Helmstedt. Die Infrastruktur im ländlichen Raum wird verbessert. Grundlage für den anstehenden Ausbau sind Fördermittel des Bundes.

Während eine Schule in Helmstedt ihre Schüler darauf vorbereitet, die Möglichkeiten des Internets konstruktiv zu nutzen und mobile Endgeräte in den Schulalltag einbindet, kann auf manchen Dörfern das Öffnen einer einfachen Webseite mehrere Minuten dauern. Mit einer Ausbau-Initiative sollen Breitbandanschlüsse für alle im Landkreis möglich werden. Aber das ist leichter geplant, als umgesetzt.

Statt das Smartphone aus dem Schulalltag zu verbannen, geht das Helmstedter Gymnasium am Bötschenberg einen anderen Weg. Seit Anfang 2018 gibt es die iPad-Klassen. Zwei Klassen eines Jahrgangs, in denen jeder Schüler mit einem Tablet ausgestattet ist. Egal ob Gruppenarbeit, Übung oder Hausaufgaben – die mobilen Computer können für alles eingesetzt werden und ersetzen dadurch Hefte, Mappen und Terminplaner. Neben der Auswahl eines Tablets, denn alle Schüler nutzen das gleiche Modell und Betriebssystem, stand am Anfang die Einrichtung einer entsprechenden Arbeitsumgebung. Damit der vernetze Unterricht funktioniert, muss auch der Zugriff auf das Internet funktionieren. Und das nicht nur für vier oder fünf Teilnehmer eines kleinen Heimnetzwerks, sondern für alle Schüler des Jahrgangs und ihre Lehrer gleichzeitig. Leistungsfähige Accesspoints, vergleichbar mit denen von Universitäten oder großer Firmen, waren die Lösung.

Glasfaser-Anbindung garantiert

Die Schule in Helmstedt profitiert schon heute von einer relativ guten Netzanbindung. Die Anbindung an ein geplantes Glasfasernetzwerk ist für alle Schulen in Trägerschaft des Landkreises garantiert, denn sie bilden ein eigenes Ausbaugebiet.

In den vom Landkreis eingeteilten Ausbaugebieten, den vier Clustern Heeseberg, Schöningen, Königslutter und Velpke, lag es in den Händen der Einwohner, ob in ihrem Gebiet ein Glasfasernetzwerk eingerichtet wird oder nicht. 40 Prozent der Haushalte in den Clustern mussten sich dafür in einer Vorvermarktungsphase bis zum 1. Dezember für einen Vertrag mit dem Ausbaupartner Vodafone bereit erklären. Ein Ziel, das überall erreicht wurde.

„Wir hatten uns gerade erst durch Eigeninitiative und in Zusammenarbeit mit dem Anbieter htp mit der Vectoring-Technologie versorgt“, erklärt Martin Hartmann, Samtgemeindebürgermesiter von Heeseberg im Süden des Landkreises, warum die erforderliche Quote erst wenige Tage vor dem Abschluss der Vermarktungsphase erfüllt wurde. „Dadurch kam es zu Überschneidungen in der Werbung, die erst einmal aufgeklärt werden mussten.“

Je nach Länge des zu verlegenden Glasfaserkabels entstehen Kosten im unteren bis mittleren vierstelligen Bereich, um ein Grundstück anzuschließen. Für die Netzanbieter ist der Ausbau der Netze in den ländlichen Regionen daher nicht wirtschaftlich. Ohne Förderung durch Bund und Länder bliebe der Landkreis voll sogenannter weißer Flecken – Regionen, in denen es keinen zeitgemäßen Internetanschluss gibt.

Firmen, die auf die zuverlässige Netzanbindung angewiesen sind, standen und stehen daher oft vor der Frage, ob sie den Ausbau selbst beauftragen und finanzieren – oder ihren Betrieb in eine andere Region verlegen. Die Kommunikation und der Datenaustausch mit Partnern, Lieferanten, Kunden und Logistikunternehmen läuft fast ausschließlich über das Internet.

Der Ausbau ist unwirtschaftlich

Wie viele andere Landkreise in Niedersachsen erhielt Helmstedt im Sommer 2017 einen Förderbescheid vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, um das Glasfasernetzwerk auszubauen. 15 Millionen Euro genehmigte der Bund als Zuschuss, um bis zu 5000 Haushalte anzuschließen. Zusätzlich wurden weitere Fördermittel des Landes Niedersachsen beantragt und eine einstellige Millionensumme aus den Mitteln des Landkreises einkalkuliert.

Mit der Vodafone GmbH stand im Juli 2018 der zukünftige Pächter und Betreiber des Netzes fest, die Vorvermarktungsphase begann kurz darauf. Mit Info-Veranstaltungen und Flyern wurde auf die Möglichkeit des neuen Anschlusses aufmerksam gemacht.

„Parallel erfolgt die Ausführungs- und Genehmigungsplanung sowie die Bearbeitung des Vergabeverfahrens zur Bindung der notwendigen Baukapazitäten“, erklärt Klaus-Dieter Berndt, der Projektleiter des Breitbandausbaus im Landkreis. Als Partner für die Bauplanung wurde ein Hamburger Ingenieurbüro für Datenkommunikation gefunden. Die Bauausführung sei dann ab dem zweiten Quartal 2019 bis Ende 2020 geplant. Bis Ende 2019 hofft Berndt auf einen Baufortschritt von 50 Prozent der Gesamtleistung.

Das Ziel des Landkreises ist ein flächendeckendes FTTB-Netz, Fibre to the building, also Glasfaser bis ins Haus. Damit könnten Downloadraten von 1000 Megabit in der Sekunde erreicht werden. In Kommunen wie Grasleben und Heeseberg haben Telekom und htp die Anwohner in den letzten Jahren mit Vectoring-Anschlüssen versorgt, die Download-Raten bis zu 100 Megabit, bei Super-Vectoring-Technik bis zu 250 Megabit, pro Sekunde ermöglichen können. Die tatsächliche Leistung hängt von der Entfernung des Grundstückes bis zu einem Glasfaserverteilungspunkt ab, auf der ein Kupferkabel verlegt wurde.

Anfang des Jahres wurden 620 Haushalte in der zu Grasleben gehörenden Gemeinde Mariental und dem Helmstedter Stadtteil Barmke angebunden, im Oktober kamen 580 Grundstücke in Grasleben dazu. „Der Ausbau mittels Vectoring-Technologie darf nur eine Übergangslösung für die kommenden fünf Jahre darstellen“, findet jedoch Gero Janze, Bürgermeister der Samtgemeinde Grasleben. Die beiden Technologien würden sich allerdings gut ergänzen und während das Glasfasernetzwerk nur einige Bereiche der Gemeinde abdeckt, kann das bestehende Vectoring-Netzwerk von fast allen genutzt werden. Er empfahl den Einwohnern der Samtgemeinde während der Vorverkaufsphase an den Wert ihrer Immobile zu denken, wenn der entsprechende Anschluss nachgerüstet werden müsste.

„Ein fehlender Breitbandanschluss kann für einen möglichen Hausverkauf ein Hindernis bedeuten. Auch wenn im Moment keine Internetdienste genutzt werden, sollten diejenigen, die die Möglichkeit haben, diese einmalige Chance eines kostenfreien Glasfaseranschlusses wahrnehmen“, heißt es auf der Webseite der Samtgemeinde. Das selbsterklärte Ziel lag bei einer Vorvertrags-Quote von 70 Prozent. „Je höher die Quote, desto wirtschaftlicher ist das Projekt zu stemmen“, so Janze.

Generationenkonflikt der Nutzer

Das viele der betreffenden Gebäude im Besitz von älteren Einwohnern, die weder Internetdienste nutzen, noch sich sonderlich dafür interessieren, sind, weiß auch Hartmann: „Es kann durchaus sein, dass die Ergebnisse der Vorvermarktung anders ausgesehen hätten, wenn Jugendliche die Entscheidung hätten treffen müssen oder häufiger an der Entscheidung beteiligt gewesen wären. Aber das sind Vermutungen.“

Bei einem Durchschnittsalter der Landkreis-Einwohner von 46 Jahren kann spekuliert werden, dass das Interesse deutlich höher ausgefallen wäre, wenn mehr Jugendliche auf den Dörfern leben würden und ihr Bedarf an schnellen Leitungen stärker ins Gewicht fallen würde.

Daniel Kramer, Medienbeauftragter am Gymnasium am Bötchenberg sieht seine Schüler als Profis im Umgang mit modernen Medien, während die Eltern „von der medialen Revolution der vergangenen Dekade förmlich überrollt wurden“. Dennoch bräuchten die Schüler oftmals Unterstützung dabei, die vorhandenen Möglichkeiten sinnvoll, sicher und selbstverantwortlich einzusetzen. Im niedersächsischen Schulgesetz ist der Auftrag festgehalten, das Schüler lernen sollen, wie sie sich informieren und die erlangten Informationen kritisch nutzen können. „Wir sind der Auffassung, dass die Schule an dieser Stelle im Sinne einer gezielten Vermittlung von Medienkompetenz tätig werden sollte“, sagt der Lehrer für Englisch und Sport, der auch in den iPad-Klassen unterrichtet.

Dabei stehe immer wieder das Kommunizieren und Kooperieren der Schülerinnen und Schüler untereinander im Mittelpunkt. Die im Unterricht verwendeten Apps wie Keynote und BaiBoard enthalten Kooperationsfunktionen, durch die die Schüler im Unterricht und bei den Hausaufgaben gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten könnten. Informationen und Lehrmaterialien werden auf einem Schulserver bereit gestellt. „Im Umkehrschluss können die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeitsergebnisse mit den Lehrkräften teilen, was ihnen zum Beispiel ermöglicht, Arbeitsaufträge im eigenen Lerntempo zu bearbeiten“, so Kramer.