Braunschweig. Ein Virologe erklärt, warum es noch kein sicheres Mittel gegen das Virus gibt – und warum ein Grippe-Mittel helfen könnte.

Ebola-Verbreitung in Afrika

Das Ebola-Virus breitet sich im Westen Afrikas aus – mit dramatischen Folgen. Die Bevölkerung leidet, auch ausländische Helfer erkranken an dem Virus. Über die Schwierigkeiten, die Krankheit zu bekämpfen, sprach Jens Gräber mit dem Marburger Professor Stephan Becker. Er koordiniert die Forschung an neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Deutschen Zentrum für Infektionsforschung.

Warum gibt es noch kein wirksames und erprobtes Mittel gegen Ebola?

„Der aktuelle Ebola-Ausbruch kann durch Impfstoffe nicht gestoppt werden.“
„Der aktuelle Ebola-Ausbruch kann durch Impfstoffe nicht gestoppt werden.“ © Stephan Becker, Virologe und Professor in Marburg.

Man muss sich vor Augen halten, dass das Ebola-Virus, obwohl es eine dramatische Erkrankung ist, in den letzten 40 Jahren relativ selten vorkam. Bis zum Beginn des aktuellen Ausbruchs waren es vielleicht 2000 bekannte Fälle. Bei einer Erkrankung, die so selten auftritt, ist es oft sehr schwer, Geldgeber für die Erforschung zu finden. Und noch schwerer ist es, Medikamente oder Impfstoffe dagegen zu entwickeln.

Weil man dem Ebola-Virus allerdings zutraute, dass es auch von Bio-Terroristen eingesetzt werden könnte, ist vor allem in den USA viel Geld in Versuche geflossen, Impfstoffe und Medikamente dagegen zu entwickeln. Das Problem ist nur, dass der endgültige Beweis, dass diese Medikamente beim Menschen wirken können, nicht geführt worden ist. Die notwendigen klinischen Studien sind nie angegangen worden, weil dann niemand mehr geglaubt hat, dass man die Mittel wirklich braucht.

Unser Leser Dirk Volkmann fragt: Die Pharmaindustrie forscht gewinnorientiert. Wie können die Unternehmen dazu gebracht werden, sich verstärkt mit vernachlässigten Krankheiten zu beschäftigen?

Man kann den Pharmaunternehmen kaum vorwerfen, dass sie nichts machen, wenn sie glauben, es bringt sowieso kein Geld. Das Problem ist außerdem, dass es noch viele andere seltene Krankheiten gibt, gegen die wir keine Mittel haben. Ebola bekommt im Moment nur besonders viel Aufmerksamkeit.

Wir können deshalb nicht nur auf Pharmaunternehmen hoffen, sondern müssen als Akademiker und Forscher andere Strategien entwickeln, wie man mit solchen Ausbrüchen von Krankheiten umgeht, die plötzlich kommen und dramatische Auswirkungen haben.

Man braucht zum Beispiel Möglichkeiten, schnell Impfstoffe herzustellen. Das dauert normalerweise Jahre bis Jahrzehnte – viel zu lange in einem Fall wie dem Ebola-Ausbruch. Schneller geht es mit Impfstoffen, die man nach einem Baukasten-System zusammenbaut. Man hat also eine Plattform für einen Impfstoff und muss dort nur noch Informationen über das neue Virus einfügen.

Einige Ebola-Medikamente gibt es schon, zum Beispiel den Antikörper-Coktail ZMapp oder das Mittel TKM-Ebola. Sie werden als experimentell bezeichnet. Was heißt das?

Bei all diesen Mitteln fehlen die Tests an Menschen – sowohl, was die Sicherheit als auch, was die Wirksamkeit angeht. Setzte man die jetzt in Afrika in größerem Stil ein, würden die Menschen allein aus Verzweiflung sicher fast alles nehmen. Aber es ist ethisch nicht vertretbar, die Sicherheit völlig außer Acht zu lassen. Wir planen erste klinische Studien für zwei Impfstoffe, eine davon wird auch in Deutschland laufen. Was ZMapp oder TKM-Ebola angeht, so gibt es gar keine ausreichenden Mengen dieser Wirkstoffe, um sie weiter zu testen. Es wird daran gearbeitet, mehr herzustellen, das wird aber noch eine Weile dauern.

Auch das japanische Grippemittel Favipiravir ist als Medikament gegen Ebola im Gespräch. Wie kann ein Medikament gegen zwei verschiedene Viren wirken?

Grippe- und Ebola-Viren haben eine Ähnlichkeit. Ihre Erbinformation wird von einem Eiweiß vervielfältigt, das man Polymerase nennt. Tatsächlich ähnelt das Eiweiß beim Grippe-Virus entfernt dem, das man beim Ebola-Virus findet. Es ist also plausibel, dass das gleiche Mittel beide Polymerasen und damit auch die Vermehrung beider Viren hemmen könnte. Das konnte man bei Versuchen mit Mäusen schon zeigen – ob es beim Menschen genauso ist, wissen wir aber noch nicht.

Den Körper mit einer Impfung gegen das Virus immun machen oder die Vermehrung des Virus hemmen – sind das die beiden wesentlichen Ansätze der Forschung?

Ja, das kann man so sagen. Beim Vermeiden der Vermehrung kann man noch einmal zwei Mechanismen unterscheiden: Einerseits den beschriebenen Ansatz, ein zur Vermehrung notwendiges Eiweiß zu hemmen. Andererseits kann man Antikörper einsetzen, die das Virus bekämpfen, ohne dass das Immunsystem des Patienten sie erst bilden muss. Das ist die sogenannte passive Impfung.

Wann ist mit einer Impfung oder einem Medikament gegen Ebola zu rechnen?

Selbst wenn man jetzt klinische Studien zum Beispiel für die Impfstoffe mit einer nie dagewesenen Geschwindigkeit durchziehen würde, könnten frühestens gegen Ende des Jahres die Daten vorliegen. Dann wüsste man aber immer noch nicht, ob der Impfstoff Menschen schützt. Das müsste man in einer Ausbruchssituation versuchen, herauszufinden. Das bedeutet, der aktuelle Ausbruch kann durch diese Impfstoffe nicht gestoppt werden. Man muss ihn anders bekämpfen.

In Sierra Leone soll eine mehrtägige Ausgangssperre helfen, das Virus zu bekämpfen. In dieser Zeit sollen Teams von Haus zu Haus gehen, um Ebola-Verdachtsfälle zu identifizieren. Ist dieses Vorgehen sinnvoll?

An sich ist das sinnvoll, um eine Epidemie einzudämmen. Aber ob das in der Praxis in Sierra Leone funktioniert, ist fraglich. Wenn die Menschen drei Tage zu Hause bleiben sollen, brauchen sie genug zu essen. Man muss dafür sorgen, dass die Bevölkerung genug Vertrauen hat, um sich einer solchen Maßnahme zu unterwerfen. Das sehe ich nicht.