Braunschweig. Die Erweiterung einer Kemenate inszeniert die Begegnung zwischen Innen und Außen.

Raum ist auf der kleinsten Fläche, selbst mitten im dichten Innenstadtverkehr. Die Braunschweiger Architekten des Büros O.M. haben mit ihrem Umbau und der Erweiterung einer historischen Kemenate zum Ausstellungshaus wieder mal ein gutes Gespür für klare Linien, für Material und Raumwirkungen gezeigt.

Inmitten der fließenden Bewegungen breiter Einfahrtsschneisen ist eine Insel im Stadtraum entstanden. Buchstäblich an der Straßenkante zur vielbefahrenen Braunschweiger Hagenbrücke wurde hier innerhalb von acht Monaten aus der ursprünglich mal im Rücken eines alten Fachwerkhauses stehenden, steinernen Kemenate ein markant in Szene gesetzter, eleganter und wohlproportionierter Ausstellungsraum geformt.

Es ist das zweite Kemenatenprojekt, das die beiden Architekten Rainer Ottinger und Thomas Möhlendick erfolgreich in Angriff genommen haben. Tiefe Einblicke, neue Perspektiven und Blickachsen fügen sich heute zu einem fein abgestimmten und von konstruktiver Klarheit geprägten Gesamtbild zusammen. Die Kombination von rustikalem Charme der alten, bossierten Mauern mit einfachen Materialien wie Beton, Glas, Stahl, hellem Holz- und Steinboden und auffällig rostrotem Aufbau aus Cortenstahl bilden einen reizvollen und lebendigen Kontrast.

„Unser Anliegen ist es, aus der Anziehungskraft und Identität eines Ortes, eine Logik für die architektonische Gestaltung zu entwickeln“, berichtet Architekt Rainer Ottinger. Anstelle buchstabengetreuer Rekonstruktion wurde das Haus mit dem ummauerten Außenbereich entsprechend seinem Charakter weiter interpretiert. Der bisherige Zugang von Osten eröffnet dem Besucher heute einen Empfangsbereich, über den man in den windgeschützten Innenhof und in die Ausstellungsräume gelangt. In seiner engen Begegnung zwischen Innen und Außen ist der kleine Bau klug inszeniert. Die Räume wirken großzügig und sind lichtdurchflutet wie nie zuvor.

Ein Treppenlauf führt in das Obergeschoss des aufgesetzten Erweiterungsteils. Respektvoll trennt ein gekurvtes gläsernes Lichtband die alten und neuen Bauteile. Ein Panoramafenster auf der Stirnseite des Aufbaus erlaubt eine ungehinderte Weitsicht auf den Hagenmarkt mit der Katharinenkirche und lässt den Raum als Insel der Ruhe und Kontemplation gegenüber der Geschwindigkeit empfinden. Dieses Erleben eines anderen Raum- und Zeitgefühls setzt sich auch in den weiteren Ausstellungsräumen im Altbau fort.

O.M. Architekten haben die Stille des Raumes gelungen für eine verlangsamte und konzentrierte Form der Auseinandersetzung mit den ausgestellten Bildern und Objekten eingesetzt. Es ist ein Rückzug inmitten maximaler skulpturaler Offenheit, das dieses Gebäude und diesen Ort gesellschaftlicher Zusammenkunft und Kultur prägt.

FAKTEN

Projekt: Umbau und Erweiterung der Kemenate

Adresse: Hagenbrücke 5

38100 Braunschweig

Fertigstellung: Juni 2015

Bauherrin: Karin und Jochen Prüsse Stiftung

Architekten: Rainer Ottinger, Thomas Möhlendick, MA: Simone Böhler (O.M. Architekten BDA), Kaffeetwete 3, 38100 Braunschweig, Telefon (05 31) 2 61 59 30, www.omarchitekten.de