Braunschweig. Autonom seien Autos aber noch nicht, sagt ein Verkehrsforscher.

Die Region wird zum Testfeld für automatisiertes Fahren. Auf den Autobahnen 2, 7, 391 und 39 sowie auf Bundesstraßen und Landstraßen will das Land bald die dafür notwendige Infrastruktur installieren lassen. In Braunschweig ist dies bereits vor Jahren geschehen. Verantwortlich für diese Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Johannes Kaufmann sprach mit AIM-Chef Professor Karsten Lemmer über das neue Projekt.

Herr Professor Lemmer, wann werde ich auf der A2 erstmals von einem Auto ohne Fahrer überholt?

Möglicherweise schon morgen. Um erst einmal die Begriffe zu klären: Die erste Stufe ist assistiertes Fahren. Es gibt auch bereits teilautomatisiertes Fahren. Da übernimmt das Fahrzeug einen Teil der Steuerung, etwa indem es einen konstanten Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hält. Die nächste Stufe nennen wir hochautomatisiertes Fahren. Das bedeutet, dass der Fahrer über längere Zeit die Kontrolle komplett an das Fahrzeug abgibt. Bevor man das in Serie bringen kann, muss es ausführlich getestet werden. Das machen die Hersteller oder Forscher wie wir mit Simulationen im Labor, Testfahrten auf abgesperrtem Gelände und mit Testfahrzeugen im Realverkehr. Darum geht es auch bei dem neuen Projekt. Da ist aber immer ein Sicherheitsfahrer an Bord.

Geht es denn auch um das komplett autonome Fahren?

Autonom hieße, dass das Fahrzeug alleine fährt. Beim hochautomatisierten Fahren kann ein Fahrer die Kontrolle übernehmen. Autonomes Fahren wird es nicht allzu bald in Deutschland geben, weil dafür noch viel Entwicklungsarbeit nötig ist.

Ein Teil des Testfelds sollen exakte Fahrbahnmarkierungen sein. Unser Leser Christian Klarhoefer aus Wolfsburg fragt, welchen Sinn das hat, wo Markierungen doch selten perfekt sind.

Da muss man zwischen dem normalen Straßenzustand und einem Referenzgebiet unterscheiden. In diesem Referenzgebiet braucht man klar definierte Verhältnisse. Wenn man dort also eine etwas verwitterte Markierung hat, muss man genau wissen, was das bedeutet. Das heißt nicht, dass das System nur mit einer solch hochwertigen Ausstattung funktioniert. Sondern es geht darum, definierte Verhältnisse zu erzeugen, um diese für Testzwecke zu verwenden.

Was wird an den Straßen gebaut?

Zunächst wird die Strecke genau kartographiert. Außerdem werden Geräte installiert, die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur ermöglichen. Dadurch kommen Zusatzinformationen in die Fahrzeuge wie zum Beispiel die Informationen einer Schilderbrücke über den lokalen Straßenzustand. Stichwort: Glatteisbildung. Hinzu kommt eine sehr genaue Erfassung der Verkehrslage. Auf der A 39 sollen Kameras und Radarsensoren den Verkehr kontinuierlich beobachten. Interessant ist etwa, wie sich das Verkehrsverhalten ändert, wenn es regnet. Wenn man die Ursachen für verändertes Verhalten klassifizieren kann, ist es möglich, das für Assistenzfunktionen zu nutzen.

Führt das alles dazu, dass es in zehn Jahren weniger Unfälle auf der A2 gibt?

Ja. Zurzeit gehen etwa 90 Prozent aller Fehler im Straßenverkehr auf den Menschen zurück. Wenn es gelingt, die Fehler des Menschen zu korrigieren, ist das ein signifikanter Beitrag für die Verkehrssicherheit. Das typische Beispiel sind Stau-Ende-Unfälle. Häufig sind dabei LKW-Fahrer abgelenkt, die auf das Stauende auffahren. Dafür gibt es bereits Assistenzsysteme. Wenn aber die Information eines bevorstehenden Staus schon früher übertragen wird, muss das Fahrzeug am Stauende keine Vollbremsung machen. Besser noch: Mit automatisierten Systemen könnte der Verkehrsfluss aufrechterhalten werden, so dass kein Totalstau entsteht. Auch das erhöht die Verkehrssicherheit.