Braunschweig. Die Brennstoffzelle liefert Energie für weite Strecken. Doch in Deutschland es hapert an der Infrastruktur. Es gibt keine Wasserstoff-Tankstellen.

Unser Leser Jörg Pape aus Sickte fragt:

Warum nicht die Brennstoffzelle? Große Reichweite, schnelles Tanken. VW sollte den Anspruch haben, dort in Zukunft der Beste zu sein.

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

„Die Brennstoffzelle ist eine echte Alternative zum batteriebasierten Elektromotor.“
„Die Brennstoffzelle ist eine echte Alternative zum batteriebasierten Elektromotor.“ © Ulrike Krewer, Institut für Energie- und Systemverfahrenstechnik der TU

Auf dem Papier klingt es wie die Lösung aller Probleme: Autos mit Elektromotor, die in wenigen Minuten betankt sind, Reichweiten von 500 Kilometern erreichen und dabei lediglich Wasserdampf ausstoßen. Möglich macht es die „kalte Verbrennung“ in einer Brennstoffzelle. Das Prinzip: Getankter Wasserstoff reagiert mit dem Sauerstoff aus angesaugter Luft zu Wasser. Der dabei stattfindende Elektronen-Austausch wird zur Stromerzeugung genutzt.

Und in der Realität? „Die Brennstoffzelle ist eine echte Alternative zum batteriebasierten Elektromotor“, ist Ulrike Krewer überzeugt. Die Professorin leitet das Institut für Energie- und Systemverfahrenstechnik an der TU Braunschweig.

Warum aber sieht man keine Brennstoffzellen-Autos auf den Straßen? Immerhin stellt Toyota mit dem Mirai, japanisch für Zukunft, seit Ende 2014 ein solches Auto in Groß-Serie her. Andere, auch deutsche Autobauer, haben Kleinserien- oder zumindest Konzeptfahrzeuge entwickelt. Laut Hersteller-Angaben reicht eine Tankfüllung, um den Elektromotor des Mirai mit seinen 155 PS über die Brennstoffzelle für 500 Kilometer mit Strom zu versorgen. Der Wasserstoff-Verbrauch liegt bei 3,6 Litern auf 100 Kilometern.

Das Problem ist der Wasserstoff. „Die Wasserstoff-Tankstellen-Infrastruktur ist in Deutschland stark unterentwickelt, gerade im Vergleich zu Japan“, sagt Professor Krewer. In unserer Region gibt es lediglich eine Tankstation von VW bei Isenbüttel. Die erste öffentliche Wasserstoff-Tankstelle Niedersachsens soll in Hannover gebaut werden.

Eigentlich sollte es 50 solcher Tankstellen in Deutschland geben. So sah es das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) vor, in dessen Rahmen Bund und Industrie gemeinsam den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben wollten. Tatsächlich gibt es aber nur 19 öffentliche Wasserstoff-Tankstellen. Viel zu wenig, wie der Vergleich zeigt: Erdgas kann an rund 1000 Stationen getankt werden, Benzin und Diesel an mehr als 14 000 Zapfsäulen. Immerhin: Die für 2015 vorgesehenen 50 Tankstellen sollen nun 2016 fertig sein. Bis 2023 sind sogar 400 solcher Tankstellen in Deutschland geplant.

Doch selbst wenn Wasserstoff überall zur Verfügung stünde, bliebe die Frage nach der Klimabilanz. Schließlich appelliert die Brennstoffzellen-Technologie vor allem an das Umweltbewusstsein des Autokäufers. Ein Problem: Wasserstoff ist ein Gas. Um es platzsparend in Tanks unterzubringen, ist hoher Druck notwendig. Beim Mirai sind es 700 bar. Die Kompression benötigt rund zwölf Prozent der im Wasserstoff gespeicherten Energie. Außerdem ist die Herstellung von Wasserstoff energie-intensiv. „Dieses Problem ließe sich lösen, wenn man überschüssige Windenergie für die Zerlegung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff nützte“, sagt Krewer. Der Wirkungsgrad bei dieser Elektrolyse sei dabei nicht relevant, schließlich sei die Alternative, die Windräder bei Windüberschuss abzustellen.

Ist VW bei der Brennstoffzelle denn auf dem Weg an die Spitze, wie unser Leser es fordert? Die Ingenieurin sieht die deutsche Auto-Industrie da eher im Hintertreffen. Sie habe sich in den vergangenen Jahren stark auf Batterien konzentriert. Nun stehe sie unter Druck, den Abstand zu den asiatischen Konkurrenten aufzuholen.

Dabei stehen die beiden Technologien eigentlich nur teilweise in Konkurrenz zueinander, ist Krewer überzeugt: „Das Brennstoffzellen-Auto wird immer ein Hybrid sein“. Die Brennstoffzelle sorge für die Reichweite, eine zusätzliche Batterie für eine kurzfristige Leistungssteigerung. Das ermögliche es auch, die teure Brennstoffzelle zu verkleinern.

Denn die Kosten sind ein weiteres Problem. Der Mirai kostet in den USA, wo er vor allem für den umweltbewussten kalifornischen Markt interessant ist, mindestens 57 500 Dollar. In Deutschland ist er gar erst ab 78 540 Euro erhältlich. Viel zu viel, um eine echte Alternative zu Benzin und Diesel zu sein. Die japanische Regierung fördert daher jeden Kauf eines Mirai in Japan mit umgerechnet rund 14 000 Euro. Damit sinkt der Preis dort auf etwa 33 000 Euro.

Ohne ähnliche Subventionen wird es die Brennstoffzelle auch auf lange Sicht schwer haben in Deutschland. Und in Verbindung mit der mangelhaften Tankstellen-Infrastruktur fürchtet Ulrike Krewer: „Ohne Forderungen der Automobilindustrie an Gaslieferanten und Politik, aber insbesondere auch Eigeninitiative, werden wir hier nicht weiterkommen – und das Brennstoffzellen-Auto bleibt ein Traum für das nächste oder übernächste Jahrzehnt.“