Gifhorn. Beim Lichtermeer zum Kriegsende erinnerten Redner, wie das Nazi-Regime Unschuldige verfolgt hatte. Historiker schilderten Schicksale.

150 Menschen gedachten am späten Mittwochabend im Schlosshof des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945. Dass man an einem geschichtsträchtigen Ort war, verdeutlichte der Historiker Professor Dr. Manfred Grieger.

Denn das Amtsgericht mit dem Gerichtsgefängnis war damals in einem Teil des Schlosses untergebracht und wurde ein „Ort des Todes“. Etliche Menschen wurden damals hier in „Schutzhaft“ genommen oder wegen kleiner Vergehen inhaftiert. Mindestens einer starb sogar in dem Gefängnis, etliche andere wurden deportiert und ermordet. Beispielhaft nannte Grieger als Häftling unter anderem Otto Bödecker aus Wagenhoff.

Das Regime ließ Männer in der Diakonie Kästorf zwangssterilisieren

Das alles geschah, wenngleich Gifhorn ein „kleines Städtlein am Rande“ war, sagte Grieger. Viele Oppositionelle gab es damals nicht im Landkreis, in dem der Krieg bereits am 11. April durch den Einmarsch der Amerikaner in der Stadt endete. Zudem erinnerte Grieger an die Zwangssterilisation an Männern, die damals in der Diakonie in Kästorf wohnten. Eingebettet waren die Reden in der Musik der Gruppe If a Bird aus Braunschweig, die eigene Texte vortrug.

Landrat Heilmann fragte Großeltern vergeblich nach NS-Zeit

Landrat Tobias Heilmann betonte in seiner Rede, dass es in der heutigen Zeit darum gehe, Diskriminierung, Hass, Rassismus und Antisemitismus entgegenzutreten. „Als ich meine Großeltern gefragt habe, was sie damals in der Zeit des Nationalsozialismus gemacht haben, habe ich keine Antwort bekommen“, sagte Heilmann. Er selber wolle so nicht auf eine entsprechende Frage seiner Enkel reagieren müssen. Daher sei es wichtig, das „Nie wieder“ weiterzutragen und an das unendliche Leiden und das unvorstellbare Leid zu erinnern und es nicht zu vergessen. Er zitierte den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer, der sagte, dass die heute Lebenden nicht verantwortlich seien, für das was geschehen ist. Aber man sei verantwortlich, dass das nie wieder passiere.

Heilmann erwähnte auch die brutalen Übergriffe gegen Wahlkämpfer in den letzten Tagen. Stolpersteine seien ein gutes Format, an die Opfer des NS-Regimes zu erinnern. „Sie haben so viel Leid ertragen und bekommen so ein Gesicht und einen Platz in unserer Gesellschaft. Es liegt an uns, was wir zulassen und ob wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Ich bin stolz dass im kommenden Februar Stolpersteine vor dem ehemaligen Gefängnis verlegt werden, um an die Opfer damals zu erinnern“, sagte Heilmann.

Millionen Ukrainer litten im Weltkrieg als Zwangsarbeiter

Der Vorsitzende der liberalen jüdischen Gemeinde Wolfsburg, Dimitri Tukuser, wurde persönlich. Er sei zehn Jahre nach dem Krieg in Wilna geboren worden. Nachdem er erfahren hatte, dass es zwei Mal ein Ghetto gab, aus dem 120.000 Juden in die Konzentrationslager deportiert wurden, habe er das immer vor Augen gehabt. „Dieses Trauma ist Teil der jüdischen Identität“, sagte er.

Er erinnerte, dass damals mehr als drei Millionen Ukrainer als Zwangsarbeiter in das Deutsche Reich verschleppt wurden. „Wir haben die Ukraine lange nicht gesehen. Jetzt sind wieder Ukrainer hier und brauchen unsere Hilfe.“ Auch seine Gemeinde helfe. „Jeder sollte sich fragen, was er machen kann“, forderte Tukuser auf. „Man kann immer etwas machen.“ Nach einer Schweigeminute und einem Lied in hebräischer Sprache ließen die Anwesenden ihre Smartphone-Lampen leuchten und tauchten den Schlosshof in ein Lichtermeer.

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