Braunschweig. Ein Symposium der Braunschweiger Polizei erläuterte neueste Internet-Phänomene.

Unsere Leserin Andrea Kalchgruber aus Braunschweig stellt fest:

Ich möchte wissen, was meine Kinder am Computer machen – und es eigentlich auch so gut können wie sie.

Zum Thema recherchierte Dirk Breyvogel

Ein bisschen überfordert Medienpädagogin Tanja Witting ihre Zuhörer beim Symposium Internetkriminalität in der Polizeidirektion Braunschweig. „Kennen Sie Bibi? Oder Dagi?“, fragt die Professorin und kann an der Zahl der Finger, die im Raum hochschnellen, sehen, dass hier Aufklärungsbedarf besteht. Auch Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth, der im Publikum sitzt, muss passen. Witting, die an der Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel die Professur „Kunst und Medien in der Sozialen Arbeit“ inne hat, führt in ihrem Eröffnungsvortrag eindrucksvoll vor, was Jugendliche im Internet suchen, wer sie anspricht und welche Gefahren lauern.

Bibi und Dagi gehören dazu. Vor ihnen muss man allerdings keine Angst haben. Sie geben Schminktipps, packen vor laufender Kamera in knappen Outfits Einkauftaschen aus und kreischen ihre modischen Schnäppchen dem Betrachter entgegen. „Eine gelbe Jeans“, ruft Bibi euphorisch. Um zu ergänzen: „Es gab auch eine in rosa, aber nicht in meiner Größe.“ Dabei wirkt Bibi natürlich. „Sie sind keine Models, keine It-Girls mit Silikon-Brüsten. Sie spiegeln auch das Mädchen von nebenan wieder. Das erklärt ihren Erfolg.“

Von dem können Bibi und Dagi gut leben. Sie haben mittlerweile jeweils mehr als eine Million Abonnenten und verdienen mit, wenn die Jugendlichen im Anschluss an das Video auch noch ein Produkt kaufen. „Firmen nutzen das Umfeld dieser Videos für Werbung.“ Die Wissenschaftlerin stellt den jugendlichen Internetnutzer als einen dar, der ständig nach seiner Identität sucht. Er tut dies, indem er sich unterhalten lässt, selbst kommuniziert, sich informiert oder schlicht im Internet einkauft. „In dieser Phase des Lebens, auf dem Weg zum Erwachsenen, kämpfen viele mit einem Anerkennungsvakuum“, sagt Witting. Deshalb seien gerade Jugendliche anfällig dafür, sich bei „Streaming“-Plattformen wie „YouKnow“ zu offenbaren. Witting präsentiert einen weiteren Clip. „Zeig’ Deinen BH“, heißt es dort. „Zeigst Du ab 20 Uhr mehr?“, fragt ein anderer im Chat, der unmittelbar neben dem laufenden Video aus dem Kinderzimmer eines Mädchens für jedermann anzusehen ist. „Mit der Chat-Funktion wird der Zuseher zum Regisseur.“ Perfekt für Pädophile?

Witting kommt zu dem Schluss, dass im Umgang mit dem Internet der Ratschlag der Polizei, möglichst wenig Daten von sich im Internet zu hinterlegen, zwar richtig ist. Diese Warnung würde ihr Ziel aber oftmals verfehlen. „Es ist ja gerade die Suche nach der Anerkennung, die viele treibt. Nichts ist schlimmer, als im Internet gemobbt zu werden, aber gleich danach kommt, ignoriert zu werden.“ Dafür müssten die Jugendlichen Dinge von sich preisgeben, die sie später auch mal bereuen könnten.

Senioren und die Frage: Wie richte ich den Router ein?

Beim Symposium hat zum ersten Mal die Öffentlichkeit die Chance, in Schnupper-Schulstunden das „Einmaleins des Internets“ zu erlernen. Polizeioberkommissarin Claudia Czerwinsky und ihr Kollege Oliver Heyms führen durch das Programm, das Basiswissen vermitteln soll. „Es geht beim Kauf des Computers los und endet bei der Installation von Anti-Viren-Programmen oder des Routers“, sagt Heyms.

Aufklärung leisten auch Rosi Fuhrmann und Heino Mattner vom „Internet-Cafe 50plus“ aus dem Louise-Schroeder-Haus. Neben der Anleitung, wie eine Mail geschrieben wird, geht es vielen Senioren oft um die Datensicherheit in der virtuellen Welt. Wie merke ich mir meine Passwörter? Eine Frage, die sich nicht nur älteren Semestern stellt.