Braunschweig. Bildungsforscher kritisieren, dass der Umgang mit digitalen Medien in der Lehrer-Ausbildung zu kurz kommt. Obwohl Whiteboards auf dem Vormarsch sind.

Unser Leser Steven Günther schreibt auf unseren Internetseiten:

Whiteboards finde ich äußerst praktisch, vor allem für Präsentationen, aber mancher Lehrer gehört zur alten Generation der Technikverweigerer. Die Lehrer sollten im Umgang damit geschult werden.

Die Antwort recherchierte Anja-Carina Riechert

„Digitale Medien bringen die Gefahr mit sich, dass sich Schüler nur noch Informationshäppchen holen und der Lehrstoff an der Oberfläche bleibt.“
„Digitale Medien bringen die Gefahr mit sich, dass sich Schüler nur noch Informationshäppchen holen und der Lehrstoff an der Oberfläche bleibt.“ © Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes

Die Frage spielt an auf den Vormarsch digitaler Medien in fast allen Bereichen. Wie dieser Vormarsch in der Schule aussehen kann, zeigt etwa die Gesamtschule Volkmarode in Braunschweig – eine der ersten Schulen in Niedersachsen, in der die Lehrer bereits 2012 Tablets im Unterricht eingesetzt haben.

Auch interaktive Whiteboards – digitale Tafeln – gibt es in der Schule. Mit einem Beamer werden die Inhalte vom Computer oder Tablet auf die Leinwand gebracht. „Das ist bei uns alltäglich, und wir erreichen die Schüler besser, wenn wir die Informationen mit ihren Mitteln rüberbringen“, sagt Schulleiter Christian Düwel.

Die Tablet-PCs gehören für die Schüler zu den gewohnten Unterrichtsmaterialien wie Blöcke, Bücher und Stifte. „Wir recherchieren für Referate im Internet, schreiben Texte, erstellen Präsentationen, machen Videos, komponieren im Musikunterricht mit einer App Lieder oder machen Fotos vom Versuchsaufbau“, sagt Nora Englisch, Klassensprecherin der 8.4. Eine wichtige Rolle spiele natürlich die Vermittlung von Medienkompetenz, betont Anne Wille, didaktische Leiterin in der Gesamtschule. „Wir bringen den Schülern bei, im Zuge der Internetrecherche kritisch mit Quellen umzugehen und klären medienrechtliche Fragen.“

Dass die elektronischen Medien in Klassenzimmern immer wichtiger werden, stößt manchen Kritikern sauer auf. So sieht der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, eine Gefahr darin, „dass sich Schüler nur noch Informationshäppchen holen und der Lehrstoff an der Oberfläche bleibt“. Kraus spricht von zunehmender Flüchtigkeit und nachlassender Aufmerksamkeit und warnt vor einer totalen Digitalisierung des Unterrichts.

„Die Kreidezeit überwinden“

Der Präsident des Branchenverbands Bitkom, in dem sich Unternehmen der digitalen Wirtschaft zusammengeschlossen haben, ist ganz anderer Ansicht. Er verlangt, die Kreidezeit in den Schulen zu überwinden. „Unsere Kinder brauchen Medien- und IT-Kompetenzen in praktisch allen Berufen sowie im Alltag“, sagt Achim Berg. In jedes Klassenzimmer gehöre eine digitale Tafel.

Ob digitale Medien im Unterricht funktionieren, hängt vor allem vom pädagogischen Konzept der Lehrkraft ab, darin sind sich die Experten einig. Bardo Herzig, Bildungsforscher an der Uni Paderborn, sagt: „Lehrer können den Unterricht mit Animationen oder interaktiven Simulationen bereichern. So werden Schülern Lernmöglichkeiten eröffnet, die mit einem Modell oder einem Buch nicht möglich sind. Im naturwissenschaftlichen Unterricht können so etwa komplizierte Prozesse einfach zugänglich gemacht werden.“

Mit Tablets verfüge jeder Schüler über eine eigene digitale Lernumgebung. Seine Präsentation könne er allen anderen dann am Whiteboard zur Verfügung stellen. So würde das Lernen einerseits individueller, andererseits würde aber auch die Gruppenarbeit gefördert, meint Herzig. „Das ist anders, als wenn man in der Klasse sitzt und nur aufnimmt, was der Lehrer erklärt.“

Bei den meisten Schülern kommen die interaktiven Whiteboards und Tablets gut an. „Sie lockern den Unterricht auf und fördern die Gruppenarbeit“, sagt Manos Lagos aus der 8.4 in der Gesamtschule Volkmarode. Allerdings würden nicht alle Lehrer die Geräte in den Unterricht integrieren. „Manche sperren sich auch dagegen, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“, sagt der 14-Jährige.

Wenig Kompetenz mit Computern

Und das hat Auswirkungen auf die Kompetenz der Schüler. Bei der internationalen ICILS-Studie testeten Forscher Achtklässler in 20 Ländern auf ihre „computer- und informationsbezogenen Kompetenzen“. Das Ergebnis: Deutschland liegt im Mittelfeld, jeder dritte Achtklässler erreicht nur niedrigste Niveaustufen. Deutlich besser schnitten Gleichaltrige aus der Tschechischen Republik, Kanada, Australien, Dänemark, Polen, Norwegen, Korea und den Niederlanden ab.

Vielleicht liegt das daran, dass in deutschen Klassenzimmern digitale Medien vergleichsweise selten eingesetzt werden – rechnerisch teilen sich 11,5 Schüler einen PC, in Norwegen sind es dagegen nur 2,4 Schüler – und die Lehrer schlecht im Umgang mit IT ausgebildet sind. Zudem spielten in vielen Fachlehrplänen Neue Medien noch kaum eine Rolle.

Die medienpädagogische Kompetenz der Lehrer zu steigern, sieht Herzig daher als größte Herausforderung. „In der Lehrerausbildung kommt der Einsatz digitaler Medien nur bedingt vor. Es hängt davon ab, wo man studiert und welche Seminare man besucht, ob man mit dem Thema überhaupt in Kontakt kommt.“

In der Weiterbildung sehe es nicht besser aus. Im internationalen Vergleich besuchten Lehrkräfte in Deutschland nur selten Fortbildungskurse zu digitalen Medien, am seltensten übrigens, wenn sie am Gymnasium sind.

INVESTITIONEN

40 Millionen Euro hat das Land Niedersachsen im Rahmen des Konjunkturpake-

tes II in die Ausstattung für mobiles Lernen investiert. Die Schulenhaben u.a. Whiteboards beschafft.

28 Millionen Euro Sponsorengeld hat zudem der Verein „n-21: Schulen in Niedersachsen online“ bisher zusätzlich zu den Investitionen des Landes beigesteuert. Der Verein wurde im Jahr 2000 gegründet. Mitglieder sind neben dem Land die kommunalen Spitzenverbände, Wirtschaftsunternehmen und soziale Gruppen. ari