Gifhorn. Beim Anbau von Industriehanf liegt Niedersachsen bundesweit vorn. Auch in der Region wird von Landwirten Cannabis angebaut.

Hanf (lateinischer Name: Cannabis) ist eine Pflanzengattung der Familie der Hanfgewächse, zu denen unter anderem auch Hopfen gehört. Botaniker unterscheiden zwischen Cannabis indica (mit Rauschwirkung) und Cannabis sativa (Industriehanf). Verantwortlich für die berauschende Wirkung ist eine psychoaktive Substanz: das so gennante Tetrahydrocannabinol (THC).

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung genehmigt Nutzhanf-Anbau

Bei Marihuana liegt der THC-Gehalt bei durchschnittlich zehn Prozent. Bei Nutzhanf darf er 0,2 Prozent nicht übersteigen. Zugelassen sind in Deutschland für den landwirtschaftlichen Anbau nur Hanfsorten, deren THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt. Der Anbau wie beispielsweise in Sprakensehl, Kreis Gifhorn, muss der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angezeigt werden. Auch die Blüte muss dem BLE gemeldet werden. Im Anschluss daran nimmt der BLE-Prüfdienst Proben vor Ort, um den THC-Gehalt zu bestimmen. Mit der Ernte des Nutzhanfs darf wiederum erst begonnen werden, wenn die BLE diese freigibt.

Ein weiterer Wirkstoff im Hanf ist das Cannabidiol (CBD). Es kann bis zu 40 Prozent des Pflanzenextrakts ausmachen. CBD-haltige Produkte finden in der Pharmabranche Verwendung zum Beispiel als schmerzstillende Arzneimittel, in der Lebensmittelindustrie als Nahrungsergänzungsmittel und in der Kosmetikbranche als Anti-Aging-Booster oder Hautpflegecremes.

„Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass CBD als neuartiges Lebensmittel eingestuft werden kann, sofern es die Bedingungen der EU-Rechtsvorschriften über neuartige Lebensmittel erfüllt“, heißt es auf der Internetseite der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Das Sachverständigengremium der EFSA habe 19 Anträge auf Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel erhalten, so die Erläuterung im Juni 2022. Zu diesem Zeitpunkt gab die EFSA auch bekannt, dass die Bewertung zu Cannabidiol als neuartiges Lebensmittel bis zum Vorliegen neuer Daten ausgesetzt werde. Die Deadline dafür ist Oktober 2023.

Ungeachtet dessen gibt es auf dem Markt mittlerweile von CBD-Kaugummis über CBD-Snacks für Hunde bis hin zum CBD-Gel für ein angenehmes Körpergefühl. Die Verbraucherzentrale stellt klar: „Lebensmittel mit dem Hanf-Inhaltsstoff CBD liegen im Trend – sind aber alles andere als unbedenklich. Wie riskant sie sind, ist nicht geklärt. Und als Lebensmittel, einschließlich als Nahrungsergänzungsmittel, haben sie keine Zulassung.“

Hanf gilt als eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt

Hanf gilt als eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt, dessen Geschichte rund 12.000 Jahre zurückreicht. Im thüringischen Eisenberg wurden bei archäologischen Grabungen Reste von Hanfsamen gefunden, die aus der Jungsteinzeit stammen. In China gab es schon 2800 vor Christus Seile aus Hanf. Etwa 100 v. Chr. wurde dort Papier aus Hanffasern hergestellt. Nach Europa gelangte der Hanf über Indien und den Orient. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot erwähnt um 450 v. Chr. Kleidung aus Hanfgewebe. Plinius der Ältere berichtet, dass Hanf Schmerzen lindere. Karl der Große erwähnt Hanf 812 in seiner Landgüterverordnung. Hildegard von Bingen geht um 1150 in ihrer Heilmittel- und Naturlehre „Physica“ auf den Hanf als Arzneimittel ein.

Vor allem in Spanien wird mit Beginn des 13. Jahrhunderts Hanffaser zur Herstellung für Papier verwendet. Johannes Gutenberg druckte 1455 seine berühmte Bibel auf Hanf-Papier. Neben der Verwendung für Bekleidung und zur Papierherstellung war Hanf vor allem im Schiffbau nach Holz das zweitwichtigste Baumaterial. Seile und Segeltuch bestanden aus Hanf, die Schiffsplanken abgedichtet mit einer Mischung aus Pech und Hanf. Heinrich VIII. erließ in England sogar eine Anbaupflicht für Hanf. Und ohne Hanf wäre Amerika möglicherweise nicht entdeckt worden.

Die Santa Maria von Christoph Kolumbus hatte Segel aus Hanf, Seile aus Hanf und im Frachtraum Hanfsamen, die wegen ihres hohen Eiweißgehalts als Nahrung für die Seeleute dienten, aber auch als Saat für den Anbau in der Neuen Welt. Kein Wunder also, dass sich an der Säule des Kolumbus-Denkmals, zur Weltausstellung 1888 in Barcelona errichtet, Hanfpflanzen ranken. Im 17. Jahrhundert hatte der Hanfanbau in heutigen US-Staaten wie Virginia eine so überragende Bedeutung für die Erschließung des Kontinents, dass der Anbau ausdrücklich vorgeschrieben war.

Der Niedergang des Hanfanbaus setzte Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Mit der Industrialisierung bediente sich die Textilindustrie zunehmend der Baumwolle. Spinnmaschinen kamen zum Einsatz, Segelschiffe wurden von Dampfschiffen verdrängt. Die Papierindustrie fand in Holz einen billigeren Rohstoff.

In den 1930er Jahren begann in den USA eine Anti-Hanf-Kampagne. Zunächst wurde die Besteuerung drastisch erhöht, schließlich folgte ein Verbot. Das Unternehmen DuPont, bisher großer Abnehmer von Hanföl, setzte mit dem Patent für Nylonfaser auf Kunststoffe. Während des Zweiten Weltkriegs gab es ein kurzes Comeback. Zur Nazi-Zeit gab es in Deutschland sogar eine Hanffibel. 1941 stellte Autobauer Henry Ford den Prototypen seines sogenannten Hemp-Cars vor, ein Hanfauto, dessen Karosseriebauteile aus einem mit Harz versetzten Gemisch vom Hanf- und Sojafasern bestand. Nach dem Krieg ging der Hanfanbau rapide zurück, unter anderem auch, weil immer mehr Kunststoffe zur Verfügung standen.

Seit 1996 ist der Anbau von Nutzhanf in Deutschland wieder erlaubt

1989 legte die EU den Grundstein für ein Comeback des Industriehanfs. Seit 1996 darf Nutzhanf wieder in Deutschland angebaut werden. Heute wird Hanf als nachhaltiger Baustoff zur Dämmung genutzt und in Armaturenbrettern und Holzverkleidungen von Luxusautos und Schnellbooten verarbeitet.

Nach Angaben des niederländischen Unternehmens Hempflax werden Hanffasern für Türverkeidungen und Autoinnenausstattungen bei Bugatti, Jaguar und Bentley sowie in einigen Modellen von BMW und Mercedes verwendet. Volkswagen erklärte auf Anfrage, dass in den Modellen Tiguan und Golf in Teilen der Türverkleidung ein Hanf-Flachsgemisch verwendet wird.

Hanf als nachwachsender Rohstoff gilt in höchstem Maße als umweltfreundlich. Soll heißen: Die Pflanze nimmt während ihres Wachstums mehr CO2 auf, als sie abgibt. Auf diese Weise trägt Hanf zur Verminderung des Treibhauseffekts bei. Für die Erzeugung von einem Kilo Hanffasern werden 50 Prozent weniger Wasser benötigt als für die Produktion von einem Kilo Baumwolle.

Niedersachsen ist mit 1500 Hektar größter Anbauer in Deutschland

Mittlerweile ist der Anbau von THC-armem Industriehanf in allen Ländern Europas sowie beispielsweise in Kanada und Australien seit Jahren wieder erlaubt, nur in den USA blieb er bis 2018 verboten. Die größten Anbauflächen Europas befanden sich im vergangenen Jahr laut Statista in Frankreich. Dort wurde auf einer Fläche von 19.540 Hektar Hanf angebaut, in Deutschland waren es 5400 Hektar. Insgesamt lag die Anbaufläche von Hanf in der EU bei rund 33.000 Hektar. Im nationalen Vergleich liegt Niedersachsen mit rund 1500 Hektar vor Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.