Berlin. Seit dem 28. Februar haben mehr Frauen in Deutschland Anspruch auf eine Brustkrebs-Vorsorge. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

  • Rund 70.000 Frauen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Brustkrebs
  • Um Tumore frühzeitig zu erkennen, wird die Brustkrebsvorsorge ausgeweitet
  • Wer profitiert davon? Und was ist neu? Die wichtigsten Infos

Die Brustkrebsvorsorge in Deutschland wird ausgeweitet. Seit diesem Mittwoch (28. Februar) haben Frauen im Alter von 70 bis 75 Jahren alle zwei Jahre einen Rechtsanspruch auf eine Röntgenuntersuchung der Brust. Das sieht eine novellierte Verordnung des Bundesumweltministeriums vor, die nun in Kraft tritt. Bisher war es Frauen nur bis zum Alter von 69 Jahren erlaubt, an den Röntgen-Untersuchungen zur Früherkennung von Brustkrebs teilzunehmen.

Brustkrebs ist mit jährlich rund 70.000 Neuerkrankungen die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Seit 2009 wird Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre eine Röntgen-Untersuchung zur Früherkennung angeboten. Nun hat das Bundesamt für Strahlenschutz die Strahlenrisiken neu bewertet. Dem Wunsch vieler Frauen könne nun entsprochen und die zulässige Altersgrenze erhöht werden, hieß es.

Früherkennung: Die Brust einer Frau ist auf einer Röntgenaufnahme zu sehen.
Früherkennung: Die Brust einer Frau ist auf einer Röntgenaufnahme zu sehen. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte: „Durch die erweiterte Altersgrenze können künftig noch mehr Frauen zu den Untersuchungen gehen.“ Das finde hoffentlich großen Anklang. „Brustkrebs-Früherkennung kann eine echte Lebensretterin sein.“

Warum die Hochstufung der Altersgrenze sinnvoll ist und wie das Verfahren abläuft – Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Ab wann können sich 70- bis 75-jährige Frauen untersuchen lassen?

Ab Juli 2024 können sich auch Frauen zwischen 70 und 75 Jahren zum Mammografie-Screening anmelden. Der Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hatte die Altersgrenze im vergangenen Jahr angehoben. Dieser ist nach dem Gesetzgeber das oberste Beschlussgremium im deutschen Gesundheitswesen. Die nun erteilte Strahlenschutz-Zulassung sei die letzte Voraussetzung für das Inkrafttreten, so der Ausschuss.

Frauen im Alter von 70 bis 75 könnten sich folglich ab 1. Juli bei den sogenannten Zentralen Stellen für einen Untersuchungstermin in einer wohnortnahen Screening-Einheit anmelden. Voraussetzung für die Untersuchung ist, dass die letzte Mammographie mindestens 22 Monate zurückliegt.

In der Übergangszeit wurden zudem die automatisierten Einladungen zum Mammographie-Screening auch für die 2,5 Millionen 70- bis 75-Jährigen vorbereitet. Bei diesem seit 2009 für rund zwölf Millionen 50- bis 69-jährige Frauen etablierten Routinebetrieb übermitteln die Meldebehörden die Daten der Anspruchsberechtigten an das zentrale Terminmanagement. Das informiert die Frauen per Brief und versorgt sie gleichzeitig mit einem Termin in einer Praxis, einer Klinik oder einem mobilen Mammographie-Mobil.

Brustkrebs: Warum wird die Gruppe der Anspruchsberechtigten ausgeweitet?

Hintergrund ist eine Empfehlung der EU, die Altersgrenzen für die Brustkrebsvorsorge auszuweiten. Daraufhin startete der G-BA ein Beratungsverfahren. An dessen Ende kamen die Fachleute zu dem Ergebnis, dass auch Frauen zwischen 70 und 75 Jahren von den regelmäßigen Untersuchungen profitieren. Der G-BA hat die Ausweitung vergangenen im September beschlossen.

„Die Inzidenz des Mammakarzinoms nimmt ja nicht mit 70 Jahren ab, sondern bleibt weiterhin hoch. Somit ist es den Frauen nicht klarzumachen, dass man mit 69 Jahren noch ein Risiko hat, das mit 71 nicht mehr gegeben ist“, sagt Prof. Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen. „Aus meiner Sicht ist es gerechtfertigt, das Screening zu erweitern.“

Mammographie: Welche Risiken gibt es?

Neben der Strahlenbelastung gibt es vor allem das Risiko der Überdiagnose: Ein Tumor in der Brust wäre insbesondere im höheren Alter womöglich gar nicht bemerkt worden, weil zum Beispiel eine andere Erkrankung viel schwerer ausfällt. Die Patientin hätte durch das Screening dann aber zusätzlich noch die Brustkrebs-Diagnose, was zu unnötigen Behandlungen und Ängsten führen kann.

Medizinisches Personal untersucht mit einer Mammografie die Brust einer Frau auf Brustkrebs.
Medizinisches Personal untersucht mit einer Mammografie die Brust einer Frau auf Brustkrebs. © dpa | Hannibal Hanschke

Darüber hinaus kann es zu Befunden kommen, die sich später als falsch erweisen. „Die Rate der falsch-positiven Befunde liegt beim Mammographie-Screening mitunter im hohen einstelligen Prozentbereich, das ist nicht von der Hand zu weisen“ sagt Prof. Achim Wöckel, Leiter des Brustzentrums am Universitätsklinikum Würzburg. Vor allem deshalb habe das Screening-Programm lange in der Kritik gestanden. Insgesamt überwiege aber der Nutzen das Risiko, so Wöckel.

Wie ist das seit 2009 laufende Mammographie-Screening insgesamt zu bewerten?

„Auf Basis randomisiert-kontrollierter Studien in den 70er- und 80er-Jahren konnte gezeigt werden, dass das Mammographie-Screening in der Altersgruppe von 50 bis 69 Jahren die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine Brustkrebserkrankung frühzeitig zu identifizieren und als Folge davon die Wahrscheinlichkeit senkt, an Brustkrebs zu versterben“, sagt Prof. André Karch, Vize-Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin sowie Leiter der Klinischen Epidemiologie am Universitätsklinikum Münster. Ob dies aber auch angesichts neuer Behandlungsmöglichkeiten und einer besseren Prognose bei fortgeschrittenem Brustkrebs noch gelte, werde derzeit überprüft.

Kommentar:Brustkrebs – wir müssen uns mehr Früherkennung leisten

„Das Mammographie-Screening ist ein absolut relevantes Verfahren, um potenziell gefährliche Tumore im Frühstadium zu erkennen und die Heilungschancen dramatisch zu verbessern“, sagt Achim Wöckel. Der Effekt sei für die Altersgruppe 50 bis 70 eindeutig nachgewiesen. „Vier bis sechs Frauen von 1000 können durch das Screening vor einer potenziell tödlichen Brustkrebserkrankung bewahrt werden.“ Allerdings müsse man einräumen: „Uns fehlen Daten, die den Nutzen über einen längeren Zeitraum, also über Jahrzehnte, zeigen.“

Brustkrebs-Vorsorge: Was gilt für Frauen unter 50?

Die EU empfiehlt ebenfalls eine Ausweitung der Altersgrenze nach unten – und zwar auf die Altersgruppe der 45- bis 49-Jährigen. Der G-BA berät darüber, eine Entscheidung steht aus. Auch hier wären den Angaben zufolge etwa 2,5 Millionen Frauen betroffen. „Für diese Altersgruppe gibt es qualitativ hochwertige randomisierte Studien, die auf einen Überlebensvorteil von gescreenten Frauen hindeuten. Der angenommene Effekt ist aber relativ gering“, sagt André Karch. Die Gutachter des G-BA kommen zu einem ähnlichen Ergebnis.

Die Altersgrenze nach unten zu schieben, sei aufgrund der anatomischen und physiologischen Gegebenheiten schwieriger, sagt Matthias Beckmann. Da Frauen vor der Menopause eine deutlich höhere Brustdichte hätten, sei die Sensitivität und Spezifität einer alleinigen Mammographie nicht ausreichend. „Wenn ein Screening in dieser Altersklasse eingeführt werden sollte, dann müsste dieses aus meiner Sicht ein Kombinationsverfahren beinhalten. Es wäre der Einsatz von Mammographie und Mamma-Ultraschall als Kombination durchzuführen“, so Beckmann.

Wie viele Frauen erkranken und sterben an Brustkrebs in Deutschland?

Brustkrebs ist laut Krebsregister mit rund 70.000 Neuerkrankungen die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Etwa 18.500 Frauen sterben jedes Jahr daran. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto höher ist die Heilungschance. Laut André Karch ist die Sterblichkeit bei den über 70-Jährigen deutlich höher als bei jüngeren Frauen.

Wie können Frauen vorsorgen?

„Die Krebsfrüherkennung bei Risikopatientinnen ist heute schon ab dem 25. Lebensjahr regelmäßig möglich“, sagt Prof. Tanja Fehm, Direktorin der Frauenklinik am Uniklinikum Düsseldorf. In der Regel erfolge, neben der Tastuntersuchung, ein Mamma-Ultraschall und eine Magnetresonanz-Tomografie (MRT), ab dem 40. Lebensjahr zudem eine Mammographie.

Die Abstastuntersuchung gehört bei jüngeren Frauen zur Brustkrebsvorsorge.
Die Abstastuntersuchung gehört bei jüngeren Frauen zur Brustkrebsvorsorge. © iStock | bymuratdeniz

Bei gesunden, jüngeren Frauen ist die Abtastuntersuchung – selbst unter der Dusche durchgeführt oder im Rahmen eines Routinebesuchs beim Frauenarzt – Goldstandard. „Wobei man hier klar sagen muss: Abtasten ist keine Früherkennung. Potenziell gefährliche Gewebeveränderungen sind meist erst ab einer Größe von ein bis zwei Zentimetern ertastbar“ sagt Fehm.

Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin fordert, dass Ultraschall zur Früherkennung von Brustkrebs bereits ab einem Alter von 40 Jahren eingesetzt werden soll. Die Untersuchung ist aktuell eine Selbstzahlerleistung, die 30 bis 60 Euro kostet.

Das wissenschaftliche Team des Selbstzahler-Monitors im Gesundheitswesen (IGeL) wollte deshalb wissen, ob der Ultraschall Frauen tatsächlich davor bewahren kann, an Brustkrebs zu sterben. „Leider fanden sich keine Studien, die diese Frage untersucht haben. Man weiß also nicht, ob die Ultraschall-Untersuchung einen Nutzen für die Frauen hat“, schreibt der Medizinische Dienst Bund, der den Monitor betreibt.

Das klassische Mammographie-Screening für 50- bis 69-Jährige, die Röntgenuntersuchung der Brust, greift seit 2009. Der Rechtsanspruch für die Kassenleistung gilt alle zwei Jahre. Die Teilnahmequote beträgt laut G-BA etwa 50 Prozent.

Was kostet die Ausweitung des Screenings die Versichertengemeinschaft?

Die Zusatzkosten sind unklar. „Eine Berechnung zu den neu dazukommenden Kosten haben wir derzeit nicht gemacht“, teilt der GKV-Spitzenverband, die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland auf Anfrage mit. Ein Grund dafür sei, dass zunächst unklar sei, wie viele der berechtigten Frauen ab 1. Juli 2024 an dem Programm teilnehmen werden.

Im Jahr 2021 kostete das Mammographie-Screening die gesetzlichen Kassen etwa 270 Millionen Euro. Die Privatversicherten sind in diesen Kosten nicht mitberücksichtigt.

(mit dpa)