Braunschweig. Gemessen an der Besucherzahl war die Ausstellung „Roms vergessener Feldzug – Die Schlacht am Harzhorn“ die erfolgreichste im Landesmuseum.

Gemessen an der Besucherzahl war die Ausstellung „Roms vergessener Feldzug – Die Schlacht am Harzhorn“ die erfolgreichste im Braunschweigischen Landesmuseum seit mehr als zehn Jahren. Im Gespräch mit historisch interessierten Lesern analysieren die Organisatoren Heike Pöppelmann und Michael Geschwinde die Gründe für den Erfolg und blicken voraus auf kommende Projekte.

Sabine Stegmann: Fast 70 000 Menschen sollen die Römer-Ausstellung besucht haben. Haben sie diesen Erfolg erwartet?

Pöppelmann: Wir können die Zahl mittlerweile genau beziffern auf 68 264 Besucher. Wir haben noch hinter jeder Vitrine gesucht, um auf die magischen 70 000 zu kommen. Aber das haben wir nicht ganz geschafft. Es ist trotzdem ein großer Erfolg, der sicher auch in der Art und Weise begründet ist, wie wir die Ausstellung gemeinschaftlich mit vielen Beteiligten organisiert haben. Die Wissenschaftler, die seit 2008 am Harzhorn forschen, waren ebenso integriert wie die Museumspädagogen und die Gestalter – dieses magische Vieleck hat funktioniert.

Stegmann: Resultierte der Ausstellungserfolg aus dem Thema Römer, das Menschen jeden Alters fasziniert, oder aus der sehr lebendigen Umsetzung?

Pöppelmann: Erstmal muss eine gute Idee da sein. Die war durch den Fundplatz gegeben und dessen sensationelle Entdeckung im Jahr 2008. Die sehr gute Erforschung des Harzhorns war durch die Denkmalpflege und die Wissenschaftler ja schon erbracht. Wir haben daraus dann eine Ausstellungserzählung gemacht.

Geschwinde: In der Ausstellung wurde ja nicht nur eine gute Geschichte erzählt, sondern eine Reihe guter Geschichten, die sich überlagern. Da ist die Geschichte der römischen Expeditionen ins Innere Germaniens, die eigentlich in der historischen Überlieferung verschollen waren und jetzt durch die Ausgrabungen wiederentdeckt wurden. Da ist aber auch die Geschichte der Entdeckung selbst. Archäologen können nur selten Geschichten erzählen – aber dann machen sie es mit Begeisterung, und die hat sich auf die Besucher übertragen.

Stegmann: In der Ausstellung haben Sie erst das dritte Jahrhundert beleuchtet und dann die Geschichte um Maximinus Thrax erzählt. Erst in hinteren Räumen haben Sie das Gros der Harzhorn-Funde gezeigt. Hat das die Besucher irritiert?

Geschwinde: Wir wollten die Geschichte der Schlacht erzählen. Dazu mussten wir erstmal eine römische und eine germanische Armee aufmarschieren lassen, um zu zeigen, wie die eigentlich aussahen. Erst dann konnten wir auf die analytische Ebene gehen. Die Besucher konnten sich selbst in die Rolle von Archäologen versetzen und versuchen, die Ausrüstung aus den Funden zu rekonstruieren. Ich kann das Fragment eines römischen Helmes ja erst identifizieren, wenn ich vorher Helme gesehen habe. Aber hätte man römische Helme direkt neben diese Fragmente gestellt, dann hätten sie sie mit ihrer optischen Wirkung erschlagen.

Pöppelmann: Wir haben die Besucher ja auf drei Ebenen angesprochen: Als Historiker, wenn es allgemein um das Verhältnis zwischen Römern und Germanen ging. Als Zeitreisende, die die römischen Truppen auf diesem Feldzug begleiten konnten. Und als Archäologen, die das Szenario rekonstruieren konnten.

Maximilian Werner: Meinen Sie, dass die Ausstellung das allgemeine Interesse der Besucher an Geschichte erhöht hat?

Pöppelmann: Das ist schwer zu sagen. Aber schauen wir einmal auf die reinen Zahlen: Wir haben fast 4000 Kurzführer verkauft und mehr als 2000 Kataloge. Es sind nur noch 950 Exemplare übrig, und es kommen täglich weitere Bestellungen herein. Auch daran kann man das Interesse an dem Thema ablesen.

Evelyne Gundermann: Wer hat die Kosten der Ausstellung getragen? Hat die Stadt Braunschweig sich beteiligt?

Pöppelmann: Nein. Das Budget lag bei 1,8 Millionen Euro. Rund 40 Prozent hat das Land getragen. 30 Prozent haben Stiftungen zugeschossen, der Rest waren eigene Mittel. Wichtig finde ich, dass bei einer so großen Ausstellung das Museum auch einen langfristigen Nutzen hat. Wir haben es geschafft, in dieser Zeit die Fassade zu sanieren, übrigens auch mit Mitteln des Bundes. Wir haben im ersten Stock fast 1000 Quadratmeter der alten Dauerausstellung von 1989 weggeräumt. Wir konnten eine zeitgemäße Beleuchtung und eine Teilklimatisierung installieren – und das alles samt Planung in weniger als einem Jahr. So ein Projekt kann eine unheimliche Sogkraft entfalten.

Gundermann: Wie viele Schulklassen haben die Schau besucht?

Pöppelmann: Wir haben 1160 Führungen angeboten. Davon waren 416 für Schulklassen.

Werner: Wie kam die Ausstellung bei Schülern und Lehrern an? Die Antike kommt im Geschichtsunterricht ja nicht so oft zum Tragen.

Pöppelmann: Die Schulklassen haben so zahlreich gebucht, dass wir auch am Montag für sie geöffnet haben, um den Anfragen nachzukommen. Uns war es wichtig, dass sie genügend Zeit für die Schau hatten. Die Führungen sollten nicht zu eng getaktet werden, weil es zum Schluss den Raum zum selber Probieren gab. Vieles, was sie vorher in Vitrinen gesehen hatten, konnten die Schüler hier rekonstruiert selbst in die Hand nehmen: Wie fühlt sich denn so ein genagelter römischer Schuh an, wie schwer ist so ein Helm?

Stegmann: Was geschieht jetzt mit den Funden? Wo kommen die nun hin?

Geschwinde: Sie liegen im Institut der Denkmalpflege in Braunschweig in einem speziell klimatisierten Raum. Wir sind weiter dabei, das Fundmaterial aufzuarbeiten. Zwei Drittel der Objekte sind bereits zeichnerisch dokumentiert, alles ist fotografisch dokumentiert. In den nächsten zwei Jahren wollen wir drei wissenschaftliche Bände zum Harzhorn herausbringen. Danach werden die Funde an das Landesmuseum übergeben. Einige der frühen, ersten Funde gehören allerdings partiell einem der Grundeigentümer. Da muss noch eine dauerhafte Lösung gefunden werden.

Werner: Ist es möglich, dass es durch neue Funde erneut eine Ausstellung geben wird?

Geschwinde: Vielleicht keine Sonderausstellung. Wenn das Landesmuseum aber über eine neue archäologische Dauerausstellung nachdenkt, dann würde ich mir natürlich wünschen, dass das Harzhorn da einen prominenten Platz bekommt. Aber auch das ist natürlich eine Geldfrage, auch dafür benötigt man ein wissenschaftliches und ein mediales Konzept.

Gundermann: Das Harzhorn ist ja nun bekannt. Wie sehen dort die Sicherheitsvorkehrungen aus?

Geschwinde: Wir sind im Gelände weiter präsent, auch die Polizei und vor allem die Anwohner. Die identifizieren sich mit dem Harzhorn und passen wirklich auf. Die Prospektionsarbeiten waren zuletzt sehr mühsam. Teilweise sind wochenlang keine neuen Funde mehr aufgetreten. Für Schatzgräber ist das Gelände mittlerweile unattraktiv geworden. Buntmetallfunde und große Objekte sind da nicht mehr zu erwarten. Aber für uns ist auch eine fast zur Unkenntlichkeit korrodierte dreiflügelige Pfeilspitze ganz wichtig. Dafür läuft aber ein Schatzgräber nicht drei Tage durchs Gelände.

Gundermann: Haben Sie eigentlich schon mal darüber nachgedacht, eine Ausstellung speziell über die Germanen zu machen?

Geschwinde: Die Germanen waren ja schon ein wesentlicher Teil dieser Ausstellung. Wir hätten natürlich gerne eine germanische Armee der römischen gegenübergestellt, die in ihrer Ausstattung zu 100 Prozent vergleichbar gewesen wäre. Aber die Germanen haben ihre Toten verbrannt, und sie haben ihre Schwerter verbogen, um sie als Beigaben in die Urnen zu legen. Mit zusammengerollten Schwertern kann man keine rekonstruierte germanische Armee ausstatten. Diese Asymmetrie zwischen Römern und Germanen ist allerdings auch bezeichnend. Die germanische Kultur wirkt materiell einfacher und armseliger. Bei Grabungen in germanischen Siedlungen waren die Highlights immer römische Importe.

Aber es macht ja die Faszination des Harzhorns aus, dass wir hier selbst Teil der antiken Geschichte geworden sind. Bisher waren wir hier im Norden ja immer ein wenig außen vor – und dann stellen wir plötzlich fest, dass noch 235 Jahre nach Christus ein römischer Kaiser 60 Kilometer vor Braunschweig eine Schlacht gewinnt.

Stegmann: Meinen Sie, dass sie noch einmal eine Sonderausstellung zur Antike machen – zum Beispiel mit dem Thema „Verrückte Kaiser“?

LEBENSDATEN

Dr. Heike Pöppelmann studierte Vor- und Frühgeschichte, Mittelalterliche Geschichte und Geologie in Köln und Bonn. Nach verschiedenen Stationen übernahm sie im Jahr 2000 als Wissenschaftliche Angestellte den Bereich Archäologie am Kulturhistorischen Museum Magdeburg. 2010 wurde die 48-Jährige Direktorin des Braunschweigischen Landesmuseums.

Dr. Michael Geschwinde studierte Ur- und Frühgeschichte, Vorderasiatische Archäologie und Anthropologie in Göttingen. Seit 1993 leitet er die Bezirksarchäologie Braunschweig des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege. Gemeinsam mit Petra Lönne leitet er die Erforschung des germanisch-römischen Schlachtfeldes am Harzhorn. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt Geschwindes ist die Erforschung der Königspfalz Werla.