Königskrug. Wenn der Borkenkäfer Fichtenwälder zerstört, sieht das auf den ersten Blick nicht gut aus. Für die Artenvielfalt ist es aber von Vorteil.

Das vom Borkenkäfer verursachte Fichtensterben führt nach Einschätzung des Umweltverbands NABU zu einer größeren Artenvielfalt im Harz. Eine Zunahme der Vogelarten, wie sie vom Nationalpark beobachtet wurde, sei die logische Folge der vom Borkenkäfer ausgelösten Entwicklung hin zu naturnäheren Wäldern, sagte Sprecher Philip Poth der Deutschen Presse-Agentur. Bei einem Monitoring auf dem 925 Meter hohen Achtermann-Berg nahe Königskrug im Kreis Goslar hatte der Nationalpark in diesem Jahr 33 Vogelarten registriert.

Vor zehn Jahren seien es auf dem Gebiet nur 20 Arten gewesen, sagte Nationalpark-Sprecher Friedhart Knolle. Das ist eine Steigerung um 65 Prozent. Während der dritthöchste Berg Niedersachsens im Jahr 2008 größtenteils noch mit vitalen Fichten bewachsen war, habe der Wald sich mittlerweile durch Stürme und Borkenkäferbefall verändert, sagte Knolle. Zwischen den toten Fichtenstämme keime eine neue Wildnis, die vielen Vögeln Lebensräume biete.

Neue Vogelarten im Erfassungsgebiet auf dem Achtermann, das in Höhenlagen zwischen 750 und 900 Metern liegt, sind zum Beispiel Fichtenkreuzschnabel, Baumpieper, Gimpel oder Kuckuck. Auch der Wendehals und Tannenhäher wurden registriert.

Ein ähnlicher Effekt sei in Deutschland großflächig erstmals im Bayerischen Wald beobachtet worden, nachdem dort im Jahr 1970 Deutschlands erster Nationalpark eingerichtet wurde, sagte NABU-Sprecher Poth. Dort sei ebenso wie seit längerer Zeit im Nationalpark Harz der Borkenkäfer in den reinen Fichtenforsten nicht mehr bekämpft worden.

Die anfälligen Monokulturen seien schnell abgestorben, "was zunächst apokalyptische Anblicke bot", sagte Poth. Dann habe eine Naturverjüngung des Waldes eingesetzt. Heute gebe es im Bayrischen Wald einen naturnahen Mischwald mit vielen ökologischen Nischen, die von verschiedenen Vogelarten genutzt werden können.

Ähnliches geschehe auch in den vom Borkenkäfern zum Absterben gebrachten Fichten-Wäldern am Achtermann-Berg, schreibt die Nationalpark-Expertin Caren Pertl in der Zeitschrift "Unser Harz". Die lichten Bereiche mit ihren vielfältigen Strukturen böten auch Tag- und Nachtgreifvögel wie Rotmilan, Mäusebussard, Rauhfuß- oder Sperlingskauz Aussichten auf Jagderfolg. "Die Käuze profitieren zudem von den Spechthöhlen, die in stehendem Totholz vermehrt vorkommen", berichtet Pertl.

Die Ergebnisse aus zwei Erfassungsjahren am Achtermann ließen sich zwar nicht für den gesamten Harz verallgemeinern, meint die Fachfrau. "Dennoch zeigt dieses Beispiel die Entwicklungsmöglichkeiten, die diese auf den ersten Blick tot wirkenden Lebensräume bieten", berichtet Pertl. Im übrigen profitierten nicht nur Vögel, sondern auch zahlreiche weitere Arten von der natürlichen Walddynamik, die momentan in vielen Bereichen des Nationalparks zu erkennen sei. dpa