Braunschweig. Die Speicherung von Strom - eines der größten Probleme der Energiewende. War haben Leserfragen zum Thema recherchiert.

Mit der Energiewende und dem Umstieg auf regenerative Energiequellen fließt der Strom nicht mehr so gleichmäßig wie bei Atomkraftwerken. Nun werden in Deutschland Stromspeicher gebraucht. In unserer Region wird daran geforscht, wie sich die Kinderkrankheiten der bestehenden Technologien beheben lassen.

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Unser Leser Dr. Helmut Käss aus Braunschweig fragt: „Power to gas, also die Umwandlung von Elektrizität in Methan, scheint mir die beste Speichermethode zu sein – Strom lässt sich nämlich in Form von Gas langfristig speichern. Greenpeace nennt es Windgas. Können andere Speichertechnologien da überhaupt mithalten?“

Die Antwort recherchierte Uwe Hildebrandt

Helmut Käss, der sich in Braunschweig für regenerative Energien einsetzt, verweist selbst darauf, dass die Stromverluste bei Pumpspeicherkraftwerke geringer sind als bei „Power to gas“. „Aber mit ihnen lässt sich Strom nur für einige Stunden speichern“, sagt er: „Wenn wir Wind- und Sonnenstrom massiv ausbauen und im Winter dann für längere Zeit wenig Wind weht, könnte die Stromversorgung zum Problem werden.“

Siemens-Forscher und die TU München testen bei Hanau eine Anlage, mit der aus Kohlendioxid aus Abgasen und aus Wind- und Sonnenstrom Methan hergestellt wird.
Siemens-Forscher und die TU München testen bei Hanau eine Anlage, mit der aus Kohlendioxid aus Abgasen und aus Wind- und Sonnenstrom Methan hergestellt wird. © Siemens

In Form von Gas lasse sich Energie hingegen für Monate speichern, sagt Käss. Wenn also Windräder und Photovoltaik-Panels einen Stromüberschuss produzieren, kann diese Energie für die energetische Saure-Gurken-Zeit aufgehoben werden. Die Probleme dabei: Jede Form der Speicherung bringt Verluste mit sich und manche Verfahren sind noch sehr teuer.

Die Energiewende bringt viele Herausforderungen mit sich: Der Ausbau des Höchstspannungsnetzes ist eine davon, der Wind von den geplanten Offshore-Windparks auf See muss irgendwie nach Süddeutschland kommen. Außerdem sollen finanzielle Anreize für den Betrieb konventioneller Reservekraftwerke geschaffen werden – diese sollen schnell anspringen, wenn die grünen Energiequellen schwächeln. Und es werden Energiespeicher gebraucht.

Udo Schlegel aus dem Kreis Gifhorn nutzt in seinem Blockheizkraftwerk als Pufferspeicher für den Strom acht  Batterien.
Udo Schlegel aus dem Kreis Gifhorn nutzt in seinem Blockheizkraftwerk als Pufferspeicher für den Strom acht  Batterien. © Andreas Schweiger

„Zum Gelingen der Energiewende ist es erforderlich, weiter an den Speichertechnologien zu forschen“, sagt Julien Mounier, Vorstandsmitglied bei BS-Energy. „In jedem Fall wird Flexibilität im Energiemarkt der Zukunft immer wichtiger.“ Welche Technologie sich durchsetze, sei noch nicht absehbar, sagt Mounier.

Mounier antwortet zusammen mit der Energietechnik-Professorin Ulrike Krewer von der TU Braunschweig und dem Vorsitzenden des Energie-Forschungszentrums Niedersachsen (EFZN) der TU Clausthal in Goslar, Hans-Peter Beck, auf die Fragen von Helmut Käss. Es gibt mechanische, elektrische, chemische und elektrochemische Speicher. Beck zählt insgesamt 20 unterschiedliche Verfahren – hier eine Auswahl:

Strom zu Gas (Power to gas)

Speichertechnik

Strom kann in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas umgewandelt werden. Zunächst wird Wasserstoff mittels Elektrolyse erzeugt. Anschließend wird dieser unter Zugabe von CO2, das vorzugsweise aus der Industrie abgenommen wird, bei der „Methanisierung“ in synthetisches Methan umgewandelt. Dieses kann gut gespeichert oder auch ins Erdgasnetz eingespeist werden. „Chemische Energie speichern, heißt Brennstoffe lagern – und das geht bekanntlich recht einfach“, bringt Professorin Krewer die Vorteile des Verfahrens auf den Punkt. Auch im Verhältnis von Gewicht zu gespeicherter Energie sei diese Technik führend.

Das Verfahren hat aber auch einen gravierenden Nachteil: Bei der Wasserstoff-Produktion liegt der Wirkungsgrad bei lediglich 40 bis 45 Prozent – also von 100 Prozent der der Speicherung zugefügten Energie bleiben nach der Speicherung nur noch rund 40 Prozent übrig. Bei der Umwandlung in Methan sind es laut Beck nur noch rund 37 Prozent.

Allerdings weist Krewer darauf hin, dass die Windräder bereits jetzt bisweilen angehalten werden müssen, weil zu viel Strom ins Netz fließt. „Besser 60 Prozent durch Speicherungsverluste in den Sand gesetzt als 100 Prozent in den Sand gesetzt“, sagt die Energietechnikerin.

Julien Mounier kommt zu dem Schluss: „,Power to gas’ erweitert die Möglichkeiten, Strom zu speichern. Aber es ist noch nicht wirtschaftlich.“ Ulrike Krewer räumt der Technologie gute Chancen ein: „Es gibt schon Firmen, die das am Markt anbieten. Und es gibt Vorhersagen, wonach ,Power to gas’ sich ab 2020 durchsetzt, wenn die regenerativen Energien rund 40 Prozent der Produktion ausmachen.“

Pumpspeicher-Kraftwerke

In den Augen von Julien Mounier sind Pumpspeicherkraftwerke (Foto oben) derzeit die einzigen Stromspeicher, die ausgereift und am Markt etabliert sind. Gibt es ein Stromüberangebot, wird das Wasser von einem Unter- in ein Oberbecken gepumpt. Bei Strombedarf wird es wieder abgelassen, Generatoren werfen Strom ab.

Bisher wurden diese Kraftwerke dazu benutzt, um Tages- und Nachtschwankungen beim Strombedarf auszugleichen. Doch dieser Unterschied, der „Spread“, wird laut Professor Beck immer geringer: In der Mittagsspitze beim Verbrauch werfen auch die Photovoltaik-Anlagen am meisten Strom ab – und nachts sorgen immer weniger ständig laufende Atomkraftwerke für Überschüsse. Beck: „Die Sonne macht’s richtig: Sie scheint, wenn wir Strom brauchen.“

Die verlustarmen Pumpspeicherkraftwerke mit einem Wirkungsgrad von rund 80 Prozent können also künftig kurzfristige Schwankungen in der Produktion ausgleichen – wenn etwa ein nahes Gewitter den Himmel über Solarfeldern verdunkelt. Dazu müssen sie laut Beck allerdings noch weiterentwickelt werden.

Für die langfristige Speicherung sind sie aufgrund ihrer geringen Kapazität aber nicht geeignet. Und: „Das Ausbaupotenzial ist in Deutschland aufgrund der geografischen Beschaffenheit gering“, so Mounier. Der Bau von Oberbecken stellt stets einen Eingriff in die Bergwelt dar.

Vor diesem Hintergrund sind Pläne interessant, unterirdische Pumpspeicherkraftwerke in alten Bergwerken einzurichten. „Bei Clausthal haben wir zum Beispiel eine Höhendifferenz zwischen zwei Sohlen von 650 Metern“, so Beck.

Allerdings werden seines Erachtens derartige Projekte nicht verwirklicht, weil mit der Pumpspeicherung derzeit kaum Geld zu verdienen ist. Es müssten Investitionsanreize geschaffen werden, etwa in Form von Prämien.

Batterien und Akkus

Die elektrochemische Speicherung ist die bekannteste, denn fast jeder trägt sie mit sich herum, etwa im Handy. Wirkungsgrade von rund 80 Prozent können sich sehen lassen. „Durch die Elektromobilität konnten insbesondere im Bereich der Lithium-Ionen-Technologien große Fortschritte erzielt werden“, erläutert Mounier. Allerdings lasse die Lebensdauer oft noch zu wünschen übrig.

Akkumulatoren haben zwei Nachteile: Sie sind für einen Einsatz im großen Stil zu teuer, und aufgrund ihrer Kapazität eignen sie sich nicht für die Speicherung großer Strommengen für längere Zeit. „Sie sind prädestiniert als Kurzzeitspeicher, da sie sehr dynamisch betrieben werden können und hocheffizient sind“, sagt Krewer: „Für den großflächigen Einsatz als Energiespeicher werden aber preiswertere elektrochemische Energiespeicher mit höheren Energiedichten benötigt.“

Bei der Weiterentwicklung ist unsere Region mit dabei: So wird am Energieforschungszentrum in Goslar zum Beispiel eine Schnellladung entwickelt, auch die TU Braunschweig betreibt ein Laboratorium für Batterieforschung.

Druckluftspeicher-Kraftwerke

Alte Bergwerke im Harz könnten – ähnlich wie Pumpspeicherkraftwerke – auch hierfür genutzt werden: Bei Bedarf kann die zuvor in den Berg gepresste Luft abgelassen und dabei Strom gewonnen werden. Im Niedersächsischen Huntorf gibt es seit 1978 eine kommerzielle Anlage. Ihr Wirkungsgrad ist mit 42 Prozent aber gering. Im US-Bundesstaat Alabama sollen schon 54 Prozent erreicht werden. Mounier: „Durch technische Optimierung könnten Druckluftspeicher zukünftig eine wichtige Rolle spielen.“

Schwungradspeicher

Großkraftwerke haben große Schwungmassen in ihren Turbinen, die bei einer Unterbrechung der Energiezufuhr weiterdrehen. Bei Photovoltaik bricht die Leistung aber mitunter plötzlich ein.

„Wir müssen da einen Ersatz an Schwungmasse schaffen“, erläutert Beck: „Man kann elektronische Schwungmasse schaffen, also Doppelschichtkondensatoren, oder mechanische Schwungräder zwischenschalten.“ Eine Idee sei, die Generatoren stillgelegter Kernkraftwerke dafür zu nutzen – das sei bei Biblis A schon geschehen. Schwungräder eignen sich allerdings nur dazu, sehr kurze Einbrüche auszugleichen.