Marienborn. Hunderte Menschen aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt feierten am Samstag in Marienborn die Grenzöffnung von 1989.
Das Festival „Grenzenlos“ zum 30. Jahrestag des Mauerfalls richteten die benachbarten Bundesländer gemeinsam aus auf dem Gelände der Gedenkstätte Deutsche Teilung. Schon am frühen Nachmittag füllte sich das weitläufige Areal des ehemaligen Grenzübergangs mit Besuchern, die nach einem ökumenischen Gottesdienst zunächst die Eröffnung eines neuen Besucherleitsystems und neuer Ausstellungsbereiche im Außengelände der Gedenkstätte erlebten.
Das Leitsystem nahmen die beiden Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Stephan Weil gemeinsam mit Monika Grütters, der Staatsministerin der Bundesregierung für Kultur und Medien, bei einem Rundgang in Betrieb. Beim anschließenden offiziellen Festakt warnte Grütters davor, angesichts der politischen Entwicklung im Lande zurück zu verfallen in ein Hüben und Drüben. Es gehe stattdessen um ein Deutschland „ohne Mauern, Gräben und Grenzen“.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sprach von einer Stimmung im Lande, die nachdenklicher sei als beim 20. oder 25. Jahrestag des Mauerfalls. Die Fortschritte, die seit 1989 in beiden Teilen Deutschlands erzielt worden seien, dürften heute aber „nicht kleingeredet und miesgemacht werden“. Weil räumte ein, dass die sichtbaren Zeichen der einstigen deutschen Teilung überwunden worden seien, an den unsichtbaren Zeichen jedoch müsse offenkundig noch viel gearbeitet werden. Die jüngsten Wahlergebnisse deuteten auf neue Formen einer Entfremdung im östlichen Deutschland hin. Dem entgegenzuwirken, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, keine der Politik allein. „Wir müssen ohne Zorn und Zeigefinger miteinander reden“, riet Weil den Menschen in beiden Teilen Deutschlands.
Sein sachsen-anhaltinischer Amtskollege Reiner Haseloff präsentierte den mehr als 500 Zuhörern im großen Festzelt „ein Redemanuskript mit 911 Seiten“. Gemeint war damit das aktuell verabschiedete Landesgesetz zur Unterschutzstellung des Grünen Bandes. Dieses Band, das zu Zeiten der Teilung einen Todesstreifen markiert habe, stehe heute für eine Lebenslinie, die Niedersachsen und Sachsen-Anhalt verbinde. Haseloff sagte mit Blick auf das erfolgreiche Ergebnis der Friedlichen Revolution in der DDR, dass die Menschen eben nicht „ein bisschen Freiheit“ brauchten, sondern die volle Freiheit.
Als Bestandteil des Festaktes beider Bundesländer wurde der Film „Wie war das im Herbst 1989“ gezeigt, den Schüler des Freiherr-vom Stein-Gymnasiums Weferlingen und des Gymnasiums am Bötschenberg aus Helmstedt erstellt haben. Darin schilderten Zeitzeugen aus Ost und West ihre Erinnerungen an die Tage der Grenzöffnung, darunter auch unser Redakteur Markus Brich und unser ehemaliger Redakteur Norbert Rogoll, die vor 30 Jahren über das bis heute bewegende Geschehen an der Grenze berichtet hatten.
In einer anschließenden Podiumsrunde auf der Festzelt-Bühne erhielt Jan-Hendrik Prüße vom Grenzdenkmalverein Hötensleben starken Applaus, als er die Beziehung der unmittelbar an der ehemaligen Grenze lebenden Wessis und Ossis in der Bezeichnung Wossis aufgehen ließ. Ein Ausdruck dafür, dass sich alte Grenzlinien – auch in den Köpfen – allmählich verwischen würden. Das Trennende werde von Aachen oder von Frankfurt/Oder aus wohl nach wie vor schärfer gesehen, so Prüßes Einschätzung.
Festakt zum 30- Jahrestag des Mauerfalls in Marienborn
In einigen Statements rief Markus Meckel, nach der ersten freien Wahl in der DDR deren Außenminister von April bis August 1990, nachdrücklich in Erinnerung, dass die deutsche Wiedervereinigung nicht etwa einseitig, sondern durch Verhandlungen zwischen zwei demokratisch legitimierten Partnern erreicht worden sei. Das werde heute kaum mehr erwähnt, auch nicht in Festreden. Der 9. November 1989 sei überdies ein Symbol für die „mitteleuropäische Revolution“ Meckel regte an, dieses Datum künftig gemeinsam mit den Polen, Tschechen und Ungarn zu feiern, „denn in diesen Kontext gehört das alles“. Zuspitzend dann sein Abschluss-Satz. Nur weil die Menschen im Westen nicht solchen Schwierigkeiten ausgesetzt gewesen seien wie die in der DDR, seien sie nicht automatisch die besseren Menschen.