Braunschweig. Experten schlagen eine Reform des Wahlrechts vor.

Unser Leser Volker Mewes aus Braunschweig fragt:

Wie soll eine Wahlrechtsreform aussehen, die gerechter ist als die derzeitige?

Die Antwort recherchierte Katrin Teschner

„Die integrierte Stichwahl ist eine Alternative. Sie ist gerecht und einfach anzuwenden.“
„Die integrierte Stichwahl ist eine Alternative. Sie ist gerecht und einfach anzuwenden.“ © Björn Benken, Mitglied der „Aktion Wahlreform“

Wenn die Parteien über das Für und Wider von Stichwahlen streiten – kann es einen Kompromiss geben? „Ja“, sagt der Braunschweiger Björn Benken von der „Aktion Wahlreform“: „Die integrierte Stichwahl ist eine Alternative, sie ist gerecht und einfach anzuwenden.“ Und es ist nur ein Wahlgang nötig.

Das Verfahren geht so: Die Wähler bekommen in ihrem Wahllokal den gewohnten Stimmzettel ausgehändigt. Darauf können sie dann statt eines Kreuzes alternativ Ziffern eintragen und damit schon beim ersten Wahlgang ihre Entscheidung für den Fall einer Stichwahl erklären.

Der bevorzugte Kandidat erhält die Ziffer 1, die zweite Wahl die Ziffer 2, die Drittpräferenz die 3 und so weiter. Es steht dem Wähler frei, ob er alle oder nur einen Teil der Kandidaten durchnummeriert, er kann auch nur einen einzigen kennzeichnen. Wer wie gewohnt ein Kreuz hinter einem Kandidaten gemacht hat, hat ebenfalls eine gültige Stimme abgegeben.

Bei der Auszählung werden zunächst nur die Erststimmen berücksichtigt. Wenn kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, müssen die Stimmzettel ein zweites Mal ausgezählt werden und die Rangfolge mit den Ziffern kommt ins Spiel. Nacheinander wird jeweils der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus dem Rennen genommen.

„Die Bürger müssen nicht noch mal extra an die Wahlurne gehen, sondern die Stimmzettel müssen lediglich ein zweites Mal ausgezählt werden“, sagt Benken, der zurzeit den Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags in dieser Angelegenheit berät. Die Gemeindekassen würden weniger belastet, die Beteiligung an einem zweiten Wahlgang wäre vermutlich höher.

„Der Wählerwille wird insgesamt besser abgebildet“, ist Benken überzeugt. Denn bei der herkömmlichen Stichwahl würden viele Wähler, die im Hauptwahlgang ihre Stimme abgegeben haben, zu Hause bleiben – teilweise in der Annahme, dass der Vorsprung des Führenden nicht mehr einholbar sei. Das könne sich als fataler Irrtum herausstellen. So verlor zum Beispiel bei der Oberbürgermeisterwahl 2006 in Oldenburg der SPD-Kandidat einen 43,4 zu 26,8-Prozent-Vorsprung noch an den CDU-Kandidaten.

Auch Tim Weber vom Verein „Mehr Demokratie“ wirbt für das Modell der integrierten Stichwahl: „Es ist ein intelligentes System, das auch bei anderen Wahlen angewandt werden könnte.“ In anderen Ländern werde es bereits erfolgreich praktiziert.

WAHLBETEILIGUNG

Wahlbeteiligung bei Stich-

wahlen 2006 in Prozent

(1. Wahlgang/Stichwahlen)

Salzgitter: 45,9/41

Wolfsburg: 46/33

Landkreis

Wolfenbüttel: 55,8/35,3

Samtgemeinde

Isenbüttel: 53/35,6

Samtgemeinde Asse: 61,7/48,2