Braunschweig. Extremistische Gruppen werden laut Landeskriminalamt zum Familienersatz.

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Laut Sicherheitsbehörden galten im Juni dieses Jahres 550 Menschen in Niedersachsen als Kernanhänger des Salafismus, die extremistischste Strömung innerhalb des Islams. „Jugendliche und Heranwachsende sind besonders gefährdet, in diese Szene abzurutschen“, sagt Christian Hantel vom Verein für jugend- und familienpädagogische Beratung Niedersachsen in Hannover.

Es gibt unterschiedliche Gründe für die Anziehungskraft des Salafismus auf Jugendliche. Andreas Schwegel, Leiter der Präventionsstelle für politisch motivierte Kriminalität im Landeskriminalamt Niedersachsen, nennt drei: Erstens biete der Salafismus jungen Menschen ohne geschlossenem Weltbild Orientierung. Zweitens entstehe ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Schwegel warnt: „Im schlimmsten Fall kann die extremistische Gruppe zu einer Ersatzfamilie werden.“ Und drittens sei die Radikalisierung bei Jugendlichen ein Mittel der Rebellion.

„Jugendliche und Heranwachsende sind besonders gefährdet, in diese Szene abzurutschen.“
„Jugendliche und Heranwachsende sind besonders gefährdet, in diese Szene abzurutschen.“ © Christian Hantel, Beratungsstelle Beraten e.V. Hannover

Das Interesse am Salafismus wird Schwegel zufolge meistens im Internet geweckt. „Doch auch Koran-Seminare oder Infostände von Salafisten sind manchmal der Beginn einer Radikalisierung“, erklärt der Experte.

Ob in einem sozialen Netzwerk oder hinter einem Infostand, „Menschen wie Pierre Vogel sind wie ein emotionaler Türöffner zum Islam“, meint Schwegel. Vogel, Islamprediger mit deutscher Herkunft und ehemaliger Boxer, habe eine kraftvolle Ausstrahlung und fasziniere viele Jugendliche durch seine lockere offene Art zu Ihnen zu reden.

„Menschen wie Pierre Vogel sind wie ein emotionaler Türöffner zum Islam.“
„Menschen wie Pierre Vogel sind wie ein emotionaler Türöffner zum Islam.“ © Andreas Schwegel, Präventionsstelle im LKA Niedersachsen

„Längst sind nicht nur junge Männer betroffen, sondern auch immer mehr Mädchen radikalisieren sich“, bemerkt Hantel vom Verein für jugend- und familienpädagogische Beratung Niedersachsen. Laut Schwegel könne man von einem Fünftel Mädchen unter den betroffenen Jugendlichen ausgehen. Hantel: „Bei Mädchen spielt die Partnersuche und eine verklärte Vorstellung von Liebe eine entscheidende Rolle. Der sogenannte Islamische Staat arbeitet mit Heldengeschichten, um junge Frauen zu ködern.“ Hinzukomme noch der Wunsch nach einer Frauengemeinschaft, die durch Verschleierung ein Gefühl der Gleichheit heraufbeschwöre und so attraktiv erscheine, legt Hantel dar.

Beim Jugendgerichtstag in Braunschweig wurde auf Beratungsstellen hingewiesen, die beim Verdacht auf Radikalisierung bekannter Personen kontaktiert werden können und geschult helfen. Die Beratungsstelle in Hannover zur Prävention neo-salafistischer Radikalisierung ist telefonisch erreichbar unter Tel: 05 11/60 01 42 73.