Dallas. Bei Demonstrationen in Dallas erschießt ein Scharfschütze fünf Beamte, sieben weitere werden verletzt.

Tödliche Gewalt in den USA

Das Parkland-Krankenhaus in Dallas gehört zu den Trauerorten in Amerika, die sich tief in das nationale Bewusstsein eingegraben haben. Hier starb US-Präsident John F. Kennedy, nachdem er im November 1963 auf den Straßen der texanischen Millionenmetropole in einem fahrenden Konvoi erschossen worden war. 52 Jahre später musste Bürgermeister Mike Rawlings nun auch wegen einer Tragödie nationalen Ausmaßes das Hospital besuchen.

Fünf Polizisten wurden am Donnerstagabend von mindestens einem schwer bewaffneten Scharfschützen erschossen, als sie in der Innenstadt Demonstrationen der friedlichen Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ (Das Leben von Schwarzen zählt) gegen die jüngsten Fälle von tödlicher Polizeigewalt in Louisiana und in Minnesota absicherten. Sieben weitere Beamte und zwei Teilnehmer des Protestzugs wurden teils schwer verletzt.

Drei Verdächtige, darunter eine Frau afroamerikanischer Herkunft, sind in Polizeigewahrsam. Die Polizei geht aber bisher von einem Einzeltäter aus: Micah Xavier Johnson (25). Er verschanzte sich in einem Parkhaus und wurde nach „langen Verhandlungen“ mit den Behörden durch einen Bombeneinsatz getötet, so Polizeichef David Brown. „Der Verdächtige hat gegenüber unserem Verhandler angegeben, dass er über die jüngsten Fälle von Polizeigewalt, aber auch über die Schwarzen-Bewegung ‚Black Lives Matter‘ verärgert sei. Er gab an, Weiße töten zu wollen, insbesondere Polizisten.“

Johnson war den Angaben zufolge bis April 2015 Armee-Reservist. Zu seiner aktiven Militärzeit soll er nach Medienberichten auch in Afghanistan eingesetzt gewesen sein. Polizeilich in Erscheinung trat der in sozialen Netzwerken mit der gereckten Faust-Geste der „Black Power“-Bewegung zu sehende Afro-Amerikaner bis gestern nicht. Wo Johnson seine Schießkünste gelernt hat, ist unklar. Ebenfalls unklar ist, ob er psychisch krank war.

Präsident Barack Obama, zurzeit beim Nato-Gipfel in Warschau, nannte den folgenschwersten Anschlag auf die Staatsgewalt seit dem 11. September 2001 und dem Bombenattentat von Oklahoma 1995 einen „bösartigen, kalkulierten und verabscheuungswürdigen Angriff auf unsere Sicherheitskräfte“. Er versprach, Hintermänner und Mittäter zur Rechenschaft zu ziehen.

Terrorexperten machten früh geltend, dass Tat und Täter „sehr gut vorbereitet“ gewesen sein müssen. Nach ersten Rekonstruktionen des Geschehens nahm der Heckenschütze von „höher gelegenen Punkten“ in der Stadt den Protestzug und die Polizisten ins Visier. Er war schwer bewaffnet. „Das sieht einfach nicht nach einem Wutausbruch im Affekt aus“, sagte ein ehemaliger FBI-Fahnder dieser Zeitung.

Weil der Schütze damit drohte, mehrere in der Stadt versteckte Bomben zu zünden, wurden umfangreiche Suchaktionen angeordnet. Vorläufiges Ergebnis: falscher Alarm. Die ersten Schüsse fielen gegen 21 Uhr Ortszeit nicht weit von der Dealey Plaza entfernt, wo einst Kennedy gestorben war.

Der Ausnahmezustand in Dallas hielt aber bis gestern an. Auch um die Spurensucher nicht zu stören. Über die Opfer ist so gut wie nichts bekannt. Trotz der vielen Fragezeichen setzte in der Nacht zu Freitag eine ohnehin durch den Wahlkampf polarisierte Debatte ein.