Berlin. Zwei Experten erklären, wie Gartenarbeit das Leben schöner macht, aber auch, welcher Typ Mensch sich keinen Garten zulegen sollte.

Im Garten kommen Freude und Schmerz zusammen: Sonnenstrahlen im Gesicht, zerkratzte Unterarme vom Gräser schneiden. Natur beim Wachsen zusehen, den Kampf gegen Ungeziefer nicht gewinnen können. Liegestuhl und Ameisenplage sind oft nur Zentimeter voneinander entfernt. Ein viel gelobtes Gartenbuch trägt den Titel: Garten ist Krieg.

Und dennoch waren die Menschen bereits in der Antike überzeugt, dass das Werkeln im Grünen sich positiv auf die Psyche auswirken kann. Heute schreibt die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz, dass die sozialen Kontakte beim Gärtnern und der Umgang mit der Natur die besten Mittel gegen Depressionen seien. Gartentherapeuten haben Antworten, wieso die Arbeit im Garten gesund ist und wie man verhindern kann, dass sie zur Belastung wird.

Im Garten sieht man das Ergebnis der eigenen Arbeit

Sabine Priezel ist Gartentherapeutin und arbeitet in einer Psychiatrie: „Es macht glücklich, dass ich im Kleingarten selbstwirksam sein kann“, sagt sie. „Ich schaffe etwas mit meinen Händen und sehe das Ergebnis.“ Wenn man mit den Händen in der Erde wühle, den Wind auf der Haut, sagt Priezel, dann spüre man sich selbst, – ein lebendigeres Gefühl, als den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen.

Im Beruf begleiten viele nur bestimmte Phasen eines Produkts. Im Garten sieht man das Ergebnis – und sogar noch besser: Man kann es teils schmecken. Besonders für Kinder sei es wichtig, den Ursprung unserer Nahrung zu kennen und den Geschmack frisch geernteter Früchte zu erleben. „Wenn der Kontakt zur Natur komplett wegfällt oder zu gering ist, werden wir krank“, sagt die Gartentherapeutin.

Eine Forschergruppe der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften untersuchte, welche Auswirkungen Gartentherapie auf Schmerzpatienten hat. 79 Menschen mit chronischen Schmerzen nahmen an der Studie teil. Das Ergebnis: Die Stimmung der Teilnehmer der Gartenbau-Therapiegruppe verbesserte sich, Angst, Depressionen, Wut, Müdigkeit und Verwirrung gingen zurück. Ebenso sank ihr Stresslevel.

Misserfolge im Kleingarten akzeptieren: „Gärtner sind oft gelassener“

Frühere Studien haben außerdem herausgefunden, dass Gärtner auch ein besseres Selbstwertgefühl und ein positiveres Körperbild besitzen – also ihren eigenen Körper stärker wertschätzen.

„Im Garten kommt es nicht darauf an, ständig Spitzenleistungen zu erbringen“, sagt Andreas Niepel. Auch er ist Gartentherapeut und arbeitet in einer neurologischen Klinik: „Man darf Fehler machen. Das ist sehr befreiend.“ Im Schrebergarten könne man nicht auf alles Einfluss haben. Gärtner seien oft gelassener als Nicht-Gärtner. Das bestätigt auch Sabine Priezel: „Man entwickelt Toleranz, Misserfolge zu akzeptieren“, sagt sie.

Welcher Kleingartentyp bin ich?

Es gibt ein paar Dinge, die man im Auge behalten sollte, damit die Freude im Kleingarten überwiegt. „Ein Kleingarten macht glücklich, wenn er einen Ausgleich zu dem bietet, was sonst im Alltag fehlt“, sagt Niepel. Um herauszufinden, was im Leben fehlt, empfiehlt der Gartentherapeut, sich erst mal der eigenen Bedürfnisse klar zu werden.

Bin ich jemand, der sich gerne körperlich verausgabt? Oder bin ich jemand, der immer unter Menschen sein muss? Genauso unterschiedlich wie die Menschen, seien laut Niepel auch ihre Arten zu gärtnern: zwischen akkurat auf 90 Grad geschnittenen Hecken und der Wildblumenwiese. Nach den eigenen Bedürfnissen sollte man sich im Kleingarten ausleben.

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Wer sollte sich besser keinen Schrebergarten anschaffen?

Beide Therapeuten sind sich einig: Grundsätzlich sei kein Typ Mensch ungeeignet für das Gärtnern. Wenn man jedoch nicht nach den eigenen Wünschen gärtnert, könne ein Schrebergarten laut Niepel auch todunglücklich machen und zum Stressfaktor werden. „Etwas, was eine Person innerlich belastet, sollte durch die Gartenarbeit nicht verstärkt werden“, sagt er. Ein Beispiel: Jemandem ist es wichtig, gut dazustehen. Die Person wird jedoch ständig von anderen negativ bewertet, insbesondere durch kritische Mitgärtner in der Gartengemeinschaft. Das führt dazu, dass sich der Betroffene schlecht fühlt.

Daher sei es wichtig, sich immer wieder seiner Bedürfnisse klar zu werden. Nur so könne man herausfinden, ob die eigene Arbeitsweise wirklich gut tut oder eher schadet. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass ein Garten nicht nur ein Ort der Entspannung ist, sondern mit Arbeit und Verantwortung verbunden ist. Die Pflege und Aufrechterhaltung erfordern Zeit, Engagement und Hingabe. Wen der Gedanke an Unkraut jäten, Obstbaumschnitt und Laubkehren bereits stresst, für den ist ein Schrebergarten wahrscheinlich nicht das Richtige.

Spießig war gestern – Immer mehr junge Leute zieht es in Schrebergärten.
Spießig war gestern – Immer mehr junge Leute zieht es in Schrebergärten. © iStock | SolStock

Spießerhochburg Kleingarten: Vorurteil oder Wahrheit?

Zur Belastung können auch die Vorschriften innerhalb des Gartenvereins werden. Obwohl man in einem Schrebergarten einige Freiheiten genießt, kann man auf dem eingezäunten Fleckchen Erde trotzdem nicht machen, was man will. Priezel gibt jedoch Entwarnung: Viele Vereine hätten ihre Regelungen im Laufe der Jahre aufgelockert und seien nicht mehr so streng. Penibel geschnittener Rasen und unkrautfreie Beete gibt es noch, jedoch verändert sich das Bild.

Viele junge Leute hätten sich aufgrund der Pandemie eine Parzelle angeschafft: „Kleingärtner sind gar nicht spießig“, sagt die Gartentherapeutin. Das Gartenzwerg-Image ist längst passé. Speziell in der heutigen Zeit, in der Bio-Lebensmittel und vegane Ernährung eine bedeutende Rolle spielen, gewinnen Kleingärten an Bedeutung. Sie bieten den Menschen die Möglichkeit, frische und gesunde Produkte anzubauen, eine Bienenwiese anzulegen und fördern damit die Nachhaltigkeit. Zudem ist ein Schrebergarten gerade in unserem schnelllebigen Alltag ein wertvoller Ruhepol und Ort der Entschleunigung. „Ein Kleingarten passt gut in die heutige Zeit“, sagt Priezel.