Gifhorn. Bei den Versammlungen mit Kritikern und Befürwortern der Corona-Maßnahmen geht die Polizei gegen Maskenverweigerer vor und stellt 30 Verstöße fest.

Der große Demo-Samstag in der Gifhorner Innenstadt fing klein an: Schätzungsweise 200 Menschen kamen auf dem Schillerplatz zur Kundgebung des Bündnisses für Solidarität zusammen. Bei der Großdemo vom Team um Nicole Wolf und Olaf Lange unter dem Motto „Transparenter politischer Dialog“ auf den Schlosswiesen mit zwischenzeitlichem Umzug durch die Stadt zählte die Polizei in der Spitze rund 2500 Menschen.

Schätzungsweise 200 Menschen kamen auf dem Schillerplatz zur Kundgebung des Bündnisses für Solidarität zusammen.
Schätzungsweise 200 Menschen kamen auf dem Schillerplatz zur Kundgebung des Bündnisses für Solidarität zusammen. © Reiner Silberstein

„Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagte Sylvia Pfannschmidt als Bündnismitglied auf dem Schillerplatz, „für Opfer der Pandemie, Pflegekräfte und für die Demokratie.“ Sie befürworte Demonstrationen, „aber es geht nicht, dass Menschen sagen, Impfen sei der größte Völkermord der Geschichte!“ Für Martin Wrasmann stand fest: „Wir überlassen den anderen nicht diese Stadt.“ Diese seien zwar mehr, aber das Bündnis habe „die Macht der Worte“. Während der Versammlung und der Aktionen in der Fußgängerzone sollte Geld gesammelt wurden, um Impfdosen für afrikanische Länder zu finanzieren.

Die Solidarität galt auch den Ukrainern. Pfannschmidt: „Deren Traum von Demokratie wird gerade zerbombt.“ Darauf ging auch EU-Abgeordnete Lena Düpont ein: „Wir sehen dort, was

Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto
Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto "transparenter politischer Dialog".  © Reiner Silberstein

Menschen dafür tun, um in Freiheit zu leben. Was sind wir eigentlich bereit, dafür zu tun?“ Matthias Nerlich berichtete davon, dass er täglich Kontakt zu den Menschen in Gifhorns Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskij habe: „Heute kam eine kurze SMS: ‘Guten Morgen, wir leben.’“ Das habe ihn schwer betroffen gemacht. „Mich macht die Hilflosigkeit verrückt.“ Er überlege, wie man Hilfsgüter in die Ukraine bringen kann – mit dem Roten Kreuz?

Nach der Kundgebung besetzten die Bündnismitglieder ihre Stände am Ceka-Brunnen. Sozialdemokraten, Grüne, Linke, Die Partei, Mitglieder von Bunt statt Braun und Vertreter des Kinderschutzbunds ließen sich von Passanten ihre Ziele auf Papier notiert an eine Wäscheleine heften.

Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto
Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto "transparenter politischer Dialog".  © Reiner Silberstein

Wünsche waren unter anderem: „Dass aus Verpeilten wieder Freunde werden“, „Dialog statt dissen“ und „Endlich wieder Konzerte!“

Aber eigentlich stand der Samstag im Zeichen der Großdemo ab 14 Uhr auf den Schlosswiesen – mit zahlreichen Rednern, die gegen Masken- und Impfpflicht plädierten. Sie startete, als auch die Teilnehmer eines Autokorsos aus Braunschweig und Wolfsburg am Gifhorner Schützenplatz eingetroffen und zum Schloss hinüberspaziert waren.

Die 2500 Teilnehmer am Schloss auschten unter anderem den Worten von Walter Weber, dem Mitbegründer von „Ärzte für Aufklärung“. Er war sich sicher, dass die Fotos vom Anfang der Pandemie in Bergamo Fake-Bilder waren und die Agenda der Pharmazie ein „großes Mafiastück“ ist.

Bekannter Querdenker grüßt per Videobotschaft

Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto
Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto "transparenter politischer Dialog".  © Reiner Silberstein

Unter Hustenreizen gab er die Vermutung wieder, die Pharmaindustrie habe Angst und Panik mit verursachen lassen, um Impfungen besser verkaufen zu können.

Der in der Querdenker-Szene bekannte Mediziner Bodo Schiffmann kam mit einem suggestiv wirkenden Video auf einem Großbildschirm daher – langsam mit vielen Denkpausen sprechend: Es habe niemals eine tödliche Pandemie gegeben und: „Die Faschisten sitzen in der Regierung“.

Querdenker-Anwalt Ralf Ludwig, fand, dass die Politik eine falsche sei. „Mit dem Geld, das Biontech verdient, könnte man den Hunger der Welt beseitigen.“ Er sagte auch, dass es Studien gebe, die die Wirkungslosigkeit von Impfungen bewiesen – nur welche Studie, das sagte er nicht. Die Maskenpflicht jedenfalls, so sprach der Rechtsanwalt, mache die Menschen zu Objekten staatlichen Handelns – das widerspräche dem Artikel 1 des Grundgesetzes.

Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto
Auf den Schlosswiesen versammelten sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen unter dem Motto "transparenter politischer Dialog".  © Reiner Silberstein

Er versicherte auch, dass niemand vor seiner Bühne den Staat delegitimieren wolle, „sondern nur die Maßnahmen der Regierung“. Da ging er nicht konform mit Olaf Lange, dem Gifhorner Mitorganisator der Demo, der sich in dieser Funktion gern Oliver nennt. Denn der fragte eingangs, ob denn auch alle da seien, die „für die Abschaffung des Systems stehen“. Ein lautes Ja schallte ihm aus der Menge zurück.

Demonstranten reisten aus großer Entfernung an

Die war nicht nur aus dem Kreis Gifhorn angereist, sondern nach den Autokennzeichen auf den Parkplätzen zu urteilen aus dem gesamten Umkreis von wenigstens 100 Kilometern. Die Teilnehmer zogen mit Plakaten, Bannern und Pappschildern zu Felde, die sich gegen „Fake-Pandemie“ und „tötende Impfungen“ sowie für einen „Widerstand gegen die Impfdiktatur“ richteten. Ein Pärchen beklagte sich Russland-Flagge schwenkend über Zustände à la „DDR 2.0“.

Polizisten prüfen die Atteste zweier Demo-Teilnehmer. 
Polizisten prüfen die Atteste zweier Demo-Teilnehmer.  © Reiner Silberstein

Die Polizei hatte laut Pressesprecher Christoph Nowak Verstärkung der zentralen Polizeidirektion Niedersachsen inklusive Bereitschaftspolizei aus Braunschweig und Hannover. Deren Mannschaftswagen blockierten allein schon drei Viertel des Parkplatzes am Kreishaus II. Die Beamten gingen nach mehreren Aufforderungen – auch über einen eigenen Lautsprecherwagen – gegen Maskenverweigerer vor. Sie ließen sich Ausweise und Atteste über eine Maskenbefreiung zeigen. „In Niedersachsen muss dabei auch die Diagnose draufstehen“, so Nowak. Das wussten einige Teilnehmer offenbar nicht – sie hatten das Teilnehmerfeld zu verlassen und durften auf der Nachbarwiese mit Abstand zu anderen eine „Maskenpause“ einlegen.

„Gifhorn lässt sich nicht den Aluhut aufsetzen“

Im Verlauf der Schlosswiesen-Versammlung stellte die Polizei laut Pressesprecher Nowak mehrere Verstöße gegen die Corona-Verordnung des Landes fest. „Es wurden knapp 30 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.“ Bei der Identitätsfeststellung nach einer „Straftat zum Nachteil von Polizeibeamten“ habe sich die Person den Einsatzkräften widersetzt. Abseits der Versammlungen habe es auch eine Strafanzeige wegen Beamtenbeleidigung gegeben.

Von der Großdemo mit Zäunen und Polizisten abgeschirmt demonstrierte eine etwa 120-köpfige Gruppe der Linken am Kreishaus II nahezu für sich. Ihr Motto hatte Marion Köllner so angemeldet: „Gifhorn lässt sich nicht den Aluhut aufsetzen“. Die AfD hatte Mahnwache und Rednerbühne am Marktplatz angemeldet.

Nach 15 Uhr startete der ganze Tross der Schlosssee-Demonstranten zu einem Umzug von den Schlosswiesen rund 7 Kilometer durch die Stadt. Die Route reichte über Konrad-Adenauer-Straße, Calberlaher Damm, Sonnenweg, Braunschweiger Straße, Fallerslebener Straße und über die Konrad-Adenauer-Straße zurück zu den Schlosswiesen. Dort war die Abschlusskundgebung geplant.

Dieser Artikel wurde im Laufe des Samstags mehrmals aktualisiert

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