Braunschweig. Glaßmeiers Raumblick 39 – Eine Begegnung mit einem Außerirdischen wirft die Frage auf: Wollen wir überhaupt auf den Mars?

Da hatte ich doch neulich einen Traum. Oder war es Wirklichkeit? In jedem Fall traf ich ein echtes extraterrestrisches Wesen. Es nannte sich Sophia. Natürlich war ich über dieses Zusammentreffen hocherfreut. Kommt ja nicht alle Tage vor, mit einer extraterrestrischen Lebensform kommunizieren zu können!

Natürlich fragte ich Sophia, woher sie komme. Ihre Heimat sei „Upinio“ war die prompte Antwort. Von diesem himmlischen Körper hatte ich noch nie gehört. Etwas beschämt ob meiner Unwissenheit, fragte ich also nach. Ein lachendes „Unser Planet ist noch in Ordnung“ sprang mir entgegen.

1957 wurde ein künstluicher Erdatellit gestartet

Das forderte mich nun doch heraus. Und ich sah mich veranlasst, ein wenig anzugeben mit unseren Weltraumerfolgen. Immerhin hatten wir Menschen 1957 den ersten künstlichen Erdsatelliten gestartet: Sputnik, unser Begleiter in das Abenteuer Weltraumforschung. Dann ging es Schlag auf Schlag: Explorer, Echo, Wostok, Mercury, Gemini und dann die Apollo-Flüge waren unsere Meilensteine auf dem Wege ins All. „Und am 20. Juli 1969 hat dann erstmals ein Mensch unseren Mond betreten!“, konnte ich Sophia stolz berichten.

„Aber nicht nur der Mond war unser Ziel, Sophia. All die anderen Planeten, Asteroiden und Kometen machten uns neugierig.“ Von den beiden Voyager-Satelliten mit ihren Bild- und Toninformation beinhaltenden Schallplatten erzählte ich. „Vorbei an Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun fliegend haben wir nun das interstellare Medium, den Raum zwischen den Sternen, erreicht. Die beiden Schallplatten sind übrigens für Euch ETs gedacht. Damit Ihr wisst, was wir so draufhaben!“

„Ach, und die Rosetta-Mission!“ begann ich zu schwärmen. 10 Jahre sind es nun her, dass wir den Kometen, diesen schnellen Wanderern, Geheimnisse entlockt haben. All diese Erfolge haben uns sehr mutig gemacht. Der Weltraum ist Teil unseres Lebensraumes geworden. Kommunikationssatelliten versorgen uns mit täglicher Information aus aller Welt. Jeder benutzt das GPS-Satellitensystem. Und auch mit dem Tourismus in den Weltraum stehen wir schon am Anfang. Vielleicht können wir auch den Mars als Arche nutzen, falls unsere Erde unbewohnbar werden sollte.

Eine Stadt mit Millionen Einwohnern auf dem Mars

Es sprudelte nur so aus mir heraus: „Unsere Menschheit der Zukunft wird multiplanetar werden. In wenigen Jahrzehnten werden wir gar eine Stadt mit einer Million Einwohnerinnen und Einwohnern auf dem Mars haben. Dies verspricht uns einer der großen Pioniere unserer Zeit!“ Mit einem belustigt mitleidigen Lächeln hatte Sophia meinen Bericht verfolgt. „Ich möchte Euch den Mars ja nicht entzaubern! Auch wenn es der Erde nicht gut geht. Habt Ihr nicht ein wenig die Bodenhaftung verloren. Seid Ihr nicht völlig schwerelos geworden, wie Peter Schilling seinen Major Tom schon 1982 singen ließ?“, begann sie ihre Gegenrede. „Aber ist Euch wirklich bewusst, was Ihr da machen wollt, eine Stadt auf dem Mars als Zufluchtsort? Eine völlig neue Erde müsstet Ihr Euch schaffen!“

Schon der Weg dorthin sei voller Widrigkeiten: Etwa ein Jahr verbringt man auf dem Flug zum Mars im tiefen Weltraum, wo ein Schutz gegen die galaktische kosmische Strahlung kaum möglich ist. Die Strahlungsdosis und damit die zu erwartenden negativen gesundheitlichen Auswirkungen sind um ein Vielfaches größer als auf unserer Erde. „Auf dem Mars angekommen“ fuhr Sophia fort „müsst Ihr Euch in Eurer neuen Stadt mit Temperaturen zwischen plus 20 und minus 150 Grad Celsius herumschlagen. 20 Grad klingt sehr angenehm, aber minus 150 Grad ist ein doch sehr lebensfeindlicher Wert. Ihr werdet Euch Bunker bauen müssen, um Euch vor diesen Bedingungen zu schützen. Der Weltraum ist eine Euch lebensfeindliche Welt!“

„Tageslicht werdet Ihr kaum zu sehen bekommen, müsst Euch die Sonne künstlich in Eure schöne neue Bunkerwelt holen. Ihr benötigt Unmengen von elektrischer Energie, um in Euren marsianischen Behausungen halbwegs lebensfreundliche Bedingungen schaffen zu können. Woher wollt ihr sie nehmen? Ihr bräuchtet Photovoltaik-Anlagen, die etwa eine Fläche von 100.000 Quadratkilometern bedecken, etwa die Fläche des Gale-Kraters, in dem Euer Curiosity-Rover vor 12 Jahren gelandet ist. Viel Spaß!“

Ausreichend Sauerstoff fehlt auf dem Mars

Natürlich hätten wir auf dem Mars kein CO2-Problem! Davon gäbe es dort bereits genug, erinnerte mich Sophia an die dünne Kohlenstoffdioxidatmosphäre des roten Planeten. Doch an ausreichenden Mengen von Sauerstoff für unsere Atmung fehle es dort. Jederzeit wären wir auf lebenserhaltende, künstliche Systeme angewiesen. Ein abendlicher Spaziergang in frischer Mai-Luft sei nicht mal denkbar. Immer wären wir in einem künstlichen Ökosystem gefangen. Wasser, Luft, Nahrung, das ganze Programm müsse gehandhabt werden.

Zwar sei Noah nach biblischer Überlieferung mit seiner Arche ein Weltretter gewesen. Aber ob eine Mars-Arche mit einer Million Bewohnern möglich und sinnvoll ist, dies bezweifelte Sophia vehement. „Und überhaupt: Wer entscheidet darüber, wer sich auf den Mars retten darf, wenn das Leben auf der Erde unattraktiv wird? Auf Upinio haben wir dies erfolglos diskutiert und schließlich unsere Pläne zur Kolonisierung anderer planetarer Körper in der Schublade verschwinden lassen.“

Unsere Neugier sei ihr völlig verständlich, die Sehnsucht, extraterrestrische Welten zu erforschen, etwas sehr Menschliches. Die wissenschaftliche Erforschung des Weltalls, unserer Planeten und Monde gehöre zu einer immer noch um Aufklärung ringenden Kultur, allein schon um die Besonderheiten der Erde besser verstehen zu können.

„Ich möchte einer Verzauberung Eurer Erde das Wort reden. Natürlich werden Eure Träume nicht enden. Und Träumende soll man nicht aufhalten, aber auf Schlafwandler solltet Ihr Acht haben!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Sophia von mir, spielte mir zum Abschluss noch die englische Version des „Major Tom“ mit dem Schlusstext „Coming Home“ vor und kehrte nach Upinio zurück. Ich hoffe, sie bald wiederzutreffen.

Karl-Heinz Glaßmeier zählt zu den führenden Weltraumforschern – und war an vielen Weltraummissionen von ESA und NASA beteiligt. Er schreibt einmal im Monat seinen „Raumblick“ für unsere Zeitung.

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