Braunschweig. Im Überschwang sprach Zugmarschall Baller gar von 250.000 Besuchern. Ganz so viele waren es nicht – aber fast.

„Brunswiek helau“. Der Schoduvel, der sagenumwobene „Scheuchteufel“ aus dem Braunschweiger Land, hat sich eindrucksvoll zurückgemeldet. Nach einjähriger Zwangspause. Und wie. Mehr als 200 000 bunt kostümierte und frohgelaunte Jecken sollen es laut Veranstalter gewesen sein, die am Sonntag nicht nur die bösen Geister des Winters verscheuchten. Sie haben auch das seit Monaten allgegenwärtige Terror-Gespenst aus den Köpfen der Braunschweiger verjagt, das vor genau einem Jahr der Stadt so übel mitgespielt hat.

Ein denkwürdiger Tag für den Braunschweiger Karneval

„Jetzt erst recht“ – unter diesem Motto feierten die Menschen ein buntes Fest, und vielen merkte man an, wie sehr sie unter der Absage im Vorjahr gelitten haben. Es wurde ein schöner, in Anbetracht der Umstände fast sogar schon ein denkwürdiger Tag für den Braunschweiger Karneval, den sich Oberbürgermeister Ulrich Markurth noch am Morgen so sehr gewünscht hatte.

Und es gab die eine oder andere Überraschung: Nicht wenige rieben sich verwundert die Augen, als sie Schlager-Star DJ Ötzi auf dem Wagen des „Braunschweiger Klüngels“ auszumachen meinten. Den lustigen Österreicher mit seiner unverkennbaren weißen Strickmütze und den heißen Stimmungs-Rhythmen á la „Ein Stern, der deinen Namen trägt“. Ganz nah dran am Original war dieser Schoduvel-Ötzi.

Markurth ließ den schwarzen Anzug im Schrank

Offiziell los ging das Treiben um 11.11 Uhr wie immer beim Empfang des Zugmarschalls in der VW-Halle. 10.50 Uhr. OB Markurth betrat froh gelaunt die Halle, in prächtiger Freibeuter-Montur. Alle, die ihn sahen, wussten sofort: Es sieht gut aus. Kein Vergleich zum Vorjahr, als Markurth im schwarzen Anzug erschien, um eine traurige Nachricht zu überbringen. Schnee von gestern.

In seiner Rede sagte Markurth wenig später: „Ich wünsche mir ganz, ganz viele Menschen an den Straßen, die gut gelaunt sind, und dass wir in ein paar Stunden sagen können: Es war mal wieder ein schöner Zug.“

Und was gibt’s Neues zu berichten? Wir schauen uns um und sehen: Die einjährige Schoduvel-Pause haben viele Jecken genutzt, um ihre Uniformen und Kostüme auf Vordermann zu bringen oder sich als Jeck gar völlig neu zu erfinden.

Zugmarschall Gerhard Baller benötigte einige Minuten, um die anwesende Prominenz zu begrüßen, darunter Innenminister Boris Pistorius, die Spitze des Landtagspräsidiums mit den Herren Busemann und Bachmann, den Braunschweiger und den Hildesheimer Bischof und und und.

Baller erklärte, der Braunschweiger Karneval wolle „heute ein starkes Zeichen setzen für Toleranz und Weltoffenheit“. Und er meinte damit vor allem auch den Wagen der Muslime, der, wie sich zeigen sollte, den Braunschweiger Karneval in mancherlei Hinsicht belebte, optisch wie musikalisch. Eine Bauchtänzerin schwang auf einer kleinen Bühne ihre Hüften, im Takt orientalischer Klänge, dass manchem Zuschauer sichtlich wärmer ums Herz wurde. Was für eine furiose Premiere.

Als der Zug rollte, schaltete alles in den Schoduvel-Modus um

Apropos Zuschauer. Auf die ist Verlass. Sie sorgten, wie gehabt, für prächtige Stimmung an den Straßen, dass Zugmarschall Baller später überschwänglich gar von 250 000 Menschen sprach, aus dem Bauch heraus gezählt, mehr geschätzt. Doch wer wollte ihm da widersprechen? Schon um halb elf Uhr waren die ersten unterwegs, um sich „ihre“ Plätze zu sichern. Eine Goslarerin trafen wir am Altstadtmarkt. Sie sagte: „Wenn ich schon mit dem Zug eine dreiviertel Stunde fahre, will ich auch den besten Platz haben.“

An der Güldenstraße verriet uns ein Clown: „Meine Frau und ich sind jetzt schon da, die anderen kommen nach.“ Pünktlich um 12.40 Uhr setzte sich dann der Zug in Bewegung.