Osterode. „Flut an Neuerscheinungen“ – Buchliebhaber aus dem Altkreis Osterode verraten, welche neuen Bücher und persönlichen Klassiker sie aktuell begeistern.

Gerade läuft die Leipziger Buchmesse. Wem das Getümmel in den riesigen Messehallen zu viel oder der Weg zu weit ist, für den haben Buchliebhaber aus dem Altkreis Osterode Lesetipps zusammengestellt – darunter Neuerscheinungen des Frühjahrs 2023 und persönliche Klassiker zum Sommeranfang, eben ein bunter Mix verschiedenster Genres.

Das Team der Bücherkiste Hattorf spricht von einer „Flut an Neuerscheinungen“. Die Buchhändlerinnen erklären: „Noch immer werden rund 60.000 Titel im Jahr veröffentlicht. Aber die Verlage reagieren auf steigende Produktionskosten, indem sie gezielter produzieren.“ „Printing on Demand“ sei dabei ein Weg. Dabei werde das Buch, auch hochwertig ausgestattete Wissenschaftstitel, nach Bestelleingang über Nacht vollautomatisiert hergestellt und erreiche die Buchhandlung am nächsten Tag. „So werden Lagerkosten vermieden und nicht verkaufte Auflagen müssen später nicht teuer makuliert, also eingestampft werden“, zeigen sie die Vorteile auf.

Buch-Empfehlungen im Frühling 2023

Zu den Empfehlungen des Frühlings gehört für Buchhändlerin Melanie Mönnich, Bücherkiste Hattorf, „Das Leuchten der Rentiere“ von Ann-Helen Laestadius. Darin beobachtet das Sami-Mädchen Elsa mit neun Jahren, wie ihr Rentierkalb getötet wird. Es geht um die Samen in Schweden und die Entwicklung einer mutigen jungen Frau.

Mönnichs zweiter Tipp: „Eines Tages werden wir uns alles erzählen“ von Daniela Krien, erschienen als Neuauflage beim Diogenes Verlag und im Kino grade am Start. „Eine Amour fou zwischen dem 40-jährigen Henner und der 16-jährigen Maria im Sommer 1990 in Ostdeutschland“, fasst die Buchhändlerin den Inhalt zusammen. Ihr Urteil: „Sprachlich beeindruckend, die Anziehungskraft zwischen den Hauptfiguren ist bezwingend und wir sind auf den Film gespannt.“

Buchhändlerin Annette Mackensen entdeckt „Ein Hof und elf Geschwister“ beim Beck Verlag. Historiker Ewald Frie, aufgewachsen im Münsterland, hat es gewagt, seine eigene Familie zum Thema zu machen. „Ich kann ganz viele Dinge nicht mehr, die mein Vater konnte: Vererbungsqualitäten von Bullen an deren äußerlicher Gestalt ablesen, Ferkel mit dem Taschenmesser kastrieren, das Wetter aus dem Zug der Wolken vorhersagen…“ „Eine wunderbare Mischung aus persönlicher Wärme und sachlicher Distanz“, urteilt Mackensen.

„Der Traum von einem Baum“ von Maja Lunde, bei btb erschienen, erzählt von Tommy, der bei seiner Großmutter auf Spitzbergen im Jahr 2110 aufwächst. Dort gilt es die Saatgutkammer der Erde zu schützen, es geht um Zusammenhalt und unseren Umgang in einer sich verändernden Welt. Mackensen meint: „Sehr empfehlenswert!“

Helga Schubert, geboren 1940, teilt seit mehr als fünfzig Jahren ihr Leben mit ihrem Mann. Das Buch „Der heutige Tag“ ist sehr persönlich und berührend ehrlich, wenn es vom Zusammenleben in guten und schlechten späten Tagen erzählt. Die Autorin verwandelt durch die Protagonistin Verzweiflung in lebenskluge Ermutigung.

Melanie Mönnich und Annette Mackensen empfehlen Buchtitel für Frühjahr und Sommer.
Melanie Mönnich und Annette Mackensen empfehlen Buchtitel für Frühjahr und Sommer. © Bücherkiste Hattorf

Die romantische Krimiliebhaberin

Madelena Tornese, Auszubildende bei den Buchwichteln in der Buchhandlung Moller, mag es zum einen süß und romantisch und zum anderen blutrünstig und spannend. Es könnte kaum gegensätzlicher sein. Bei der Veranstaltung Frühlingswichtel präsentierte sie den gefühlvollen Jugendroman „Bleib bei mir, Sam“ von Dustin Thao, eine Geschichte von Verlust, Abschied nehmen und Endgültigkeit akzeptieren.

Gleich daneben war der rasante Thriller „Zu wenig Zeit zum Sterben“ von Steve Cavanagh zu finden. Ein Strafverteidiger muss die Geschworenen von der Unschuld seines schuldigen Mandanten, dem Paten der New Yorker Russenmafia überzeugen, um das Leben seiner eigenen Tochter zu retten.

„Quiet Girl“ und „Book Love“ – zwei Comicbücher der Autorin Debbie Tung beschreiben auf einfühlsame Weise die Welt von introvertierten Buchliebhabern.

Aber im „Sanatorium“ von Sarah Pearse geht es wieder um Nervenkitzel bis in die Spitzen, wenn plötzlich Menschen in einem eingeschneiten, von der Außenwelt abgeschnittenen Hotel verschwinden.

Der Titel „Roxy – Ein kurzer Rausch, ein langer Schmerz“ von Neal Jarrod Shusterman wirkt beängstigend. Erzählt wird die verführerische Abhängigkeit von Schmerzmitteln und Halluzinogenen aus der Sicht der Drogen. Die größte Party ist der Tod.

Madelena Tornese (links) begeistert eine Besucherin mit ihren Lesetipps.
Madelena Tornese (links) begeistert eine Besucherin mit ihren Lesetipps. © HK | Doreen Westphal

Humorvolle Sachlichkeit

Der Oberstudienwichtel Laurent Weydmann stellt einige philosophische Titel, aber auch queere und satirische Neuerscheinungen vor. Ein niemals wegzudenkender, aber immer noch aktueller Klassiker ist der in siebten Auflage erschienene humoristische Ratgeber „Heile Welt“ von Loriot.

Etwas mehr sachlich wird es in der Analyse der Soziologin Arlie Russel Hochschild in „Fremd in ihrem Land“. Die Autorin begibt sich auf eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten nach Louisiana und trifft dort auf viele frustrierte Landsleute, deren Amerikanischer Traum geplatzt ist. Ihre veraltete Wertevorstellung passt nicht mehr in die Zeit und dennoch sehnen sie sich danach zurück.

Beim nächsten Titel „Boyfriend Material“ von Alexis Hall wird „in sehr trockenem, britischen Humor die Woke Culture durch den Kakao gezogen“, interpretiert Weydmann. Luc, der skandalöse Sohn berühmter Eltern fällt immerzu mit negativen Schlagzeilen in der Presse auf und schadet somit dem Ansehen der Wohltätigkeitsstiftung, für die er beschäftigt ist. Um sein Image aufzupolieren, muss ein möglichst skandalfreier, perfekter Freund her, der Anwalt Oliver. Der Roman beschreibt, wie aus der anfänglichen Fake-Beziehung eine berührende Liebesgeschichte wird und es gibt auch schon die Fortsetzung „Forever Material“.

Inspiriert vom Maler Paul Cézanne, der einmal sagte: „Solange man kein Grau gemalt hat, ist man kein Maler“, untersucht der Philosoph Peter Sloterdijk in „Wer noch kein Grau gedacht hat: eine Farbenlehre“ die Grauzonen des Lebens mit seinen vielen Schattierungen.

Etwas leichtfüßiger und humorvoller kommt Dieter Wischmeyer mit seinen Lebensweisheiten in „Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur“ daher. „Er schwingt das Wort wie einen Vorschlaghammer.“, so Weydmann.

Kindlich verrückt

Als lesesüchtiger Powerwichtel hat Leonie Hensel ein paar bemerkenswerte Kinder- und Erwachsenenbücher ausgewählt. Die cyanblauen Katzenaugen auf dem Cover ziehen einen schon beim Hinschauen in ihren Bann, so dass man an dem Buch „Frankie“ von Jochen Gutsch und Maxim Leo nicht vorbeikommt. Der sprechende Straßenstreuner rettet den lebensmüden Herrn Gold und was als Fadenspiel beginnt, entwickelt sich zu einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei Außenseitern auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.

Um Freundschaft geht es auch in dem Roman „Morgen, Morgen und wieder Morgen“ von Gabrielle Zevin, hier zwischen zwei leidenschaftlichen Gamern, die sich schon als Teenager die Zeit mit Videospielen vertrieben haben und die sich als Erwachsene wiedertreffen und gemeinsam ein Spiel entwickeln. Was zunächst ein großer Erfolg wird, führt schnell zu Konkurrenzdruck und Konflikten. Wieviel hält eine Freundschaft davon aus?

Wenn irgendjemand weiß, wie man durch einen Orkan kommt, dann sind es Kapitäne. Wie geht man damit um, wenn ein heftiger Sturm durch das eigene Leben oder durch die Welt tobt? Dieser Frage geht Stefan Kruecken in seinem Buch „Das muss das Boot abkönnen“ nach. Kurz gesagt: „Mit Mut statt Wut“, die Gesellschaft braucht kein Jammern, sondern Lösungen und Menschen, die anpacken.

Die Kinderbuchfans von Rachel Bright kommen in „Gecko und das Glück des Gebens“ voll auf ihre Kosten. Der kleine Gecko Goldi hält sich für einen Superstar und kennt keine Rücksicht. Als er kritisiert wird, zieht er sich beleidigt in eine Schlucht zurück und spielt sich selbst etwas vor. Das zurückhallende Echo in der Schlucht findet er grässlich, doch erst ein zarter Schmetterling erklärt ihm, dass es seine eigene Stimme ist, die er hört. Wie er am Ende ein echter Superstar wird, beschreiben vor allem die bezaubernden Illustrationen von Jim Field.

Weitere Übersichten aus dem Harz:

Lesetipps: Mega-Bestseller

Eigentlich bevorzugt Susanne Kinne, die Oberbuchwichtelin nicht den Mainstream, aber an den diesjährigen Bestsellern kommt sie nicht vorbei. Beide der folgenden Autorinnen haben in ihren neuen Werken ihren Stil neu erfunden. Bei Dörte Hansen in „Zur See“ wirken die Figuren zunächst, als gehörten sie nicht zusammen. Und wer das Buch gelesen hat, wird demnächst mit etwas Unbehagen auf eine Nordseeinsel reisen, denn das Leben hat sich in den letzten Generationen für die Insulaner grundlegend geändert. In der Geschichte einer Familie werden alle Gefühlslagen der Bewohner in einer gewaltigen, tiefen Sprache erzählt. „Es ist in seiner Poesie wie ein musikalisches Meisterwerk.“, so Kinne.

Auch Juli Zeh erprobt eine neue Erzählweise in „Zwischen Welten“. Gemeinsam mit Simon Urban führt sie einen Dialog via WhatsApp und Email. Herausgekommen ist ein Meisterwerk über die Annäherung zweier völlig verschiedener Lebensentwürfe. Die Bäuerin Theresa und der Journalist Stefan erzählen sich aus ihren Welten und dabei prallen ziemlich gegensätzliche Haltungen aufeinander, ein Kreuzfeuer politischer Unkorrektheiten. Können die Gegensätze überwunden werden? Und hat die alte Freundschaft noch eine Chance?

Noch bis zum 15. Oktober findet die Landesgartenschau in Bad Gandersheim statt und passend zu diesem Event erscheint „Lass Blumen morden“ – 13 mörderische Kurzgeschichten von verschiedenen Harzautoren. „So unterschiedlich wie die 13 Autoren sind, so unterschiedlich sind auch ihre Kurzgeschichten, aber ein Muss für alle Harzkrimi-Fans.“, erzählt Kinne.

Gleich darauf stellt sie den Titel „Die Meisterin der Wachsfiguren“ von Anna-Luise Melle vor, eine bewegende Biographie über das Leben der Madame Tussaud vor, die mit ihrem Wachsfigurenkabinett zur unsterblichen Legende wurde.

Jetzt wird’s historisch

Das Team der Bücherei in Barbis empfiehlt persönliche Klassiker, die man sich immer montags zwischen 15 und 17 Uhr im alten Rathaus an der Barbiser Straße ausleihen kann – an Feiertagen wie dem 1. Mai und Pfingstmontag bleibt die Bücherei allerdings geschlossen.

In „Der Donnerstagsmordclub“ von Richard Osman treffen sich vier charmante Rentnerinnen und Rentner jeden Donnerstag in der Seniorenresidenz Coopers Chase in England, um ungelöste Kriminalfälle aufzuklären, beschreibt Eva vom Bücherei-Team die Handlung. Als direkt vor deren Haustür ein Mord geschieht, nehmen die Vier – zum anfänglichen Leidwesen der örtlichen Polizei – die Ermittlungen auf. Mit Schirm, Charme, Strickjacke und Gewitztheit jagen sie den Mörder. Evas Fazit: „Witzig, spritzig mit einer großen Portion britischem Humor.“

Bei den anderen beiden Tipps aus der Bücherei Barbis handelt es sich um historische Romane. „Die Elbflut“ von Birgit Jasmund, erschienen am 18. April 2023, ist eine Mischung aus fiktiver Geschichte und der Hochwasserkatastrophe von 1784. Durch strengen Frost kommt es zu Eisverwerfungen auf der Elbe. Der Geograf Conrad gehört zu den Menschen, die die Gefahr durch die Eisschollen erkennen. Die Obrigkeit will davon allerdings nichts wissen. Conrad lernt in Dresden die Fischerstochter Luise kennen, die als Wäscherin zum Unterhalt ihrer Familie beiträgt und davon träumt, ihr Talent zum Stricken zu nutzen. Es bahnt sich eine besondere Verbindung zwischen den beiden an. Aber während des Hochwassers werden sie auseinander gerissen. „Das Buch gibt Einblicke in die Gesellschaft des späten 18. Jahrhunderts. Es ist spannend geschrieben und man legt es nur ungern aus der Hand“, urteilt das Bücherei-Team.

„Minna – Kopf hoch, Schultern zurück“ von Felicitas Fuchs ist der Auftakt einer Trilogie über drei Generationen und drei starke Frauen nach wahren Begebenheiten. Der historische Roman entführt in die goldenen zwanziger Jahre. Man erlebt mit, wie sich daraus die Nazi-Zeit und der Zweite Weltkrieg entwickeln, so das Bücherei-Team. Minna beschreiben sie als eine für ihre Zeit emanzipierte Frau, die allerdings einen Hang zu schwachen Männern hat und dadurch in unglückliche Beziehungen gerät. Im zweiten Teil „Hanne, die Leute gucken schon“ steht Minnas Tochter Hanne im Fokus, durch die die Leserschaft die Jahre 1951 bis 1978 erlebt. Der dritte Band „Romy, Mädchen, die pfeifen“ erscheint im Juli 2023.

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