New York. Der Republikaner hat es allen gezeigt. Wofür er wirklich steht, bleibt ein Rätsel.
Seine Wahlkampfveranstaltungen ließ Donald 17 Monate lang meist so ausklingen: Die Rolling Stones spielten aus der Konserve „You Can’t Always Get What You Want“. Gestern wieder. Warum eigentlich? Als der 70-Jährige am Mittwochmorgen um 2.49 Uhr im großen Ballsaal des Hilton-Hotels in Midtown Manhattan im Tross seiner miteinander um die Wette strahlenden Familie ins Scheinwerferlicht trat, hatte er schließlich bekommen, was er wollte: den Schlüssel zur Macht. Er ist der 45. Präsident Amerikas.
Donald Trump – sein Leben in Bildern
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Gegen alle Meinungsforscher, die noch vor weniger als 36 Stunden seiner Widersacherin Hillary Clinton die mit Abstand größeren Sieg-Optionen ausrechneten. Gegen alle Warnungen des militärisch-politisch-konservativen Komplexes, der Amerika und der Welt mit einem Trump im Weißen Haus schwere Turbulenzen prophezeite. Gegen alle Erfahrung, die in den vergangenen 150 Jahren in den USA unberechenbare Radikale vom höchsten Staatsamt in letzter Minute ferngehalten hat. Donald Trump war stärker. Viel stärker. Jetzt steht er im Hilton. Da, wo schon John F. Kennedy am Wahlabend den Applaus entgegennahm. Und seine Fans kriegen sich vor Glückseligkeit nicht mehr ein. „Jetzt ist es an der Zeit, dass Amerika die Wunden der Spaltung heilt. Ich sage zu allen Republikanern und Demokraten und Parteilosen im ganzen Land, dass es nun an der Zeit ist, als geeintes Volk zusammenzukommen.“ Töne der Versöhnung, gesprochen von einem Mann, der sich als Zerstörer hervortat.
Die Kandidatur nahm niemand ernst
Als Donald J. Trump, der mit goldenen Löffeln im Mund geborene Nachfahre wackerer Einwanderer aus Kallstadt in der Pfalz, im Juni 2015 auf der Rolltreppe seines Wolkenkratzers an der Fifth Avenue ins Erdgeschoss fuhr und seine Kandidatur ankündigte, nahm ihn niemand ernst. Doch Trump hat es allen gezeigt.
Der eigenen Partei hat er sich angenähert wie ein Pirat einem arglos in der Lagune dümpelnden Dreimaster. Als die 16 Crew-Mitglieder, die Rivalen im Vorwahlkampf, von Bord geekelt waren, übernahm Trump das Ruder. Sein Zickzack-Kurs, ein Gemisch aus Verschwörungstheorie, Fremdenfeindlichkeit, Isolationismus und Demagogie, verursachte den Parteigranden Übelkeit. Aber da war Trump den Republikanern längst am Horizont enteilt.
Die Medien hat sich Trump mit einer Chuzpe Untertan gemacht, die noch auf Jahre die Publizistik-Lehrstühle beschäftigen wird. Den Rest der Wähleransprache erledigte der Unternehmer über Twitter. Politik in 140 Zeichen. 13 Millionen Anhänger lasen es mit Wonne. „Believe me.“ Nichts konnte seine Unterstützer ins Grübeln bringen. Nicht die ungezählten Enthüllungen, Lügen und Fehltritte. Nicht die Tatsache, dass sich Hunderte renommierte Politiker aller Lager, Wirtschaftsbosse, Showstars, Schriftsteller, 60 ehrbare Zeitungen, ja sogar der Papst in Wort und Schrift gegen ihn stellten.
Der Kandidat spielte in einer Liga, die Fouls belohnt, nicht bestraft. Je größer der Protest gegen ihn, desto höher in Trumps Wagenburg die Zinnen. Seine glühendsten Fans sehen in ihm einen Robin Hood in Nadelstreifen. Einer, der Washington und Wall Street die Dollars abknöpft und sie wie Manna über den amerikanischen Geisterstädten der Globalisierung niederregnen lässt. Welchen Donald Trump Amerika und die Welt nun erleben werden, niemand weiß es. Sein Sternkreiszeichen müsste das Chamäleon sein. Mittags das Gegenteil von dem zu behaupten, was man morgens gesagt hat, um es abends auf die Spitze zu treiben, das ist seine Masche. Man kann den Menschen alles weismachen, steht in einem seiner Bücher, man muss es nur oft genug wiederholen. Darum die lynchjustizhysterischen „Sperrt sie ein! Sperrt sie ein!“-Chöre, wenn Trump im Wahlkampf versprach, dass er Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre hinter Gitter stecken werde. Er müsste jetzt liefern. Ob er es tut?
Zwischen 1999 und 2012 wechselte Donald Trump fünfmal die Parteizugehörigkeit, war mal für, mal gegen Abtreibung, mal für und gegen die Homo-Ehe, mal für und gegen den Irak-Krieg. Donald Trump ist ein wandelndes Pro und Contra. „Man muss unberechenbar bleiben“, sagt er. Einreise-Verbot für Muslime? Abschiebung von elf Millionen Illegalen? Strafzölle für US-Firmen, die im Ausland produzieren? Eine Art Bezahlschranke für Nato-Mitglieder? Meint er es wirklich ernst? In Trumps eigenen Worten: „Alles ist verhandelbar.“ Nur mit wem?
Seine Regierungsmannschaft hat noch keine verlässlichen Konturen. Männer von gestern wie Chris Christie, Gouverneur aus New Jersey, und Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York und als antimuslimischer Hassprediger unterwegs, werden gehandelt. Danach kommt lange nichts. Bis zur Amtseinführung am 20. Januar muss sich auch Trumps Verhältnis zum Kongress ordnen. Die Republikaner, viele davon bis gestern erbitterte Gegner Trumps, haben in beiden Kammern des Parlaments bis 2018 die Mehrheit.
Bremst ihn der Kongress?
Das kann Trumps Neigung zum Terminator-ähnlichen Durchregieren bremsen. Es kann aber auch zu einem strammen Schulterschluss zwischen Exekutive und Legislative führen, bei dem im Eiltempo abgeräumt wird, was den Konservativen ein Dorn im Auge ist: die Krankenversicherung „Obamacare“, der Atom-Deal mit dem Iran, das Klimaschutzabkommen von Paris und vieles mehr. Trump will Amerika nach innen und außen nicht reformieren. Sondern umkrempeln. Auf wessen Rat er da hört? „Ich spreche als Erstes mit mir. Ich habe einen sehr guten Kopf“, hat der künftige Präsident darauf einmal geantwortet. Ab sofort wird die Welt genau hinhören, wenn sich Trump mit sich selbst unterhält.