Braunschweig. Luc Degla schreibt in seiner Kolumne „Schwarzrotgold“ über Flohmärkte, Wochenmärkte und einen ganz besonderen Dorf-Flohmarkt.

Vom Flohmarkt hörte ich das erste Mal im Deutschunterricht in Braunschweig. Mein damaliger Kursleiter hatte mich eingeladen, mit ihm an einem Sonntag auf dem Gelände des Kennelbades einen Flohmarkt zu besuchen. Da ich ein neugieriger Mensch bin, nahm ich die Einladung an. Der Besuch machte mir keine Freude. Ich befand mich in Europa und wollte Glanz und Modernität sehen, wie ich es mir vor meiner Reise nach Deutschland vorgestellt hatte. Warum sollte ich alte Geschirre, Möbel und Bilder anschauen?

Im Gegensatz zu den Flohmärkten mochte ich die Wochenmärkte, die mich an die Märkte in Benin erinnerten. Sie waren zwar nicht laut wie in meiner Heimatstadt, aber die Stimmung war dieselbe. Ich unterhielt mich mit den Verkäufern, die mir ihre Produkte zum Probieren anboten. Mit manchen Verkäufern habe ich mich im Laufe der Zeit angefreundet.

Wochenmärkte wecken Erinnerungen an die Märkte in der Heimat in Benin

Oft dachte ich auf den Wochenmärkten an meine Kindheit zurück, als ich damals meine Mutter auf dem Markt begleitete. Sie schlenderte vom Stand zu Stand, hielt kurz an und plauderte mit den Verkäuferinnen. Nichts wurde impulsiv gekauft. Es wurde minutenlang um jeden Groschen gefeilscht. Ich hielt ihre Hand fest, oder blieb ihr auf den Fersen, damit wir uns im Gedrängel nicht verloren. Der Markt war nicht nur voller Menschen und Waren, sondern Gerüche unterschiedlichster Art traten auf. Am Markttag war es besonders voll. Wer es eilig hatte und schnell durch die Gassen gehen wollte, hatte keine Chance. Um vorwärtszukommen, riefen manche Marktbesucherinnen: „Ich habe Läuse, bleibt mir bitte fern!“

Luc Degla stammt aus Benin, lebt und arbeitet in Braunschweig.
Luc Degla stammt aus Benin, lebt und arbeitet in Braunschweig. © Privat | Cornelia Könneker

Vor zwei Jahren erzählten mir einige Dibbesdorferinnen, dass sie vorhatten, einen Dorfflohmarkt zu veranstalten und ob ich Interesse hätte, mitzuwirken. Ich dachte an den einzigen Flohmarkt, den ich je besucht habe, und lehnte es ab. „Meine Wochenenden sind anstrengend genug“, entgegnete ich. Tatsächlich blieb ich während des ersten Dibbesdorfer Flohmarktes im Bett. Wenn ich mich zurückerinnere, hatte es an jenem Tag den ganzen Tag geregnet.

Ein ordentlicher Streit gehört in Dibbesdorf zum Flohmarkt dazu

Aber als ich vom nächsten Termin am vergangenen Sonntag erfuhr, beschloss ich: Egal, um welche Uhrzeit ich am Vortag ins Bett gehen würde, aufzustehen und den Dorfflohmarkt zu besuchen. Ich stand pünktlich um 10 Uhr auf und machte mich nach dem Frühstück auf dem Weg. Die „Alte Schulstraße“ war voller Autos. Vor fast allen Häusern wurden Verkaufsstände aufgestellt und alle möglichen Gegenstände angeboten. Verkäuferinnen, Verkäufer sowie Besucherinnen und Besucher stand ein Lächeln im Gesicht.

Ich bog in die Schönebergstraße ein und stieß auf einen Streit: Ein Mann hatte ein geparktes Auto fotografiert. Nachdem der Besitzer ihn gefragt hatte, was er da tat, sagte er, dass das Auto mit zwei Reifen auf der Fahrbahn stünde. Die beiden fingen an, sich anzubrüllen. Eine Passantin sprach einen anderen Passanten an: „Ist das Leben nicht schon schwer genug, damit wir uns noch streiten?“ Der Passant: „Ich weiß nicht, warum man ein so hässliches Auto fotografieren sollte.“ Und dann fügte er hinzu: „Es hat sich jetzt schon gelohnt, auf den Dorfflohmarkt zu gehen.“

Der Dorf-Flohmarkt in Dibbesdorf entpuppte sich als Dorffest

Ein Kind versuchte, ein Spielzeug zu verkaufen. „Wie viel willst du haben?“, fragt die Käuferin. „Ich weiß es nicht“, antwortete der Junge und blickte seine Mutter an, die ihm sagte: „Du musst schon allein handeln. Ich helfe dir nicht.“ Dem Jungen wurde es peinlich. Er zuckte mit den Achseln: „Zwischen 20 und 50 Cent.“ Amüsiert sagte die Käuferin: „Dann gebe ich dir dafür 50 Cent.“

Ich begegnete einer Freundin. Sie strahlte vor Freude. Sie hatte für 1 Euro die Vase einer namhaften Manufaktur erworben. Eine andere Nachbarin erzählte fröhlich am Abend, dass sie bei einer Nachbarin ein bequemes Fahrrad für 80 Euro erworben habe. Da ich weiß, dass sie sehr schnell fährt, entgegnete ich: „Aber mit dem Fahrrad kannst du nicht 200 km/h fahren.“

Es war ein schöner Tag. Das nächste Mal werde ich mich sicherlich beteiligen. Die Veranstalterinnen haben davon keinen finanziellen Vorteil. Eine Initiative nur für das Dorf. Um 16 Uhr waren die Straßen wieder leer. Es war kein Dorfflohmarkt, es war ein Dorffest der anderen Art.

Luc Degla hat im Benin Mathematik und in Moskau und Braunschweig Maschinenbau studiert. Der freie Autor lebt in Braunschweig. In seiner Kolumne beschreibt er sein Leben mit den Deutschen.

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