Hannover. Der Landtag debattiert über die VW-Affäre.

Eines wollte Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) in eigener Sache zu Protokoll geben.

„Und um auch eines unmissverständlich festzustellen: Auch Minister Olaf Lies und ich persönlich haben erst am 18./19. September erstmals von diesem Vorgang Kenntnis erlangt, und zwar aus den Medien“, sagte Weil am Dienstag im Landesparlament.

„Unterrichtung des Niedersächsischen Landtages über die Krise bei der Volkswagen AG im Zusammenhang mit der Manipulation von Diesel-Abgaswerten“ lautete der Tagesordnungspunkt, unter dem Weil den Landtag offiziell informierte. Im Wirtschaftsausschuss des Landtags hatte das bereits Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) getan. Lies vertritt zusammen mit Weil den Anteilseigner Niedersachsen bei VW im Aufsichtsrat. Weil sitzt auch in der VW-Machtzentrale, dem „Präsidium“ des Aufsichtsrats.

Die Landesregierung also hatte keine Ahnung, VW wiederum hätte laut Weil viel früher hellhörig werden müssen. Im Herbst 2014 seien erstmals Abweichungen zwischen Labortests und Straßentests bei VW-Dieselfahrzeugen in den USA festgestellt worden. Danach habe es länger als ein Jahr Gespräche zwischen US-Behörden und Volkswagen gegeben, bis VW die Manipulation eingeräumt habe. „Dieses Eingeständnis hätte klar und deutlich sehr viel früher erfolgen müssen - ein weiterer schwerer Fehler“, betonte Weil im Parlament. Der folgte dem Grundfehler – der Manipulation der Abgaswerte mittels Software.

VWs USA-Chef Michael Horn will nach eigenen Angaben im Frühjahr 2014 erstmals von Unregelmäßigkeiten bei den Dieselmotoren erfahren haben und mehrfach auch nach Deutschland gemeldet haben, dass „wir hier ein Problem haben“. So erzählte Horn es im US-Repräsentantenhaus bei einer Anhörung. Doch die Spurensuche in der Zentrale erweist sich als zäh. Die externen Ermittlungen, die die US-Kanzlei Jones Day im Auftrag von VW betreibe, würden wohl noch einige Monate dauern, prophezeite Weil im Landtag. Wenn der Aufsichtsrat von den Auseinandersetzungen mit den US-Behörden offenbar nichts erfahren habe, sei dies ein „Fehler im System“, sagte der CDU-Abgeordnete Dirk Toepffer im Parlament. Toepffer geht allerdings davon aus, dass Informationen über US-Manager Horn nach Wolfsburg gelangten. Ex-Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP), während seiner Amtszeit selbst im VW-Aufsichtsrat, warf der Landesregierung unzureichenden Aufklärungswillen vor. Es sei erschreckend, dass die Landesbeteiligung bei VW einen solchen Betrugsfall nicht verhindern konnte. „Dafür kann man sich nur schämen“, erklärte Bode.

Die Grünen wiederum können sich gestärkt sehen: Der heutige Landesumweltminister Stefan Wenzel (Grüne) hatte früher für Forderungen nach einer stärkeren Umweltausrichtung der VW-Modelle oft Prügel bezogen. Fraktionschefin Anja Piel sprach sich im Parlament erneut für einen „Umweltvorstand“ im VW-Vorstand aus, eine Antwort der Grünen auf den Abgas-Skandal.

Zu den Software-Tricks zwecks geschönter Abgaswerte ging Weil im Parlament erneut auf Distanz, die Verbundenheit des Landes mit VW betonte er. Und stellte auch heraus, dass die modernen VW-Produkte gerade auch in ökologischer Hinsicht eine hohe Qualität aufwiesen. Das ist die eine Botschaft, die Weil in der Debatte zu kurz kommt. Die andere ist der Kurs des Konzerns für mehr Eigenständigkeit der Marken, vor Bekanntwerden der Affäre angestoßen, wie Weil betonte. „Volkswagen ist eine Perle der deutschen Industrie und ein Unternehmen, für das es sich zu kämpfen lohnt“, betonte Weil. Die Affäre bedeute auch die Chance für einen Neuanfang.

Am Mittwoch dürfte der Ton in Sachen VW schärfer werden: Die FDP hat eine Anfrage eingereicht, ob die Landesregierung in der Affäre Einfluss auf die Staatsanwaltschaft Braunschweig genommen hat. Die hatte erklärt, gegen Ex-VW-Chef Winterkorn zu ermitteln, dementierte das dann.