten fasst das Innenministerium übrigens auch „die vierzehntägig stattfindenden Islam-Infostände der deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft in Braunschweig“.