Braunschweig. Der beste Weg zum Stilllegen der Asse ist auch für die Wissenschaft eine Herausforderung. Michael Ahlers recherchierte die Antworten auf Ihre Fragen.

Das Bundesamt für Strahlenschutz hofft, mit der Bergung des Asse-Mülls früher als 2036 beginnen zu können.

Wie Sprecher Florian Emrich erklärte, sieht ein neuer Zwischenbericht zum Stand der Planung derzeit 2033 als möglichen Beginn der Bergung vor. Erreicht werden soll der Zeitgewinn unter anderem dadurch, dass Arbeiten an der Anlage zur Vorbereitung der Bergung parallel statt nacheinander stattfinden. Das „Asse-Gesetz“ des Bundes soll außerdem den rechtlichen Genehmigungsaufwand stark verringern.

„Noch nicht berücksichtigt sind Beschleunigungen, die sich aus den konkreten Vorgehensweisen in den Teilprojekten ergeben können“, erklärte das Bundesamt. Dies betreffe zum Beispiel Planung und Bau des Schachtes 5 sowie das Errichten eines Zwischenlagers für den Müll. Welches Datum frühestens erreichbar sei, wollte das Bundesamt nicht sagen. „Der Bericht ist die Grundlage für die weitere fachliche Diskussion darüber, auch mit den Bürgerinitiativen“, so Emrich.

Dagegen forderte die Wolfenbütteler Atom-Ausstiegs-Gruppe WAAG, dass schon 2024 der Schacht 5 sowie Bergetechnik als auch Anlagen zur Umverpackung des Mülls bereitstehen müssten. Der BfS-Zeitplan sei nicht nachvollziehbar und nicht akzeptabel. Redakteur Michael Ahlers recherchierte die Antworten auf Ihre Fragen zum Thema Asse.

Unser Leser Manfred Fehly aus Salzgitter fragt:

Ich habe gehört, dass jeder, der sich einer normalen Röntgenaufnahme unterzieht, mit rund 0,05 Millisievert belastet wird – dem Fünffachen der jährlichen „Asse-Dosis“. Man könnte auch sagen: Wer 100 Jahre lang im Umland der Asse wohnt, die gleiche Menge Strahlung erhalte wie durch 20 konventionelle Röntgenaufnahmen.

Diese Ansicht zu vertreten, ist sicher nicht populär. Wäre es nicht einmal angebracht, darüber nachzudenken?

Unser Leser Jens Papenfuhs aus Hillerse fragt:

Ich habe gelesen, dass durch den Abbau von Kalisalzen etwa so viel Radioaktivität heraus geholt wurde wie durch die Mülleinfuhr hinein gebracht wurde. Stimmt das?

Am 30. April hat die Asse GmbH an Atommüllkammer 7 in 750 Metern Tiefe mit ihrer zweiten Erkundungsbohrung begonnen. Damit liegt der Start der ersten beiden Erkundungsbohrungen elf Monate auseinander.

Mit der neuen Bohrung sollen laut Asse GmbH weitere Erkenntnisse über den Zustand der Kammer und die darin eingelagerten Abfälle gewonnen werden: mögliche Ausbreitung von Radioaktivität, Zustand der Abfälle, die Stabilität der Kammer und eventuell in der Kammer vorhandene Gase.

Die Mitteilung der Asse GmbH zeigt den immensen Aufwand, der für die geplante Bergung des Mülls betrieben wird. Und sie skizziert die enormen Probleme, denen sich Bergleute und Behörden bei dem Kraftakt gegenübersehen. Ist der ganze Aufwand überhaupt berechtigt? Werden die Gefahren übertrieben, etwa im Vergleich zur natürlichen Strahlung? Handelt es sich um ein „milliardenschweres Beschäftigungsprogramm“ ?

„Die Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II ist nach jetzigem Kenntnisstand die beste Variante beim weiteren Umgang mit den dort eingelagerten radioaktiven Abfällen“, teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), seit 2009 Betreiber der Asse, im Jahr 2010 mit.

Untersucht hatten Experten außer der Bergung auch das Umlagern des Mülls innerhalb der Asse sowie die Vollverfüllung des Bergwerks ohne Umlagern des Mülls. „Bei der Rückholung der Abfälle kann nach derzeitigem Kenntnisstand ein Langzeitsicherheitsnachweis erbracht werden“, so das Bundesamt. Bleibe der Atommüll in der Asse, wie bei den Varianten Umlagern und Vollverfüllung, sei dies nicht gesichert. Bei der Vollverfüllung wären Hohlräume mit Beton verfüllt und ein „Schutzfluid“ eingebracht worden, um den Atommüll einzuschließen.

Der Clausthaler Endlagerforscher Klaus-Jürgen Röhlig betont: „Die Asse ist ein komplexes System.“ Der Langzeitsicherheitsnachweis für die Variante Vollverfüllung gelang aus Röhligs Sicht auch deshalb nicht, weil zum Beispiel über Wasserwegsamkeiten und Deckgebirge zu wenig bekannt sei.

„Je schlechter man das System versteht, desto schwieriger wird es, solche Nachweise zu führen“, sagt Röhlig. Bei den Berechnungen würden dann immer die „konservativsten“, das heißt ungünstigsten Annahmen, zugrunde gelegt.

Wenn man sich dagegen ein besseres Verständnis verschaffe, unter anderem durch weitere Erkundung des Deckgebirges, könnten die Chancen für eine bessere Nachweisführung erhöht werden. Beim Bergen des Mülls müssten zudem auch radiologische und bergtechnische Risiken für das Personal berücksichtigt werden. „Darüber hinaus ist es auch wichtig, dass man sich auch für den Fall wappnet, dass die Rückholung nicht oder nur teilweise gelingt, weil zum Beispiel die Laugenzutritte nicht mehr beherrschbar sind („Absaufen“)“, sagt der Experte von der TU Clausthal. Auch dann müsse gewährleistet werden, dass die Belastung der Umwelt begrenzt bleibe. Aus Sicht des Clausthaler Wissenschaftlers wurde die Variante Vollverfüllung also offenbar zu schnell beerdigt.

Auch aus Sicht des Strahlenschutzexperten Clemens Walther vom Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Leibniz-Universität Hannover geht es um eine schwierige Abwägungsentscheidung. „Wir haben einerseits eine potenzielle Gefährdung, wenn der Müll herausgeholt wird“, sagt Walther.

Das betrifft das Herausholen des Mülls samt belastetem Salzgrus aus den Asse-Kammern. Es betrifft aber auch das dann notwendige Umverpacken der Abfälle und den Betrieb jenes Zwischenlagers, in dem der Müll nach der Bergung zunächst gelagert werden soll. Das ist die eine Seite. „Wird der Asse-Müll geborgen, kann man aber eine potenzielle Gefährdung des Grundwassers und der Umwelt in tausenden oder zehntausenden Jahren ausschließen“, sagt Walther.

Ein Langzeitrisiko auszuschließen, findet er grundsätzlich durchaus sinnvoll. „Heute Strahlung, in 30 Jahren erhöhtes Krebsrisiko“, schildert der Wissenschaftler die mögliche Langzeitwirkung von Strahlung. Strahlung nach dem Motto „ein paarmal Röntgen ist viel schlimmer als die Asse-Strahlung“ gegeneinander aufzurechnen, geht für ihn am Punkt vorbei.

Könne die Asse sicher stabilisiert werden und stehe ein Endlager für den Müll rechtzeitig zur Verfügung, wäre Bergung daher für ihn die bessere Variante. Für Walther wiegt aber das Risiko schwer, dass die Asse „absaufen“ könne. „Besser als so eine Situation wäre es dann, die Asse mit dem Müll sachgemäß zu verschließen“, sagt er.

Waren die Kalisalze genauso gefährlich wie der Müll? Beim Einlagern der Abfälle sei eine etwa 1000 Mal so hohe Gesamtaktivität in die Asse eingebracht worden wie durch den Abbau von Stein- und Kalisalz heraus, sagt das BfS: Im Kalisatz ist das radioaktive Kalium 40 (K40).

Einen reinen Vergleich der Aktivität hält die Behörde aber ohnehin für wenig sinnvoll: Sie benenne nur die Zahl der pro Zeiteinheit in einem radioaktiven Stoff auftretenden Kernumwandlungen, Maßeinheit sei Becquerel. „Maß für Strahleneinwirkungen ist die Dosis“, so das BfS. Es gelte, nicht nur die Aktivität, sondern auch den radioaktiven Stoff und damit Art der Strahlung sowie deren biologische Wirksamkeit zu betrachten.

„Tatsache ist, dass die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte bei einem Verbleib der Abfälle in der Asse nach derzeitigem Kenntnistand nicht nachgewiesen werden kann“, bilanziert das Bundesamt nüchtern. Es arbeitet daher weiter an der Bergung. Auf die Risiken und Schwierigkeiten hat das BfS selbst immer wieder hingewiesen. Der Aspekt „Langzeitsicherheit“ wiegt für die Behörde zunächst am schwersten.