Berlin. Ein geplantes Gesetz verpflichtet Firmen und Behörden zur Transparenz bei Löhnen. Die Arbeitgeber zweifeln am Erfolg.

Unser Leser Burckhard Scheffer aus Cremlingen fragt:

Warum erst in Betrieben ab 200 Beschäftigten?

Die Antwort recherchierten Karsten Kammholz und Beate Kranz

Für die Frauenministerin ist es ein „Tag des Lächelns“. Seit drei Jahren macht sich Manuela Schwesig (SPD) für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen in Deutschland stark. Nun hat sich die Große Koalition in einem zäh errungenen Kompromiss darauf geeinigt, ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit auf den Weg zu bringen.

Viele Beschäftigte wissen heute nicht, ob sie im Vergleich zu ihren Kollegen fair bezahlt werden. Dies soll das Gesetz durch neue Auskunftsrechte ändern. Es richtet sich gleichermaßen an Frauen und Männer.

Wie groß sind die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen?

Frauen verdienen in Deutschland im Durchschnitt 21 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Diese Lohnlücke entsteht auch dadurch, dass Frauen häufiger in Teilzeit beschäftigt sind, seltener Führungspositionen besetzen oder in schlechter bezahlten Jobs im Handel oder Sozialberufen arbeiten.

Doch selbst wenn Berufstätige in gleicher Beschäftigung verglichen werden, verdienen Frauen nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes immer noch im Durchschnitt sieben Prozent weniger als Männer. Bei einem Bruttomonatslohn von 3500 Euro beträgt die Lohnlücke der Frauen 245 Euro.

Warum hält die Bundesregierung das Gesetz für notwendig?

Das Grundgesetz, Artikel 3, schreibt die Gleichberechtigung für Männer und Frauen vor. Insofern versteht die Regierung es als verfassungsrechtlichen Auftrag, dass auch im Arbeitsleben beide Geschlechter gleich behandelt werden. Transparenz der Löhne ist eine Voraussetzung, um Ungerechtigkeiten überhaupt aufzudecken.

Wer profitiert von dem Gesetz – und wer nicht?

Alle Mitarbeiter in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten sollen einen individuellen Auskunftsanspruch erhalten. Damit hätten mehr als 14 Millionen Beschäftigte das Recht, zu erfahren, was sie im Vergleich zu Kollegen in ähnlichen Positionen verdienen. Das Gleiche gilt für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Sollte die Auskunft ergeben, dass Mitarbeiter zu wenig Lohn bekommen, besteht für sie ein Rechtsanspruch auf Nachzahlung – der schon heute im Fall von Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor Arbeitsgerichten eingeklagt werden kann. Für Mitarbeiter, die in kleineren Betrieben beschäftigt sind, gilt das Gesetz nicht.

Warum erst in Betrieben ab 200 Beschäftigten?

Das fragt unser Leser Burckhard Scheffer. Die Antwort: Familienministerin Schwesig hatte sich für eine Geltung des Gesetzes für Unternehmen ab sechs Beschäftigten eingesetzt. Doch mit ihrem Vorschlag konnte sie sich nicht durchsetzen. In dem Kompromiss einigte man sich dann auf Betriebe mit 200 Beschäftigten. Von dieser Unternehmensgröße an müssen Firmen laut Betriebsverfassungsgesetz auch Betriebsausschüsse bilden. Insofern schien diese Zahl offenbar als Eintrittsschwelle geeignet. Dem Ministerium ist aber durchaus bewusst, dass es Lohnunterschiede auch unterhalb dieser Größe geben dürfte. Die Einbeziehung dieser Gruppe könnte möglicherweise in einer Novellierung des Gesetzes durch die nächste Regierung geschehen – allerdings nicht mehr in dieser Legislaturperiode.

Was kommt auf die betroffenen Unternehmen zu?

Die Firmen müssen auf Anfrage von Mitarbeitern die Vergleichslöhne, die in dem Betrieb bezahlt werden, offenlegen. Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, so soll die Anfrage über diesen gestellt werden. In Firmen ohne Mitarbeitervertretung oder Tarifvertrag müssen sich die Arbeitnehmer direkt an ihren Arbeitgeber wenden. Grundsätzlich soll das Gehalt mit Löhnen von fünf Beschäftigten des anderen Geschlechts verglichen werden. So müssen Frauen als Vergleichsgruppe fünf männliche Kollegen benennen, Männer wiederum fünf Kolleginnen. Die Anfrage muss innerhalb eines Monats beantwortet werden.

Alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollen zudem alle fünf Jahre Prüfverfahren zur Lohngerechtigkeit absolvieren. Auch besteht für diese rund

4000 Firmen mit ihren insgesamt 6,6 Millionen Beschäftigten die Pflicht, regelmäßig über die Gleichstellung in ihrem Konzern zu berichten. Dazu gehört die Beantwortung von Fragen, wie groß die Lohnlücke bei ihnen ist und warum sie besteht.

Was gehört zum Lohnvergleich?

In den Gehaltsvergleich fließen alle Entgeltbestandteile ein. Zur Auskunftspflicht gehören damit auch außertarifliche Leistungen – wie Dienstwagen oder Leistungszulagen.

Was kostet das Gesetz?

Der zusätzliche bürokratische Aufwand für Unternehmen und Behörden beziffert die Familienministerin auf insgesamt fünf Millionen Euro.

Was passiert mit Beschäftigten in kleineren Unternehmen?

Das Familienministerium hat den Auftrag, die Verhältnisse in kleineren Unternehmen durch eine Studie zu erforschen. Aus den Ergebnissen sollen dann weitere Vorschläge für mehr Lohngerechtigkeit entwickelt werden.

Wann soll das Gesetz kommen?

Das Ministerium legt mit den beschlossenen Eckpunkten in Kürze einen Gesetzentwurf vor. Dieser geht wie üblich in die Ressort- und Verbändeabstimmung. Im Dezember soll der Entwurf vom Kabinett verabschiedet werden, im Frühjahr ins Parlament und schon im Sommer – im Juli – in Kraft treten.

Was sagen die Kritiker dazu?

Das Gesetz ist umstritten. Den Grünen und Linken geht der Kompromiss nicht weit genug. Arbeitgeber befürchten ein „Bürokratiemonster“. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, hat massive Zweifel an der Wirksamkeit. Zur Wahrheit gehöre, „dass dieses Gesetz nichts an der statistischen Lohnlücke ändern wird“, sagte Dulger dieser Redaktion.

Dulger fordert, für die Lohngerechtigkeit andere politische Schwerpunkte zu setzen: „Wer nicht nur Showpolitik machen will, sondern wirklich was verändern möchte, sollte uns beispielsweise helfen, Frauen stärker für technische Berufe zu werben.“ Die Lohnlücke entsteht laut Dulger, „weil die Arzthelferin und die für ein Online-Magazin schreibende Publizistikstudium-Absolventin weniger verdienen als die

Fachinformatikerin und die Maschinenbauingenieurin in der Industrie“.