Wandel. Immer mehr immer schnellere Informationen, immer mehr Wettbewerb – wie sich ein Medienhaus den Herausforderungen der digitalen Welt stellt.

Jeden Abend um 21.45 Uhr begann das Pressehaus am Hutfiltern zu zittern. Es war nur ein leichtes, aber deutlich spürbares Beben, verbunden mit einem sonoren Brummton. Das signalisierte den Beginn des Andrucks der Zeitung. Im „Haus ohne Rast und Ruh“ – so ein Slogan – ebbte nun die gewohnte Hektik des Tages etwas ab. Geschafft hieß das. Die Zeitung des nächsten Tages war fertig.

Umweht vom speziellen Aroma dieser Branche, dem Duft nach Papier und Druckerschwärze, liefen die ersten Exemplare vom Fließband. Da warteten die Verkäufer, die nachts durch Braunschweigs Lokale zogen. Nicht selten, vor allem sonntags, klemmte sich dort Jochen Döring ein Paket Zeitungen unter den Arm. Der Sportredakteur, der jahrelang die absolute Herrschaft über die Eintracht-Berichterstattung ausübte, fuhr dann zu „Conni“ oder ins „Forsthaus“. Dort warteten die Eintracht-Society, die Fußball-Experten, nicht selten auch Trainer oder gar Spieler auf Jochen Döring und auf das, was er geschrieben hatte.

Für die Mitarbeiter im Haus Limbach, der Druckstätte der „Braunschweiger Zeitung“ und ihrer übrigen Ausgaben, rückte nach dem Andruck die Zeit für ein Fläschchen Bier heran. Das war damals üblich. Die Redakteure, die zuvor ihre Texte in die Triumph-Schreibmaschinen gehackt hatten, gingen in den „Strohhalm“, die legendäre Stammkneipe von Journalisten und Theaterleuten. Nur die Spätdienstler hielten Wache bis
23 Uhr.

Ach, die guten alten Zeiten! Oben lasen Sie Erinnerungen des Braunschweiger Journalisten Eckhard Schimpf an seine Anfänge bei der Braunschweiger Zeitung, die er 2013 für eine Sonderbeilage aufgeschrieben hat. So war das damals, am Hutfiltern, in den Wirtschaftswunderjahren, als die Zeitung aus Informationen und Meinungsstücken auf Papier bestand. Als Einsen und Nullen noch nicht die Medienwelt revolutioniert hatten. Als Kaufhausanzeigen für Sonderangebote täglich die Seiten auffüllten – und sich kein Verleger Sorgen um die Finanzierung seines Blattes machen musste.

Damals – war vieles anders. Aber ob es auch besser war? Sentimental zu sein, kann sich die Medienbranche eigentlich nicht leisten. Zu schnelllebig sind die Zeiten, in denen sie bestehen muss. Nach nicht einmal 25 Jahren hat das Digitale dem Gedruckten so starke Konkurrenz gemacht, dass manch Schwarzmaler fragt: Wie soll es nur weitergehen? Dass es weitergehen muss, ist nicht nur bei Demokratieforschern unbestritten. Ohne professionelle Medien, die recherchieren, kritisch nachfragen, einordnen und kommentieren, stirbt der faktenbasierte öffentliche Diskurs. Fakenews und Populisten übernehmen dann die Deutungshoheit. Ein Wandel, den eine offene Gesellschaft nicht verkraften würde.

Die Medienbranche muss sich also anpassen, den Wandel annehmen und ihn gestalten, um ihre Aufgabe als vierte Gewalt auch in Zukunft wahrnehmen zu können. Das BZV Medienhaus, zu dem diese Zeitung gehört, stellt sich dieser Herausforderung. Chefredakteur Armin Maus: „Gegen Fake-News und falsche Freunde mit starken Eigeninteressen hilft nur professioneller Journalismus. Dazu gehört auch das Wissen um die eigenen Wurzeln. Unsere Zeitung ist hier zu Hause, wo unsere Leser leben und arbeiten. Sie ist die Stimme der Region; sie soll es bleiben.“

Eine wichtige Wegmarke dabei: Das Papier noch festzuhalten, aber mit der anderen Hand die digitalen Medien anzupacken. Pro Monat verzeichnen die Internetportale der Tageszeitung und ihrer Ausgaben über 3,5 Millionen Seitenaufrufe. Das sind weit mehr Menschen, als die Printausgabe erreichen kann.

Umso wichtiger, dass die Redakteure die verschiedenen Publikationskanäle mitdenken – und die Vorteile des Digitalen nutzen. Vor allem das Konzept der Bürgerzeitung lässt sich im Netz ganz einfach weiterführen: Die Leser sind eingeladen, die Artikel zu kommentieren und ihre Meinung kundzutun. Auch in den sozialen Netzwerken stellen sich die Onlineredakteure der offenen Auseinandersetzung mit mittlerweile 101 000 Facebook-Fans.

Das immerwährende Ziel: Gemeinsam mit den Lesern die zentralen Probleme der Gesellschaft zu diskutieren und bestenfalls Lösungen zu entwickeln. Dieser Grundpfeiler des Journalismus wird immer bestehenbleiben, egal auf welchem Kanal. BZV-Geschäftsführer Claas Schmedtje: „Wir sehen die Digitalisierung als Chance. In den letzten Jahren haben wir viele Anstrengungen unternommen, um im Digitalen eine ähnliche Bedeutung zu erreichen, wie sie die gedruckte Tageszeitung immer noch hat.“

Wenn der Wandel der Medienbranche hiermit schon zu Ende erzählt wäre – dann wären die Schwarzmaler eher Graumaler. Aber das ist er nicht: In den letzten Jahrzehnten hat sich das Finanzierungsmodell der Tageszeitungen grundlegend umgekehrt.

Kam das Geld früher zu zwei Dritteln aus Anzeigenerlösen, müssen die Abo-Verkäufe heute diesen Anteil stemmen. Doch der durchschnittliche Zeitungsleser ist in seinen besten Jahren – die Begeisterung des Lesernachwuchses verhalten. Im Internet liegt das Geld – zumindest noch – nicht.

Deshalb muss sich ein modernes Medienhaus breiter aufstellen, die Finanzierung vielschichtig gestalten. Im BZV gibt es neben den Zeitungsabteilungen mit JHM auch einen Magazin- und Buchverlag mit einer Druckauflage allein bei den Special-Interrest-Medien von 2,1 Millionen Exemplaren pro Jahr, mehrere Online-Portale für die Region, Veranstaltungsräume im neuen Medienhaus, Anzeigenblätter, eine Konzertkasse, Servicecenter und mit News38 ein Reichweitenportal, das nur ein knappes Jahr nach seiner Gründung jeden Monat 3,4 Millionen Seitenaufrufe erreicht.

BZV-Geschäftsführer Claas Schmedtje erklärt die Idee hinter der Angebotsvielfalt im Medienhaus: „Durch die Digitalisierung hat sich das Mediennutzungsverhalten stark verändert – deshalb muss sich auch unser Angebot breiter aufstellen, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung auch weiterhin gerecht werden zu können.“ Das BZV Medienhaus hat sich aufgemacht und den Wandel angenommen. Vielleicht blickt in ein paar Jahren wieder ein Redakteur auf die heutige Zeit zurück. Und vielleicht hält er es dann wie Apple-Gründer Steve Jobs: „Wer nach vorne blickt, kann nicht wissen, was zusammenhängt. Nur im Rückblick erscheint etwas logisch.“