Braunschweig.

Vorstellung des Konzepts für den „Regionalverband Braunschweig“ vor einigen Tagen: (von links) Goslars Landrat Stephan Manke, SPD-Bezirkschef Hubertus Heil, Detlef Tanke, Vize-Vorsitzender der SPD im Landtag, Marcus Bosse, SPD-Chef im Großraumverband.
Vorstellung des Konzepts für den „Regionalverband Braunschweig“ vor einigen Tagen: (von links) Goslars Landrat Stephan Manke, SPD-Bezirkschef Hubertus Heil, Detlef Tanke, Vize-Vorsitzender der SPD im Landtag, Marcus Bosse, SPD-Chef im Großraumverband. © Rudolf Flentje

Die regionale SPD hatte am Mittwoch vergangener Woche nahezu ihre gesamte regionale Prominenz aufgeboten, um ihr Konzept für einen „Regionalverband Braunschweig“ (RVB) mit viel Nachdruck öffentlich zu machen. Fünf Landräte und Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs saßen dabei, als das vierseitige Papier in der Braunschweiger SPD-Zentrale präsentiert wurde – dank des Ausgangs der Landtagswahl mit stolzgeschwollener Brust. Doch nun beschweren sich all jene, die bei diesem Vorstoß nicht eingebunden wurden; zu dieser Gruppe zählt auch die Braunschweiger SPD.

„Die Verbandsversammlung ist dann ja nicht demokratisch gewählt und jeder vertritt seine eigenen Interessen. Dann setzt sich das Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners durch.“
„Die Verbandsversammlung ist dann ja nicht demokratisch gewählt und jeder vertritt seine eigenen Interessen. Dann setzt sich das Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners durch.“

Dass in der Liste der Unterzeichner kommunal verantwortliche Politiker aus Braunschweig und Salzgitter fehlen, mag in erster Linie daran liegen, dass nur in diesen beiden Städten noch CDU-Oberbürgermeister regieren. Die Braunschweiger SPD hatte sich bereits zu der Regionsidee von Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) bekannt. Bei dieser würden nach Vorbild der Region Hannover die fünf Landkreise und drei kreisfreien Städte zwischen Harz und Heide fusionieren – genau das wollen die Unterzeichner der Regionalverbands-Initiative jedoch nicht.

Der Regionalverband soll vielmehr eine Weiterentwicklung des Zweckverbands Großraum Braunschweig (ZGB) sein, bei der die Landkreise und kreisfreien Städten unverändert fortbestehen. Der RVB würde zusätzliche Zuständigkeiten erhalten, etwa die regionale Wirtschaftsförderung und Tourismusvermarktung. Mit einem Europabüro soll erreicht werden, dass unsere Region bei der Anwerbung von EU-Fördermitteln erfolgreicher ist. Nur langfristig, so heißt es in dem Papier, wenn Vertrauen gewachsen sei, könne daraus „ein weiteres Zusammenwachsen bis hin zu einer Region Braunschweig“ entstehen.

„Bei der jetzt laufenden Debatte darf es keinen Schnellschuss geben! Ich plädiere dafür, eine Sachverständigenkommission einzuberufen.“
„Bei der jetzt laufenden Debatte darf es keinen Schnellschuss geben! Ich plädiere dafür, eine Sachverständigenkommission einzuberufen.“

Die Tatsache, dass die Braunschweiger SPD umschifft worden war, sorgte am Freitagabend bei der Sitzung des regionalen SPD-Bezirksvorstands für Zündstoff. Dennoch zog Christoph Bratmann, Vorsitzender des fürs Stadtgebiet zuständigen SPD-Unterbezirks Braunschweig, hinterher ein durchaus positives Fazit: „Zu dem Prinzip, als ersten Schritt den ZGB zu stärken, herrscht Konsens. Man kann den Menschen nicht eine Region nach dem Vorbild Hannovers von heute auf morgen aufdrücken, so etwas braucht Zeit.“

Konsens herrscht aber nicht in der Frage, ob das Papier des SPD-Bezirks ein großer Coup ist. Manfred Pesditschek, Fraktionschef der SPD im Braunschweiger Stadtrat, gefällt die Idee mit dem Europabüro. Doch insgesamt hält er die Pläne seiner Genossen für unausgegoren. „Es sollte im Land zunächst eine Enquete-Kommission eingesetzt werden, die die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Region in unserem Raum überprüft“, sagt er. Die Experten könnten am besten beurteilen, welches politische Gebilde in dieser Region am besten sei und ob ein schrittweises Vorgehen der richtige Weg ist.

Wenn die Experten tatsächlich raten, zunächst einen Regionalverband zu gründen, dann muss dieser nach Ansicht Pesditscheks allerdings anders aussehen als das Modell der regionalen SPD: „Natürlich kann der ZGB auch zu einem echten Kommunalverband weiterentwickelt werden. Das müsste aber bedeuten, dass ihm weitere echte Zuständigkeiten übertragen werden, dass die Mitglieder der Verbandsversammlung direkt gewählt werden und dass die Verbandsversammlung das Entscheidungsgremium der Region bleibt.“

Was Pesditschek kritisiert, stört auch Gabriele Heinen-Kljajic aus Braunschweig, die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Landtag: Das Konzept der Bezirks-SPD sieht kein direkt gewähltes Regionsparlament vor, sondern weiterhin die Delegation von Abgeordneten aus den Kreistagen. Zusätzlich wollen die Landräte und Oberbürgermeister künftig – im Gegensatz zum ZGB-Modell – über eine zweite Kammer mitentscheiden. Statt komplizierteren seien aber schnelle, schlanke Entscheidungsprozesse von Nöten, meint Heinen-Kljajic.

„Es sollte im Land zunächst eine Enquete-Kommission eingesetzt werden, die die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Region in unserem Raum überprüft.“
„Es sollte im Land zunächst eine Enquete-Kommission eingesetzt werden, die die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Region in unserem Raum überprüft.“

„Angesichts der vorgeschlagenen Entscheidungsprozesse ist dieser SPD-Vorschlag genau genommen ein Rückschritt“, sagt die Grüne: „Die Verbandsversammlung ist dann ja nicht demokratisch gewählt und jeder vertritt dort seine eigenen Interessen. Wenn auch noch die Landräte über einen Verbandsrat mitentscheiden, dann setzt sich das Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners endgültig durch.“ Über das SPD-Modell ließen sich die Landkreis-Interessen künftig noch besser durchsetzen, so Gabriele Heinen-Kljajic: „Das gemeinsame regionale Interesse wird aber geschwächt – und dessen Stärkung war ja eigentlich das Ziel.“

Pesditschek und Heinen-Kljajic bemängeln zudem, dass nicht wirklich wichtige Kompetenzen auf den Regionalverband übertragen werden sollten. „Bei der jetzt laufenden Debatte darf es keinen Schnellschuss geben!“, mahnt auch Klaus Wendroth, Vorsitzender der Braunschweiger CDU-Stadtratsfraktion: „Ich plädiere dafür, eine Sachverständigenkommission einzuberufen.“

Die Wolfsburger CDU hatte bereits am Freitag den SPD-Vorstoß scharf kritisiert, allerdings kommt ihre Kritik aus einer ganz anderen Richtung: Sie fürchtet, dass nun zu viele Kompetenzen auf die Regionsebene verlagert werden.

Die CDU-Kreisvorsitzende in Wolfsburg, Angelika Jahns, hatte in ihrer Erklärung unter anderem geschrieben: „Die CDU wehrt sich dagegen, dass neue Bürokratie aufgebaut und der Großraumverband aufgebläht werden soll ohne Ende.“

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© Klaus Wendroth, Fraktionschef der CDU im Braunschweiger Stadtrat

Es ist also sehr viel Musik in der Debatte über die Zukunft unserer Region. Pikant ist, dass die unterschiedlichen Auffassungen auch bei den Koalitionsverhandlungen in Hannover auf den Tisch kommen dürften.

Dort sitzen sich nämlich unter anderem SPD-Bezirkschef Hubertus Heil, der das SPD-Modell federführend vorstellte, und Gabriele Heinen-Kljajic gegenüber. Die Grünenpolitikerin will dafür werben, dass eine Sachverständigenkommission nach einem geeigneten politischen Modell für unsere Region sucht. Heil hingegen hatte erklärt, dass in der Regionsfrage nach jahrelangem Zaudern nun schnell gehandelt werden müsse. Ein Regionalverband könnte schon in eineinhalb Jahren an den Start gehen. In einer Expertenkommission werde hingen jahrelang „palavert“.