Braunschweig. Klimaaktivisten blockierten kurzzeitig die Wolfenbütteler Straße. Der „Slow Walk“ war nicht angekündigt. Sie nehmen bis zu 3000 Euro Bußgeld in Kauf.

Die Gruppe „Letzte Generation“ hat am Mittwochnachmittag erneut den Verkehr in Braunschweig mit einer unangemeldeten Kundgebung behindert. Sieben Klimaaktivisten beteiligten sich an einer „Laufblockade“, einem sogenannten „Slow Walk“, auf der Wolfenbütteler Straße stadtauswärts. Laut Polizeisprecher Dirk Oppermann begann die Aktion gegen 16 Uhr.

Die Einsatzkräfte seien schnell vor Ort gewesen, hätten das Ganze als Versammlung deklariert und eine beschränkende Verfügung ausgesprochen: Die Klimaaktivisten hätten ihre Aktion auf dem Gehweg fortsetzen können, was sie aber nicht taten. Daraufhin sei die unangemeldete Versammlung aufgelöst worden, so Oppermann, und Polizeibeamte hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Straße geleitet. Es habe keine Gegenwehr gegeben. Den Klimaaktivisten erhalten nun Anzeigen wegen Nötigung im Straßenverkehr und Ordnungswidrigkeitenanzeigen. Nach kurzer Zeit sei die Wolfenbütteler Straße wieder frei befahrbar gewesen.

Die Klimaaktivisten nehmen mit der erneuten Aktion Bußgelder bis zu 3000 Euro in Kauf. Anhand einer entsprechenden Allgemeinverfügung will die Stadt jetzt härter gegen die „Letzte Generation“ vorgehen: Demnach sind Versammlungen dieser Gruppe oder ähnliche Versammlungen zum Klimaprotest unter freiem Himmel beschränkt, wenn diese nicht im Vorfeld angezeigt werden. Untersagt ist das Nutzen von Fahrbahnen für Umzüge und Märsche sowie das Ankleben, Festketten, Festbinden oder Niederlassen auf Fahrbahnen. Die Allgemeinverfügung gilt zunächst bis zum 31. August 2023. Bei Verstößen müssen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Ordnungswidrigkeitsverfahren und Bußgeldern rechnen.

Andere Städte wie Hannover haben einen anderen Weg gewählt und die Forderungen der „Letzten Generation“ gegenüber der Bundesregierung unterstützt. Im Gegenzug finden dort zurzeit keine Protestaktionen statt, die in den Verkehr eingreifen. Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum lehnt ein solches Vorgehen bislang strikt ab.

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Klimaaktivist: Es bräuchte drei Erden, um unseren Lebensstil zu erhalten

Als Anlass der Protestaktion nennt die „Letzte Generation“ in einer Pressemitteilung den „Erdüberlastungstag“ am 2. August – der Tag, an dem die globalen Ressourcen, die sich innerhalb eines Jahres regenerieren können, erschöpft sind. „Das heißt, wir verbrauchen im weltweiten Durchschnitt pro Jahr so viel Ressourcen, dass wir ca. 1,7 Erden bräuchten“, schreiben die Klimaaktivisten.

Jonas Ebert (21) wird mit diesen Worten zitiert: „Würden alle Menschen auf der Erde so leben wie wir hier in Deutschland, wäre das Jahresbudget an Ressourcen der Erde dieses Jahr bereits am 4. Mai erschöpft gewesen. Es bräuchte drei Erden, um unseren Lebensstil zu erhalten. Doch uns steht nur diese eine Erde zur Verfügung, sie ist unsere Heimat und unsere Lebensgrundlage, und sie wird stark überlastet; dies wirkt sich sichtbar in immer stärker zunehmenden Umweltproblemen aus.“

Klimaaktivistin: Bundesregierung verstößt weiterhin gegen die Verfassung

Die Lehrerin Maria Heß (58) sagt laut der Pressemitteilung: „Heute ist der Earth Overshoot Day. Doch die Politik ignoriert die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen und unserer Zivilisation durch die Klimakrise: Weder die Bundesregierung noch die Stadt Braunschweig ergreifen effektive Maßnahmen, den verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, einzudämmen. Es fehlt ganz offenbar am politischen Willen: Die Bundesregierung verstößt weiterhin gegen ihre eigenen Gesetze und gegen die Verfassung. Ich frage Sie: Wo bleibt der Aufschrei der Medien? Wo bleibt der Aufstand der Gesellschaft? Wo bleibt der Protest der Opposition?“

„Wir brauchen eine regenerative Kultur, durch die wir der Erde mehr zurückgeben, als wir von ihr nehmen“

Ein weiterer Braunschweiger Klimaaktivist, Alexander Grimm (28, Fachinformatiker für Systemintegration), sagt dazu laut der Pressemitteilung: „Die Stadt Braunschweig versucht die Kundgebungen von Klimabewegungen von der Straße zu drängen. Doch keine Strafe kann uns davon abhalten, für eine lebenswerte Zukunft und gegen das unzureichende und gesetzeswidrige Handeln der Bundesregierung auf die Straße zu gehen. Im Gegenteil, gerade jetzt ist unser Protest notwendiger denn je: Die Allgemeinverfügung offenbart deutlich, dass der Stadt Braunschweig der politische Wille fehlt, gegen das Problem anzugehen – lieber macht sie diejenigen mundtot, die für die Lösung des Problems auf die Straße gehen. Das erhöht die Notwendigkeit, weiter energisch den gesellschaftlichen Alltag auch hier in Braunschweig zu unterbrechen!“

Und Anja Aschenbrenner (50, Ingenieurin) wird so zitiert: „Nur ziviler Widerstand bietet noch die Chance, rechtzeitig eine Umkehr auf dem zerstörerischen Kurs zu bewirken. Die Bundesregierung kommt ihrer Pflicht nicht nach, gemäß Art. 20a unseres Grundgesetzes die Lebensgrundlagen auch zukünftiger Generationen zu schützen. Wir brauchen eine regenerative Kultur, durch die wir der Erde mehr zurückgeben, als wir von ihr nehmen, statt in der Gier nach fortwährendem Wachstum, Überkonsum, Ressourcenverschwendung und Wegwerfmentalität festzukleben.“

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